Multiple-Sklerose-Selbsthilfegruppe: Erst eingeschlafen, jetzt wieder zu neuem Leben erweckt MS: Über die eigene Krankheit lachen

Von Luisa Degenhardt
Die Multiple-Sklerose-Selbsthilfegruppe ist wieder zum Leben erweckt. Foto: Luisa Degenhardt Foto: red

Bereits seit 2007 gibt es in Pegnitz die Gruppe für Menschen, die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind. Zwischenzeitlich kamen kaum mehr Betroffene zu den Treffen.

 
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Plötzlich spürte Erika Kuhn ihre Beine nicht mehr, bis zum Bauchnabel „war alles tot“. Das war 1988, als sie im Urlaub war. Zurück in Deutschland ging sie sofort ins Krankenhaus, der Verdacht des Arztes: Rückenmarksentzündung. Später fand sie heraus, dass der Auslöser wohl ein Verdampfer gegen Insekten war, den sie Nacht für Nacht in die Steckdose gesteckt hatte. Die Dämpfe enthielten Nervengifte. Heute kann sie wegen der MS ohne Krücke nicht mehr gehen.

Zeichen nicht ernst genommen

Hermann Egli sitzt im Rollstuhl und hat die Diagnose MS 2009 bekommen. Die Zeichen waren schon vorher da, er hatte sie nicht ernst genommen, sagt er. Er litt an Gleichgewichts- und Sehstörungen, Symptome von Multipler Sklerose. Bei Brigitte Lindner hat es mit einer Sehnerventzündung angefangen, beim Tennisspielen hat sie den Ball nicht mehr gesehen. Dann konnte sie nicht mehr laufen. Irgendwann ging sie zum Durchchecken ins Krankenhaus. Dort wurde ihr dann gesagt: „Sie haben MS.“ Das war im November 2002.

Austausch von Erfahrungen

Die drei sind Teil der MS-Selbsthilfegruppe, die es schon seit einigen Jahren gibt, die aber eingeschlafen war. Zuletzt kamen nur noch drei Betroffene. Nun wird die Gruppe wiederbelebt. Zu den Treffen einmal im Monat kommen jetzt wieder sechs Betroffene. Viele MS-Kranke, erzählt Kuhn, hätten Angst, dass bei den Treffen nur gejammert würde. „Das ist außen vor.“ Egli ergänzt, dass es ja auch nichts nützt. Es geht stattdessen um den Austausch von Erfahrungen. Um Tipps für den Alltag. Um Verständnis füreinander ohne viele Worte, wenn etwas MS-bedingt nicht klappt. Aber es geht auch um Spaß. Vor allem können die MS-Kranken über gesunde Menschen lachen. „Wir amüsieren uns alle darüber, wenn sie sich mit Betroffenen unterhalten und sagen: ,Ja, das hab ich auch‘“, so Kuhn. Aber auch Späße über die eigene Krankheit gehören dazu. „Es ist gut, wenn man darüber lachen kann“, sagt die 54-Jährige.

Mit der Krankheit arrangieren

Die drei haben sich mit ihrer Krankheit arrangieren müssen. Egli ist gerne draußen. Sobald das Wetter schön ist, befestigt er sein „Speedy“-Handbike an seinem Rollstuhl und fährt los. Für das Gefährt hat er sich auch entschieden, weil er nicht im Rollstuhl herum geschoben werden will. „Ich bin doch keine 80 Jahre“, sagt er. In diesem Jahr ist er schon 500 Kilometer gefahren, sein Ziel sind 3000. Um es auch bis nach Gößweinstein, Neuhaus oder Kirchenthumbach zu schaffen, hat er sich einen zweiten Akku bestellt.

Auch die 49-jährige Lindner kann sich ein Leben ohne ihren Alltagshelfer nicht mehr vorstellen. Mit ihrem Elektroscooter fährt sie zum Einkaufen und kommt so unter Leute. Dennoch habe die Krankheit natürlich viel verändert, gesund könne man viel mehr machen. „Man kommt sich unnütz vor“, sagt sie.

Unangenehmes beiseite schieben

Kuhn sagt, dass die Einstellung viel ausmacht. Unangenehmes müsse man beiseite schieben. „Ich habe ein ,Mir-Wurscht‘-Gefühl entwickelt und versuche nur zu tun, was mir gut tut.“ Deshalb ist sie auch in den Süden geflogen, zwei Wochen Kreta, Wärme. Die tut ihr gut, nur ins Meer kann sie nicht. Denn nach dem Schwimmen spürt sie ihre Beine nicht mehr.

Egli ist 62 Jahre alt. Früher hat er bei der Bank gearbeitet, mit 57 Jahren musste er wegen der Krankheit in Rente gehen. Am Anfang hatte er Angst, dass statt der Arbeit nur Leere kommt. Das war jedoch nicht so, er hat genügend Beschäftigung, ist zum Beispiel ehrenamtlich im Seniorenbeirat. Die Drei betonen, dass sie in Pegnitz viel Unterstützung von den Bürgern erfahren, zum Beispiel beim Einkaufen. Dennoch gibt es noch Verbesserungspotenzial: Erika Kuhn würde Lebensmittel gerne online bestellen und liefern lassen. Sie und die anderen beiden finden auch, dass die Stadt in Sachen Barrierefreiheit noch Nachholbedarf hat. „Wir sind nicht behindert, wir werden behindert“, sagt Erika Kuhn.

Info: Die MS-Selbsthilfegruppe trifft sich das nächste Mal in der Bücherei des Betreuten Wohnens im Brigittenpark am Dienstag, 16. Mai, um 16 Uhr. Infos gibt es bei Erika Kuhn per Mail an erika.pegnitz@gmail.com oder telefonisch bei Brigitte Lindner unter 01 60/1 85 03 00.

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