Mordfall: Zwei Schläge vor dem Todessturz

Von Manfred Scherer
Bei der Spurensicherung im Haus des Opfers in der Innstraße fanden Kriminaltechniker mehrere DNA-Spuren, die von den beiden Angeklagten stammen können – zwei der Spuren sind besonders hochwertig, weil sie alle notwendigen Erbgutmerkmale der Angeklagten aufweisen. ⋌Foto: Archiv/Eric Waha Foto: Eric Waha Foto: red

Im Prozess um den gewaltsamen Tod des 88-jährigen Friedrich Kuhn verdichtet sich die Indizienlage gegen die zwei Angeklagten. DNA-Spuren legen nahe, dass beide Männer am Tatort in der Innstraße gewesen sein könnten, wie es einer von ihnen behauptet.

 
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Der Bericht der Gerichtsmedizin über die Verletzungen des Opfers passen ein Stück weit zu den Einlassungen des Angeklagten Anton S. vom ersten Verhandlungstag, denen zufolge ein Einschleichdiebstahl bei Friedrich Kuhn aus dem Ruder gelaufen sei.

Wie berichtet sind der 36-jährige Anton S. und der drei Monate ältere Firat T. des gemeinschaftlichen Mordes an Friedrich Kuhn angeklagt. Anton S. hatte am 1. Prozesstag ausgesagt, dass er und Firat T. am 12. April 2017 im Haus in der Innstraße 3 gewesen seien, um den Senior zu bestehlen. Firat T. fungierte demnach als Ablenker, der sich mit Wein und Kuchen als neuer Nachbar vorgestellt habe, während Anton S., ein erfahrener Trick- und Einschleichdieb, in dem Haus umgesehen und Schmuck erbeutet habe.

Schnell rein, schnell raus, schnell weg - das klappte nicht

Doch das übliche „Schnell rein, schnell raus und schnell weg“ soll laut Anton S. nicht geklappt haben: Rund 40 Minuten will er nach dem Verlassen des Hauses auf Firat T. gewartet haben. Als er zurückging, soll T. ihn mit den Worten empfangen haben: „Verdammt, es ist ein Unfall passiert.“ Anton S. sah Friedrich Kuhn am Fuß einer Treppe liegen.

Tatsächlich zog sich der einen Meter dreiundsechzig große, mit 53 Kilo leichte und gebrechliche Greis bei dem Sturz diese Treppe hinab seine – letztlich tödlichen – Kopfverletzungen zu, erklärte Gerichtsmediziner Professor Peter Betz am Freitag als Gutachter im Schwurgericht. Betz berichtete weiter, dass bei der Untersuchung des Toten auch zwei Verletzungen gefunden wurden, die nicht zu dem Sturz passten: Eine Prellmarke am Hinterkopf, ein gutes Stück oberhalb der Hutkrempenlinie und eine nahezu identische Prellmarke am linken Jochbein.

Friedrich Kuhn sei an diesen Stellen von einem Gegenstand getroffen worden. Am Jochbein habe der Treffer sogar einen Knochenbruch verursacht. Die beiden Marken seien zwanglos mit Schlägen mit einem entsprechend geformten Gegenstand in Einklang zu bringen. Dies passt zur Anklage, wonach einer der Angeklagten auf Friedrich Kuhn mit einem – bislang unbekannten – Tatwerkzeug eingeschlagen haben soll und der Senior infolge dieser Schläge dadurch die Treppe hinabstürzte.

Viele DNA-Spuren als Indizien

Nach der Schilderung des Angeklagten S. soll Firat T. der Schläger gewesen sein. Firat T. hat auch am 2. Prozesstag keine Angaben zu den Anklagevorwürfen gemacht. Im Vorverfahren soll er bislang behauptet haben, gar nicht am Tatort gewesen zu sein.

Das erste Indiz, dass er doch dort gewesen sein könnte, ist die entsprechende Behauptung des Mitangeklagten Anton S. Für sich alleine genommen, könnte man dies als Versuch sehen, die eigene Haut zu retten. Allerdings bekommt Anton S. eine Art Schützenhilfe – durch die Kriminaltechniker der Kripo und durch eine Biologin: Die Kriminaltechniker fanden bei ihren Untersuchungen am Tatort eine Reihe von DNA-Spuren.

Zwei der Spuren sind laut der Biologin besonders hochwertig, weisen also sehr viele zur DNA der Angeklagten passende Merkmale auf. Die DNA-Spur, die zu Firat T. passen soll, wurde an der Hose des Opfers gefunden, die Spur, die von Anton S. sein soll, an einem kleinen Teppich am Fuß der Treppe, die Friedrich Kuhn hinabgestürzt war.

Die Gutachterin berichtete von weiteren, schwächeren DNA-Spuren, die mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit von den Angeklagten stammen könnten – an Schranktüren, an Lichtschaltern, an leeren Schmuckschachteln, an Geldbeuteln – alles in allem sagen die Spuren: Auch Firat T. war wohl am Tatort, alles andere wäre „ein Schmarrn“, wie es der Schwurgerichtsvorsitzende Michael Eckstein ausdrückte.

Auf der Flucht meldet sich das schlechte Gewissen

Doch genau geschah am Tatort? Klar ist: Der Körper des Schwerverletzten Friedrich Kuhn lag seltsam gerade, Arme und Beine parallel ausgestreckt am Fuß der Treppe – überhaupt nicht zu dem vorangegangenen Sturz passend, wie Gerichtsmediziner Betz sagte. Jemand muss also den Körper bewegt haben – die Angeklagten, und wenn ja, zu welchem Zweck?

Zumindest Anton S. schlug nach dem „Unfall“ das schlechte Gewissen: Nach der Flucht vom Tatort wählte S. um 23.15 Uhr an einem Münztelefon am Crailsheimer Bahnhof, 180 Kilometer von Bayreuth weg, die Nummer der Polizei in Aalen und berichtete mit verstellter Stimme, dass in der Innstraße ein alter Mann „in seinem Blut“ liege.

Auch dann, wenn Anton S. sofort Hilfe gerufen hätte, wäre Friedrich Kuhn wohl gestorben – die Hirnverletzungen des 88-Jährigen waren laut Gerichtsmediziner Betz „irreversibel“. Kuhn starb am 14. April 2017 um 6.45 Uhr im Krankenhaus.

Nach dem Anruf aus Crailsheim eilten zwei Polizeistreifen in die Innstraße: Die Beamten sahen schon beim Heranfahren im Scheinwerferlicht ihrer Autos: Die Haustüre stand offen.


Der Prozess geht am Montag weiter.

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