Mobil durch Training

Von Johanna Strütt
Beim Mobilitätstraining für Rollstuhlfahrer. Hinten: Philipp und Hanna Schuhwarck mit Irina London. Rechts: Roland Bauer und Patrick Moser. Foto: Andreas Harbach Foto: red

In Bus oder Bahn einsteigen, von einem hohen Bordstein auf die Straße treten, Treppen gehen, Rolltreppe fahren. Für jeden, der zwei funktionsfähige Beine hat, ist das kein Problem. Doch für Menschen, die auf einen Rollstuhl angewiesen sind, können solche Kleinigkeiten zu einem großen Hindernis werden. Das Forschungsinstitut für Inklusion durch Bewegung und Sport (Fibs) bietet daher Kurse für Rollstuhlfahrer an, in denen die Mobilität der Betroffenen verbessert werden soll.

 
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„Mit der richtigen Technik können Rollstuhlnutzer solche Situationen meistern“, sagt die Projektleiterin Irina London. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Patrick Moser zeigte sie den sechs Kursteilnehmern am Samstag in der Turnhalle der Hohen Warte verschiedene Übungen zur Mobilitätssteigerung. „Ich sitze seit meinem vierten Lebensjahr im Rollstuhl und habe schon zahlreiche Mobilitätskurse absolviert. Daher weiß ich wie wichtig und sinnvoll solche Angebote sind“, erzählt Moser.

Am Morgen wurden in der Turnhalle verschiedene Grundfahrtechniken geübt wie zum Beispiel kleine Kanten hoch- und runterfahren. Nachmittags standen etwas schwierigere Trainingseinheiten auf dem Programm, wie höhere Stufen überwinden und auf dem großen Antriebsrad balancieren. „Das üben wir, weil es eine Sitzposition ermöglicht, die die Rückenmuskulatur entspannen lässt. Aber vorher müsst ihr eine Sache unbedingt draufhaben“, erklärt Moser den Rollstuhlnutzern, „und zwar den Sicherheitsgriff.“ Geübt wurde im Training zuerst immer mit Hilfestellung. „Zu wissen, dass jemand hinter ihnen steht, gibt den Fahrern Sicherheit“, sagt London. „Viele haben große Angst davor hinzufallen, weil es für sie natürlich nicht ohne weiteres möglich ist einfach aufzustehen und sich wieder in den Rollstuhl zu setzen.“ Also stellt sie sich hinter einen der Kursteilnehmer, während dieser von der Balance-Haltung auf den Antriebsrädern zurück in die Grundposition kippt und umgekehrt.

Noch nie gemacht

So macht es auch Hanna Schuhwarck. Die 32-jährige begleitet ihren Bruder Philipp Schuhwarck zum Training. Der 26-jährige versucht die gezeigte Übung zu wiederholen. Dass er Angst hat und sich unsicher fühlt, ist ihm deutlich anzusehen. „Du kannst mir vertrauen, ich halte dich“, ermutigt ihn seine Schwester, die im Ausfallschritt hinter ihm steht. „Ich habe sowas noch nie gemacht“, sagt Philipp Schuhwarck und zögert einen Augenblick, bevor er wieder versucht, die Balance auf den Antriebsrädern zu finden. „Solche Trainings sind gerade deshalb so wichtig, weil die Fahrer in ihrem alltäglichen Leben nicht die Möglichkeit haben zu üben und vor allem die Übungen so oft und gezielt zu wiederholen“, sagt London.

Die Initiatoren des Projekts verfolgen das Ziel, Mobilitätstraining bundesweit kostenfrei und standardisiert durchzusetzen. Dabei werden sie durch Mittel der deutschen gesetzlichen Unfallversicherung unterstützt. Seit September 2017 laufen die ersten Mobilitäts-Kurse, bis Ende 2020 soll es so weitergehen. Um nachweisen zu können, ob Training die Mobilität der Rollstuhlnutzer verbessert, wird zu Beginn des ersten Trainingstages ein Mobilitätstest bei jedem Fahrer durchgeführt. Auf den ersten Trainingstag folgt für einen Monat eine selbstständige Übungsphase. „Wir haben ein Online-Übungsportal eingerichtet, in dem alle Übungen noch einmal aufgeführt und erklärt sind, damit die Teilnehmer fleißig üben können“, sagt London. Am 7. April wird erneut in der Turnhalle der Hohen Warte trainiert. „Am Ende des zweiten Trainingstages wird die Mobilität der Fahrer noch einmal überprüft um die individuellen Fortschritte deutlich zu machen“, sagt London.

An Mobilität gewinnen

Dass die Teilnehmer in Bayreuth an Mobilität gewinnen werden, sind sich London und Moser sicher. „Das Training heute lief super, man hat sehr individuell fördern und individuelle Fortschritte schon jetzt beobachten können“, sagt Moser. „Ich denke, das wird sich beim zweiten Trainingstermin noch erweitern.“ Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Motivation der Fahrer. „Dass die Teilnehmer anfangs ängstlich sind neue Sachen auszuprobieren ist logisch, entscheidend ist, dass sie ihre Angst überwinden wollen“, sagt London. „Die Gruppe hier hat das auf jeden Fall geschafft.“

„Es war interessant und auch manchmal echt schwierig, aber vor allem war es anstrengend“, sagt Roland Bauer. „Ein vergleichbares Training habe ich bisher noch nicht mitgemacht.“ Er stammt aus Marktredwitz und ist der einzige Teilnehmer aus der Umgebung.

Für Christian Weismann, stellvertretender Leiter der Sporttherapie der Hohen Warte, gehören innovative Projekte wie dieses zum Beruf dazu: „Wir haben unseren Job in den letzten 30 Jahren auch schon gut gemacht, aber wenn neue Angebote wie diese Trainings bestehen, muss man diese unbedingt nutzen und sich an aktuelle Weiterentwicklungen anzupassen.“

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