Mitten in der Jaucheflut

Michael Weiser
 Foto: red

Wie weit die Meinungen auseinandergehen. „Als Vertreterin einer modernen und aufgeschlossenen Familiengeneration“ stehe Bettina Wulff in einer Reihe mit Michelle Obama und Carla Bruni. Berichtete mal der Biographie-Dienst Munzinger. Mittlerweile weht der Wind aus der entgegengesetzten Richtung.

 
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Beim Internet-Bücherversand Amazon schmähen Kommentare Wulff als „reiche verwöhnte Zicke“. Von „Hassfiguren“ ist die Rede, von Niveaulosigkeit und Schlimmerem, viel Schlimmerem.

Bettina Wulff ist mit einem ehemaligen Bundespräsidenten verheiratet und hat ein Buch geschrieben. „Jenseits des Protokolls“ heißt es, beim Riva-Verlag ist es erschienen, und es ist – um es vorauszuschicken – nicht gut. Frauenrechtlerin Alice Schwarzer hält Wulff für mutig, weil sie mit ihrem Buch eine Debatte über Rufmord im Internet angestoßen habe. Aber das beabsichtigte Wulff gar nicht. Als „normale Frau und Mutter“ will sie gesehen werden, sagt sie, deswegen habe sie das Buch geschrieben. Schreibt sie im Vorwort.

"Übelste stille Post"

Weit über negative Kommentare gab es für diesen Versuch. Allein gestern, ob das Buch etwas taugt oder nicht, ob es der Wahrheitsfindung dient oder nicht: Das ist nicht die Frage. Sondern: Was treibt manche Menschen im Internet um, was führen sie im Schilde? Schreiten sie irgendwann zur Tat? Wieder mal schwappt die Jaucheflut über. So wie bei dem Jugendlichen in Emden, der als Mörder eines Mädchens diffamiert wurde und um ein Haar einem Lynchmob zum Opfer gefallen wäre. So wie bei Werder Bremen, das sich wegen seiner Partnerschaft mit dem umstrittenen Hähnchenproduzenten Wiesenhof im Wüten eines sogenannten Shitstorms wiederfand.

Bettina Wulff beschäftigt schon seit längerem die Fantasie des digitalen Mobs, und es hätte dazu nicht die Machenschaften ihres Mannes gebraucht. Sie hat ihr Buch auch wegen der Rotlicht-Gerüchte geschrieben, die seit Jahren um sie wuchern. Schlimme Nachrede, „übelste stille Post“, entgegnet sie, und es gibt keinen Anlass, daran zu zweifeln oder gar ins Grübeln zu geraten.

Die Medien sind schuld

Das Buch ist, wie gesagt, nicht gut geschrieben. Das muss einen nicht kümmern, derlei passiert nicht so selten. Wulff schreibt, dass die Medien an allem schuld seien, an den Gerüchten wie am Scheitern ihres Mannes, und auch das ist nicht überraschend. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass sie an seltsamen Freunden und Gefälligkeiten nichts anstößig findet. Merkwürdig sei der Kredit fürs Haus gewesen, das schon. „Aber Christian und ich waren dankbar für diese Möglichkeit.“ Es liest sich so belanglos, wie erwartet. Dafür war die Wirkung gewaltig. „Das hat es so noch nicht gegeben“, sagte eine Sprecherin des Riva-Verlages in München, „nicht in diesem Ausmaß.“

„Hure“ oder „Prostitution“ – mit solchen Schlagwörtern hatten Amazon-User schnell das neue Buch von Bettina Wulff verknüpft. Amazon hat diese Verknüpfungen nun gelöscht, weil „keine ordinären oder obszönen Ausdrücke, aufhetzende oder böswillige Tags verwendet werden dürfen“. Allein, der Ton blieb bösartig. Ein Kommentator schwelgte bereits in Äußerungen des spontanen Volkszorns: Das Buch solle „öffentlich verbrannt werden“.

Derweil verkauft sich das Bändchen anscheinend beachtlich: Gestern gehörte es bei Amazon zu den zehn meistverkauften Büchern.

Foto: dpa