Jäger, Landwirte und Ehrenamtliche suchen Wiesen gezielt nach Rehkitzen ab Miteinander reden rettet Tierleben

Von Sonny Adam
Wiesen vorher gezielt absuchen: Jäger Harald Höhn hat schon viele Kitze gerettet. Foto: Sonny Adam Foto: red

Dass Rehkitze in den Wiesen sterben, ruft jetzt Naturschützer allerorten auf den Plan. Selbst Jäger und Bauern haben dafür Verständnis.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ralph Faltenbacher hat vor einer Woche die Facebook-Initiative „Pegnitz schützt die Kitze“ ins Leben gerufen. Vor dem Mähen haben Freiwillige Wiesen abgesucht. Das Ergebnis: sechs Rehkitze konnten vor dem grausamen Mähtod bewahrt werden.

In einem Kulmbacher Stadtteil starben kürzlich drei Kitze, weil bei den Mäharbeiten nicht aufgepasst wurde. Dem dritten Kitz gab eine Tierärztin den Gnadentod: Es war schwer verletzt im Gras liegen geblieben. Der Grundstückseigentümer hatte sich nicht um die Tiere gekümmert.

Die 36 Jahre alte Daniela Kerling trommelt ebenfalls über Facebook: „Kitzrettung Fichtelgebirge“ hat sie ihre Seite genannt. Gemeinsam mit Tierärzten und Jägern will sie den Landwirten helfen, vor dem Mähen, die Wiesen abzusuchen, um „Todesfälle“ zu verhindern. Sie hofft, dass viele Menschen in der Region so denken wie sie.

Geschockt über Gleichgültigkeit

Auch Landwirt Hermann Grampp aus Melkendorf und der stellvertretende Jagdberater des Landkreises Kulmbach Harald Höhn sind betroffen. Die Berichterstattung über die toten Rehkitze hat Jäger und Landwirte auf den Plan gerufen. „Uns schockt die Gleichgültigkeit. Aber es sind immer nur wenige schwarze Schafe“, sagt Grampp. Grampp hat auf seinem Hof bei Melkendorf hundert Milchkühe. Das Gras muss Anfang Mai geschnitten werden, denn zu diesem Zeitpunkt ist der Eiweißgehalt am besten. Mit jedem Tag, an dem das Gras höher wird, verliert es an wertvollem Eiweiß.

Persönlich bewirtschaftet Grampp rund 65 Hektar Wiesen und 25 Kleegras – also rund 90 Hektar. In seinem Bereich tendieren die Wildunfälle gegen Null. „Ich rede schon eine Woche vorher mit dem Jagdpächter. Der Jäger muss Bescheid wissen, wenn ich mähen will“, sagt Grampp und kann nur allen anderen Landwirten dies auch empfehlen: Miteinander reden, planen – das rettet Leben.

Gefährlich: Wiesen in Waldnähe mit hohem Gras

Harald Höhn kennt mehrere Methoden, wie er die Rehkitze und jungen Hasen rechtzeitig vor der Mahd aus den Wiesen bekommt. Persönlich geht er mit seinem Hund durch „gefährdete“ Wiesen, in denen sich Jungtiere verstecken könnten. „Aber betroffen sind nur Wiesen, die in Waldnähe sind, ruhig gelegene Wiesen und Wiesen mit dichtem Gras“, sagt Höhn. „Ich suche die Wiesen, in denen ich Wild vermute, einen halben Tag vorher ab.“ Wenn er auf Rehkitze trifft, die noch nicht selbst aus der Wiese laufen, dann trägt er sie auf dem Arm hinaus. „Wichtig ist, dann man viel Gras nimmt, das Kitz nicht direkt anfasst.“

Wenn man die Kitze nicht auf den ersten Blick findet, gibt es Anzeichen, ob Kitze versteckt in der Wiese sind: Wenn erwachsene Rehe nicht aus der Wiese verschwinden, sondern immer wieder zurückkommen. „Wenn ich sehe, dass ein Reh nur kurz in Deckung geht und ich mähe, dann höre ich sofort auf, denn dann weiß man schon, dass ein Kitz in der Wiese ist“, sagt Grampp. „Eigentlich ist die kritische Zeit fast vorbei.“ Denn ab Juni sind die Kitze bereits so weit entwickelt, dass sie selbstständig aus der Wiese laufen können. Bauern könnten kein Interesse daran haben, dass Tiere bei der ersten Mahd getötet werden. Denn Tierreste können Botulismus fördern.

Mehr Maschinen, weniger Personen in der Landwirtschaft

Doch was sagt der Maschinenring, der die gigantischen Mähmaschinen zur Verfügung stellt, zu der Aufregung über tote Rehkitze? Geschäftsführer Werner Friedlein sagt, es könne vorkommen, dass Rehkitze „erwischt“ werden. „Man muss immer sehen, dass es früher 10 000 Beschäftigte in der Landwirtschaft gab, heute nur noch 2000.“ Und natürlich sind die Maschinen, mit denen die Felder und Wiesen bewirtschaftet werden, größer und schneller geworden. Jagdpächter und Landwirt müssten mehr miteinander reden. „Wenn Lohnunternehmer kommen, dann können die nicht erst die Wiesen absuchen“, sagt Friedlein. Denn dann drängt die Zeit.

Nicht viel hält Friedlein von Versuchen mit Drohnen und Wärmebildkameras. „Da sind ja drei Leute nötig, um dann zu reagieren: einer, der die Drohne fliegt, einer der die Wärmebildkamera überwacht und einer, der dann die Kitze aus der Wiese holt.“

Doch tatsächlich gibt es viele Methoden, die Mähunfälle verhindern können. Am Abend vor der Mahd steckt Harald Höhn oft auch Stecken mit weißen Säcken in die Wiesen, die gemäht werden sollen. Die Rehgeißen führen ihre Kitze dann aus den Wiesen heraus. „Aber man muss eben Bescheid wissen“, sagt Höhn.

Info: Kitzrettung Fichtelgebirge, Daniela Kerling, Mail: info@kitzrettung-oberfranken.de, Telefon: 0 92 54/9 61 63 65; Kitzrettung Pegnitz, Alexandra Keller-Schaffer, pegnitz-schuetzt-die-kitze@gmx.de.

Bilder