Feuerwehr: Trainieren am Simulator

Von Michael Grüner
Der Fahrtrainer für Feuerwehren wird zureit in Auerbach genutzt. Foto: Michael Grüner Foto: red

Pausenlos durchdringt das Martinshorn das Führerhaus. Über Funk kommen ständig neue Lagemeldungen. Auf der Straße biegen Autofahrer vor der Stoßstange des Einsatzfahrzeugs unvermittelt auf die Hauptstraße. Rechts am Straßenrand taucht plötzlich ein Traktor auf. Der Fahrer steigt in die Eisen. Dann zeigt der Tacho wieder mehr als Tempo 100. Die Kurve zieht sich immer enger. Die Reifen quietschen. Mit Mühe holt der Fahrer das Feuerwehrauto wieder vom Bankett auf die Fahrbahn.

 
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Noch näher an der Wirklichkeit geht es fast nicht. Das sagen durch die Bank alle Feuerwehr-Aktiven, da nach drei Runden aus dem Blaulicht-Simulator steigen. Der Kommandant der Auerbacher Feuerwehr lobt das Fahrtraining in den höchsten Tönen. "Super, klasse. Das müsste es öfter geben. Das war absolut leerreich." In der Tat: So ein Training ist für die Feuerwehren auf dem Land eher selten. "Wir haben zwar Fahrten zur Einweisung oder Bewegungsfahrten mit unseren Fahrzeugen, aber Einsatzfahrten können wir nicht trainieren. Wir können schließlich nicht einfach mit Blaulicht durch Auerbach fahren", so Zocher.

Fahrverhalten unterschiedlich

Und genau darin besteht das größte Risiko. Das wurde den gesamten Trainingsabend immer wieder angesprochen. Von Trainer Reiner Greif von der Feuerwehrschule Regensburg genauso wie von Kreisbrandrat Fredi Weiß oder den Aktiven selbst. Hinzu kommt, dass die Fahrer auf dem Weg zum Einsatz mit Fahrzeugen unterwegs sind, die sie - logischerweie - nicht jeden Tag fahren. Den Privatwagen ist man gewohnt, sagt zum Beispiel Zochers Stellvertreter Michael Schmidt. Aber ein Feuerwehrlastwagen ist etwas ganz anderes. Die sind 15 oder 17 Tonnen schwer.

Auf den Flachbildschirmen

"Dieses Gewicht schiebt". Und außerdem sei das Fahrverhalten von Auto zu Auto ja gänzlich unterschiedlich. Das Tanklöschfahrzeug hat zum Beispiel einige Tausend Lichter Wasser dabei. Oder das Drehleiterfahrzeug. Das neigt viel schneller zum Kippen. Der Schwerpunkt liegt durch den Leiternpark relativ weit oben. "Dazwischen ist eher nichts und unten nicht sehr viel", sagt Schmidt, was das Gewicht des Fahrzeugs angeht.

Der Tacho zeigt 70 Sachen

Und schon steigt der nächste Feuerwehrmann ins Cockpit. Er schnallt sich an und startet den Motor, Der meldet sich quasi über Lautsprecher. Auf den Flachbildschirmen taucht wie vor einer Windschutzscheibe eine Stadtlandschaft auf. Behutsam drückt der junge Mann das Gaspedal und setzt den Blinker. Etwas schwerfällig scheint sich das Fahrzeug in Bewegung zu setzen. Aber plötzliich rollt es. Immer schneller. Bordsteine, Gehwege, Häuser, Verkehrszeichen huschen nur so vorbei. Der Tacho zeigt gute 70 Sachen. Für Einsatzfahrten gelten Sonderrechte. Aber trotzdem ist es das oberste Gebot: Es darf niemand gefährdet werden.

Mit guten 100 geht es dann über die Landstraße zum gemeldeten Waldbrand. Über Funk meldet die Leitstelle, dass sich das Feuer ausbreitet. Die Zeit drängt. Plötzlich taucht rechts ein Hindernis am Straßenrand auf. Der Fahrer muss abrupt bremsen und vor allem Ruhe bewahren. Zur Demonstration des Simulators lenkt der Fahrer dann kurz sein Auto von der Straße in eine angrenzende Wiese. Es rumpelt, der Fahrersitz wackelt und die Bilder wirbeln schräg über die drei Flachbildschirme. Dieser "Abflug" war gewollt.

Insgesamt sitzt jeder Trainingsteilnehmer drei Mal im Simulator. In der ersten Runde gibt es eine Einweisungsfahrt in aller Ruhe. Ohne Blaulicht und Martinshorn. Dann folgen in gewissen Abstand zwei Einsatzfahten, bei denen es durchaus zur Sache geht. "Das ist so real, da kriegst du um dich herum gar nichts mehr mit", schildert Zocher seine eigenen Erlebnisse. Die Landschaft ist zwar bei jeder Fahrt die selbe, aber die Szenarien wechseln immer wieder. Und danach wertet Trainer Greif die Fahrten gemeinsam mit den Aktiven aus. Ein weiterer Computermonitor zeigt das gerade eben gesteuerte Fahrzeug. Das Tempo ist exakt registriert, Blinker gesetzt? Ja? Nein? Alles ist dokumentiert. Und hier wird deutlich, wo es zu Gefahrensituationen gekommen wäre. "Das hätten Sie nicht mehr gebremst", sagt Greif mehrfach.

Offiziell heißt der Simulator "Sondersignal-Fahrt-Trainer" (siehe auch gelber Kasten). Insgesamt vier Tage - noch bis Donnerstag - ist er im Foyer des Auerbacher Feuerhauses aufgebaut. In insgesamt sechs Trainingsheiten vormittags wie nachmittags trainieren jeweils sechs Mann. "Unsere Leute nehmen dafür Urlaub oder Überstundenfrei", würdigt Kommandant Zocher das Interesse der Aktiven. Nach einer knappen Stunde Theorie folgen die jeweils drei Traingseinheiten mit jeweiligen Besprechungen. "Wir haben wir vor allem unsere Klasse-zwei-Fahrer angemeldet", sagt Zocher. Trainiert haben in Auerbach aber auch Aktive der Wehren aus Michelfeld, Ammerthal, Königstein und Neukirchen. Kreisbrandinspektor Peter Deiml hatte dafür gesorgt, dass der Simulator für eine Woche nach Auerbach kam.

Es sei statistisch erwiesen, dass bei Einsatzfahrten das Unfallrisiko viel größer sei, sagte Kreisbrandrat Weiß, als er das Training am Simulator beobachtet hat. Das Training sei sehr wichtig für die Ausbildung von Maschinisten und Fahrern. "Man lernt hier einen ganz neuen Aspekt kennen", sagte Bürgermeister Joachim Neuß, der am ersten Trainingsabend ebenfalls dabei war. Und das zeige auch, wie umfangreich das Ehrenamt sich darstellt.

Der Sondersignal-Fahrt-Trainer ist in ganz Bayern bei den Feuerwehren unterwegs. Diese ungewöhnliche Ausbildungsmöglichkeit bietet der Landesfeuerwehrverband Bayern in Zusammenarbeit mit der Versicherungskammer und dem Innenministerum seit dem Jahr 2013 den Maschinisten der Feuerwehren an. Dieses Verhaltenstraining trägt laut Feuerwehrverband zur besseren Sicherheit für die Einsatzfahrer bei. Die wesentlichen Inhalte des Lehrganges sind kontrolliertes Verhalten in Stresssituationen, das Wissen um die rechtlichen Grundlagen zu Sonder- und Wegerechten, die Entwicklung von Fahrstrategien und damit einhergehend die Verminderung des Unfall- und Schadensrisikos.