"Mission erfüllt": 29er Bikes macht zu

Von
Er war einer der Pioniere der 29er-Fahrradszene: Martin Goldfuß. Er macht jetzt sein Fachgeschäft in St. Georgen zu - weil die unternehmerische Tätigkeit "zu sehr mein Leben beeinflusst und beeinträchtigt", wie er sagt. Der Fahrradbranche jedoch bleibt Goldfuß treu. Foto: Eric Waha Foto: red

Das Fahrrad ist seine Leidenschaft. Sein Hobby, das er zum Beruf gemacht hat. Dem Fahrrad wird er treu bleiben. Aber nicht mehr mit einem eigenen Geschäft. Martin Goldfuß wird das Fachgeschäft in St. Georgen, mit dem er dazu beigetragen hat, einen Trend zu etablieren, in den kommenden Wochen schließen: 29er Bikes ist dann Geschichte. Nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern aus sehr persönlichen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

"Das 29er - das war lange vor dem Trend", sagt Martin Goldfuß (41) am Mittwoch im Gespräch mit unserer Zeitung. "Ich musste erst einmal jedem Kunden klar machen, dass es Sinn macht. Sie mussten fahren, um zu spüren, dass das was kann." Goldfuß merkt, was zu dem Zeitpunkt wenige ahnen: 26 Zoll, die gängige Felgengröße eines Mountainbikes vor knapp zehn Jahren, sollte über kurz oder lang zum alten Eisen gehören. "Damals sagten selbst die Kenner der Branche: Es ist kein Trend erkennbar." Auch Goldfuß selbst ist erst einmal ziemlich skeptisch: "Ein Kumpel von mir hat ein Niner in der Schweiz gekauft. Ich hab zu ihm erst einmal gesagt, er soll abhauen mit seinem Trekkingrad. Aber dann bin ich es gefahren..."

"Ich neige dazu, die Dinge, die ich mache, gescheit zu machen"

Die Felgengröße, die andere Rahmengeometrie, die Möglichkeiten, die das Konzept bietet, sind für Goldfuß der Schlüssel zur Selbstständigkeit. Die Chance, tatsächlich das Hobby zum Beruf zu machen, denn: Dass er Automechaniker gelernt hat, war "eher Zufall. Ich wollte etwas Handwerkliches machen. Und ich neige dazu, die Dinge, die ich mache, gescheit zu machen." Also macht er die Ausbildung, holt sich Zusatzqualifikationen, macht seinen Meister. Als Werkstattmeister bei Motor-Nützel hört er mit 30 auf, um als Filialleiter bei einem Bayreuther Fahrradgeschäft in der Carl-Schüller-Straße anzufangen. Schließlich gehört dem Fahrrad jede freie Minute - "eigentlich schon immer. Beim Metz habe ich 1989 mein erstes Mountainbike gekauft und dann die ganze Entwicklung des Mountainbikes mitgemacht und durchlitten. Unvorstellbar, wie wir zum Beispiel mit immer schmäleren Lenkern gearbeitet haben", sagt Goldfuß und lacht. Heute können die Lenker fast nicht breit genug sein.

Einst schief angeschaut, jetzt fast kauft jeder diese Felgengröße

"Nach relativ kurzer Zeit" wagt er den Sprung in die Selbstständigkeit. Mit einem Konzept, mit dem er "erst einmal auf die Ignoranz der Mitbewerber und der Fachpresse" trifft: Räder mit 29 Zoll. "Heute kann man so gut wie nichts anderes mehr kaufen." Der Laden läuft, der Kundenstamm wächst. Und im gleichen Maß schrumpft mit den Jahren die Chance für Goldfuß, außerhalb seines Geschäfts dem Thema Fahrrad zu entkommen. "Meine unternehmerische Tätigkeit hat zu sehr das Leben beeinflusst und beeinträchtigt", sagt Goldfuß. Deshalb sei Ende vergangenen Jahres, in der Vorweihnachtszeit, die Entscheidung gereift, einen Schlussstrich zu ziehen. "Egal, wo ich hingekommen bin: wenn die Leute mich erkannt haben, haben sie mich angesprochen und es ging ums Rad. Selbst wenn ich mit meinen Kumpels Mountainbike gefahren bin, habe ich die ganze Zeit geschraubt. Kann man niemandem übel nehmen: Aber ich habe keinen Abstand mehr zu meinem Job gefunden." Goldfuß sagt ganz offen: "Es gibt bestimmt Menschen, die das cool finden. Ich nicht. Ich bin eher der Eremit, der auch mal seine Ruhe braucht."

Keiner will mehr warten

Was erschwerend hinzukommt: "Viele haben den Bedürfnisaufschub verlernt. Das wird noch ein großes Problem werden." Bedingt durch die Möglichkeit, 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche erreichbar zu sein und auch alles kaufen zu können, sei bei vielen die Distanz gefallen: Anrufe in der Freizeit, Kunden, die vor den Öffnungszeiten ans Fenster klopfen, wenn Goldfuß in der Werkstatt an den Rädern arbeitete. "Es stirbt keiner, wenn ich mal eine Dreiviertelstunde nicht erreichbar bin. Ich verkaufe Räder, kein medizinisches Gerät. Beim Metzger klopft doch auch keiner um 11.30 Uhr, wenn er erst um 12 Uhr aufmacht", sagt Goldfuß.

Beim Streichen wird Wehmut aufkommen

Bis Ende Februar macht Goldfuß Räumungsverkauf, "dann werde ich den Laden rausstreichen - wahrscheinlich wird da schon ein bisschen Wehmut aufkommen. Wenn man es so sieht", sagt Goldfuß, "habe ich eine Mission erfüllt". Das 29er-Mountainbike hat sich durchgesetzt.

Goldfuß hat bereits einen neuen Job. Mit geregelten Arbeitszeiten. "Aber der Fahrradbranche bleibe ich treu."

Autor

Bilder