In 15 Jahren wird sich die Zahl der Milchbauern halbieren Milchbauern: Wachsen, um zu überleben

Von Christina Knorz
Umbau in der Landwirtschaft: Von zwölf Kühen vor 25 Jahren auf 75 Milchkühe und 80 Tiere in der Nachzucht im Jahr 2014. Die Familie Lauterbach aus Tressau, das sind Johannes (16), Kathrin (12), Christa (43) und Paulus (45). Foto: Harbach Foto: red

Jeder dritte Landwirt im Bayreuther Land ist Milchbauer - und jeden zweiten Tag gibt in Oberfranken ein Milchviehbetrieb auf. Seit den 80er Jahren gilt: Wachsen oder untergehen. Christa Lauterbach mit ihrer Familie wollte den Hof nicht aufgeben.

 
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„Wir haben an uns geglaubt, sonst kannst du das nicht schaffen“, sagt Christa Lauterbach (43). Als sie 28 Jahre alt war, haben sie und ihr Mann sich mit etlichen Hunderttausend Mark verschuldet. Damit der Hof eine Zukunft hat. Die Großeltern und Eltern hatten ein paar Hühner, Mastschweine, zwölf Kühe. Ein Hof ohne Zukunft. „Wir mussten uns spezialisieren und wachsen oder uns einen anderen Job suchen“, sagt Lauterbach. Für sie und ihren Mann war das keine Option.

Der Landkreis Bayreuth gehört zu den Milchkammern Bayerns. Das viele Grünland lässt sich nur mit Rinderhaltung bewirtschaften, deshalb hat Milchviehhaltung im Landkreis Bayreuth Tradition. Mit Bayernland ist auch die verarbeitende Industrie vor Ort. „Unsere Milchwirtschaft ist wettbewerbsfähig in Deutschland“, sagt Ernst Heidrich, Leiter des Amts für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten.

580 Milchviehbetriebe gibt es im Landkreis. In 15 Jahren wird noch die Hälfte übrig sein, sagt Heidrich. Die wichtigsten Gründe: 1. Zu wenig Tiere, um wirtschaftlich zu sein. 2. Nicht genügend Fläche, um mehr Tiere ernähren zu können. 3. Kein Nachfolger auf dem Hof. 4. Nicht das nötige Geld.

Lauterbach und ihre Familie haben es geschafft. Von zwölf Kühen Anfang der 80er Jahre haben sie ausgebaut auf 75 Milchkühe, 80 Stück Jungvieh, zwei Laufställe und eine Milchleistung von 560 000 Kilogramm pro Jahr.

Immer weiter wachsen, Ställe mit 1000 Tieren, das gibt es in der Region nicht. „Kann es nicht geben“, sagt Heidrich. Dafür fehlt die Fläche. Denn jeder Betrieb erwirtschaftet hier in Nordbayern das Futter für die Tiere lieber selbst als zuzukaufen. Man rechnet über den Daumen einen halben Hektar pro Kuh. In Norddeutschland ist das anders. Da haben die einen riesige Ställe, die anderen enorme Grünlandbewirtschaftung. In Nordbayern ist ein Milchviehbetrieb quasi Selbstversorger.

Um erfolgreich zu sein – und das heißt nach Heidrich nicht fette Gewinne einzufahren, sondern wettbewerbsfähig zu sein – brauche man ein unternehmerisches Ziel. Das ist, was sie den jungen Landwirten auf der Schule beibringen. „Spezialisieren, ein Ziel setzen und umsetzen.“ Die Zeiten wie in den 80er Jahren, als jeder ein bisschen Marmelade eingekocht und Brot gebacken hat, sei vorbei.

Wenn er mit den Landwirten ihre Betriebe durchrechnet, setzt er 15 Euro Stundenlohn an. „Die meisten kommen nur auf zehn oder zwölf Euro.“ Bei einer 60-Stunden-Woche machen das noch nicht mal 40 000 Euro Lohn im Jahr pro Betrieb, „die Zuschüsse schon eingerechnet“. Reich werde man da nicht. „Man kann dem Bauern nicht am Schlepper ansehen, ob er erfolgreich ist“, sagt Heidrich. Eher daran, ob er seine Grenzen kennt. „Wir sind am Limit“, sagt Christa Lauterbach. Mehr als die 75 Milchkühe könnte sie mit ihrem Mann, den Eltern und einer Halbtagskraft nicht bewerkstelligen. Weniger sei nicht wirtschaftlich. Denn erst ab einer bestimmten Anzahl an Tieren ist ein Betrieb effizient. Weil die Festkosten wie Stall, Maschinen oder Arbeit auf einen Liter Milch umgelegt werden müssten. „Verkauft man zu wenig, hat man nicht genügend Geld, um den Betrieb aufrechtzuerhalten“, sagt Heidrich.

Im nächsten Jahr fällt europaweit die Milchquote. Welche Auswirkungen das auf die hiesigen Betriebe haben wird, steht nicht fest. Die Quote sollte nach den Butter- und Milchpulverbergen in den 70er Jahren den Markt regulieren. Die Bauern bekamen Anfang der 80er Jahre entsprechend ihrer damaligen Milchleistung eine feste Menge zugeteilt. Wer mehr Milch verkaufen wollte, musste das Recht dazu einem anderen Bauern abkaufen. Wer mehr lieferte, muss Strafe zahlen.

„Ein ständiges Rechnen“, sagt Christa Lauterbach. Jahr für Jahr, Kuh für Kuh, Quote kaufen, Quote pachten. In 25 Jahren haben die Lauterbachs weit über eine halbe Million Euro investiert. In einen neuen Stall und in die Milchquote, also das Recht, Milch überhaupt verkaufen zu dürfen. Paulus (45) und Christa Lauterbach können den Hof schuldenfrei überlassen. „Was die Kinder draus machen, müssen sie sehen“, sagt der Vater. Sohn Johannes (16) ist im ersten Jahr seiner Ausbildung. Auch Tochter Kathrin (12) ist an der Nachfolge interessiert. Die Chancen stehen also gut, dass der Hof der Lauterbachs in Tressau in 20 Jahren einer der 250 Milchviehbetriebe sein wird, die es dann im Landkreis Bayreuth noch gibt.