Meteorit: Fundstück wäre eine "Sensation"

Von Katharina Wojczenko
So hat die Kamera den Meteorit festgehalten. Foto: DLR Feuerkugelnetz Foto: red

Die meisten Thurnauer haben das Spektakel verschlafen: In der Nacht zum 4. Februar ist im Süden des Markts Thurnau ein Meteorit niedergegangen. Ein mehrere Kilo schwerer Brocken drang um 0.31 Uhr über Kasendorf in die Atmosphäre ein. Er erzeugte dabei eine Feuerspur, die drei Sekunden zu sehen war. Dann verlosch sie und der Brocken zerbrach. „Sollte jemand ein Stück finden, wäre das eine Sensation“, sagt Physiker Dieter Heinlein.

 
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Zwar werden in Deutschland etwa 50 Feuerkugeln pro Jahr registriert, sagt Heinlein, der technischer Leiter des Feuerkugelnetzes des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist. „Aber die meisten Himmelskörper verglühen komplett beim Eintreten in die Atmosphäre und es bleibt nichts von ihnen übrig“, sagt Heinlein. „Es ist weltweit in 50 Jahren erst 16 Mal passiert, dass von einem mit wissenschaftlichen Kameras fotografierten Meteorit noch Teile gefunden wurde. Das wäre eine Sensation.“ Würden in Thurnau noch Bruchstücke auftauchen, würde der Markt „fast so berühmt wie Neuschwanstein“.

Dort war am 6. April 2002 eine Feuerkugel niedergegangen - allerdings nicht um halb ein Uhr morgens und nicht bei bewölktem Himmel. Hunderte Augenzeugen, die die Feuerspur gesehen hatten, meldeten sich daraufhin beim DLR-Feuerkugelnetz, Drei insgesamt sechs Kilo schwere Stücke wurden in Neuschwanstein gefunden. Im Fall von Thurnau meldeten sich immerhin zwei Augenzeugen, die das nächtliche Schauspiel von Garching und Seeburg aus beobachtet hatten.

Deutsche Methoden veraltet

Und vor allem hielten mehrere Kameras die vollmondhelle Kugel am Himmel fest. Bis die Forscher aber sicher wussten, wo der Meteorit niedergegangen ist, vergingen Wochen. Ohne die Hilfe der Kollegen aus Tschechien hätte es noch länger gedauert, sagt Heinlein. „Die tschechischen Astronomen sind weltweit führend bei der Feuerkugelfotografie und arbeiten mit hochprofessionellen Kameras.“ Die deutschen Methoden klingen im Vergleich dazu wie aus einer anderen Zeit. „Wir haben ein kleines Budget“, sagt Heinlein.

Seit 50 Jahren überwachen 16 Kameras - ähnlich viele wie in anderen europäischen Ländern - in ganz Deutschland für das DLR-Feuerkugelnetz den Himmel. Jeden Abend machen sie jeweils ein einziges Foto: Ausgelöst wird in der Abenddämmerung und belichtet bis zur Morgendämmerung - und zwar analog auf einem Negativfilm.

Einmal im Monat, wenn er voll ist, wird er normalerweise entwickelt, sagt Heinlein - außer, jemand sieht, dass etwas Besonderes passiert ist. Wie sein tschechischer Kollege Pavel Spurny von der Akademie der Wissenschaften, laut Heinlein der weltweit führende Feuerkugelspezialist. Der entdeckte auf seinen digitalen Kamerabildern in der Nähe von Prag schon am nächsten Tag eine außergewöhnliche Feuerkugel und rief Heinlein an.

Zu finden in Limmersdorf, Berndorf oder Neudorf 

Daraufhin fingen die Experten an zu rechnen. Schauten sich die Wetterdaten an, die Windsituation, den Winkel - um herauszufinden, wo der Meteorit niedergegangen sein könnte. „Vorher wollten wir die Leute nicht wild machen, damit sie nicht am falschen Eck suchen“, sagt Heinlein. „Jetzt können wir den Bereich ziemlich genau sagen: Am erfolgversprechendsten dürfte die Suche nach den gefallenen Meteoriten im Umkreis der Ortschaften Limmersdorf, Berndorf und Neudorf sein.“

Während der genaue Ort des Aufpralls noch unbekannt ist, wissen die Forscher eins genau: „Wir wissen, woher er kommt, weil wir die Bahnspur berechnen konnten“, sagt Heinlein. Was da bei Thurnau niederging, stammt aus dem Asteroidengürtel unseres Sonnensystems, aus dem Bereich zwischen Mars und Jupiter, wo etwa 300.000 dieser Kleinplaneten um die Sonne ziehen.

Nur drei Sekunden sichtbar

Der Meteorit hatte eine Geschwindigkeit von 20 Kilometern pro Sekunde, also 72.000 Stundenkilometer, als ihn die wissenschaftliche Kamera erfasste. In einer Höhe etwa 80 bis 20 Kilometern können die Kameras die Meteoritenspuren fotografieren. „Dann verlöschen sie, weil die Körper so abgebremst werden, dass die Atmosphäre nicht mehr leuchtet“, sagt Heinlein.

Der Meteorit selbst brennt und leuchtet nicht - sichtbar ist nur die Reibungshitze. Und das auch nur drei Sekunden, bis er verlöscht.

In diesen drei Sekunden wurde der Thurnauer Brocken von 20 Kilometern pro Sekunde auf vier Kilometer pro Sekunde abgebremst, also auf 14.000 Stundenkilometer. In 21 Kilometern Höhe verlosch die Feuerkugel, der Meteoritenkörper zerbrach in das kinderfaustgroße und mehrere kleinere Stücke und prallte dann mit etwa 300 Stundenkilometern auf dem Markt-Gebiet auf. „Etwa so schnell wie ein Fallschirmspringer ohne Fallschirm.“

Richtig gefährlich

Auch wenn die Brocken eher klein waren: „Wenn das jemand auf den Kopf gekriegt hätte, hätte er nicht überlebt“, sagt Heinlein. Die Meteoriten-Gefahr vor dem Einschlag zu bannen, sei nicht möglich, sagt Heinlein. „Meteoritenfälle kommen immer überraschend. Das sind so kleine Körper, dass sie außerhalb der Erdatmosphäre nicht zu entdecken sind.“

„Wenn der Meteorit ein Auto getroffen hätte, wäre das toll gewesen. Dann hätten wir einen schönen Einschlag und das Auto wäre im Wert gestiegen.“ So wie das amerikanische Auto, in das 1992 im Städtchen Pereskill ein zwölf Kilo schwerer Brocken krachte. Das sei bis heute ein begehrtes Ausstellungsstück.

Bürgermeister wenig beeindruckt

Bevor es in Thurnau so weit kommt, muss sich die Nachricht erst einmal verbreiten und ein entsprechendes Stück gefunden werden. Bürgermeister Martin Bernreuther nahm die Nachricht am Mittwoch gelassen auf. „Ich habe das im ersten Moment nicht geglaubt. Und dann habe ich mir gedacht: Solange keine Raumstation auf uns draufstürzt, ist das nicht so spektakulär.“

Bis zum späten Nachmittag war der Kurier das einzige Medium, das sich im Rathaus deshalb erkundigte. „Es ist ruhig, bei mir hat sich noch niemand gemeldet“, sagt Bernreuther.

Seines Wissens hat in Thurnau niemand von dem Ereignis selbst etwas mitbekommen. Bernreuther ist dafür dankbar: „Wenn das wie bei dem russischen Meteoriten mit dem Riesenkrater gewesen wäre, hätten wir ein Problem“, sagt der Bürgermeister. „So ist das Suchen zwar schwieriger, aber die Situation für die Bevölkerung angenehmer.“ Wie er sich auf den möglichen Ansturm der Hobbyastronomen vorbereitet? „Darüber habe ich mir ganz ehrlich noch keinen Gedanken gemacht.“ Und selbst wird er erst einmal nicht ausschwärmen. „Höchstens mit Flutlicht. Tagsüber muss ich arbeiten.“

Wenn Sie mitsuchen wollen: So erkennen Sie einen Meteoriten

Frisch gefallene Meteoriten sind von einer mattschwarzen, dünnen Schmelzkruste umgegeben. An den Bruchflächen ist oft das hellgraue Innere zu sehen. Außen und Innen sind sie also deutlich unterschiedlich gefärbt. Ein weiteres Merkmal: Ein Meteorit ist deutlich schwerer als ein normaler Stein derselben Größe.

Wer in der Nähe von Berndorf einen auffälligen Stein findet, möge ihn vorsichtig behandeln und ihn von den Meteoriten-Experten des DLR-Feuerkugelnetzes begutachten lassen, bittet Dieter Heinlein. Das bedeutet: Den Himmelstein nicht mit bloßen Händen anfassen, sondern mit Handschuhen oder Alufolie, damit er nicht kontaminiert wird.

Außerdem sollte das wissenschaftlich wertvolle Fundstück nicht mit einem starken Magneten in Kontakt kommen, weil danach bestimmte physikalische Messungen nicht mehr sinnvoll durchgeführt werden können. Der glückliche Finder bekommt den Meteoriten zurück. Die Untersuchung ist kostenlos. Wer das Ereignis gefilmt oder beobachtet hat oder ein verdächtiges Fundstück sichtet, möge es direkt an der Fundstelle fotografieren, den Ort markieren und die Bilder schicken an dieter.heinlein@meteoros.de.

Zwei Tage nach Thurnau ging übrigens über Kopenhagen ein Meteorit nieder. Erste Stücke wurden in dem dicht besiedelten Gebiet schon gefunden. Die Kollegen von Physiker Heinlein sind jedenfalls schon informiert und werden demnächst nach Thurnau fahren. Und Heinlein hat schon mit der Volkshochschule Kontakt aufgenommen, um für einen Vortrag vorbeizuschauen, weil es nicht einfach ist, Meteoriten zu erkennen.

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