Merz-Ausstellung: Längst überfällig

Von Michael Weiser
Mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet: Oswald Merz kämpfte im Ersten Weltkrieg, im Freikorps - und schließlich gegen Hitler. Foto: Archiv Foto: red

Bayreuth gedenkt mit einer kleinen Ausstellung des Lehrers, Sozialdemokraten und Hitler-Gegners Oswald Merz. Die Ausstellung war überfällig. Und kann somit auch nur Anfang einer neuen Bayreuther Erinnerungsarbeit sein.  

 
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Es ist eine kleine Ausstellung zum 70. Todestag Oswald Merz', zehn Minuten müssten reichen, um die Schautafeln zu lesen und die Bilder zu betrachten. Aber die Präsentation im ersten Stock des Neuen Rathauses ist nichtsdestotrotz wichtig. Aus vielen Gründen.

Wer war Merz?

Die Schautafeln warten mit einem besonders eindrucksvollen Foto auf. Es zeigt eine Gruppe Männer, die sich um einen Kranz herum aufgestellt haben: Soldaten mit grimmigem, entschlossenen Gesicht, die im Februar 1919 an der Stelle des Attentats auf Kurt Eisner Mahnwache halten. Ein Mann beherrscht die Szenerie, hohlwangig, Ringe unter den Augen, die obere Hälfte des Gesichts vom Schirm der Offiziersmütze verschattet: Oswald Merz, Lehrer und hochdekorierter Veteran des Ersten Weltkriegs, wie es scheint. Ist er es wirklich? Und was macht der spätere Sozialdemokrat und Hitler-Gegner 1919 in München? Wer sind die Leute um ihn herum? Sind es Soldatenräte? Wie kam Merz dann später ins gegnerische Lager, zu den Freikoprs, auf deren Seite er in Nürnberg, Regensburg und eben München kämpfte?

Schäbige Behandlung

Das Bild ist eindrucksvoll, wie gesagt, es neben vielen anderen Bildern beschafft und in eine Ausstellung eingearbeitet zu haben, ist das große Verdienst Christoph Rabensteins. Der SPD-Politiker hat geforscht und einige neue Aspekte aufgetan. Etwa, wie unglaublich schäbig sich der Freistaat gegenüber Merz und seinen Nachkommen verhielt. Man ließ den Mann, der sieben Jahre in KZs und Gefängnissen verbracht hatte, nahezu allein. Seinen Hinterbliebenen verweigerte man eine Wiedergutmachung. Eine Schande. Und ein deutlicher Hinweis darauf, wie lange Nazis und Sympathisanten auch nach dem Krieg noch das Sagen hatten.

Es gibt noch viel zu forschen

Rabenstein hat indirekt auch die Lücken in Merz-Biografie aufgedeckt. Es gibt noch viel zu forschen. Nach dem Besuch der Ausstellung spürt man, dass man mit diesem Aufrechten noch nicht fertig ist, es vielleicht auch nie sein kann.

Die Lücken klaffen auch deswegen so groß, weil in Bayreuth die Erinnerungsarbeit sträflich einseitig auf Wilhelm Leuschner versteift wurde, ein tapferer Mann mit hohen Verdiensten, ein Mann, der seinen Mut gegen Hitler mit dem Leben bezahlte – der aber mit Bayreuth weit weniger verbunden ist als Merz, Friedrich Puchta und viele andere Gegner der Nazi-Diktatur. Es gilt, sich künftig auch ihrer zu erinnern. Es wäre ein Fehler, sich künftig zu verzetteln. Das Gedenken an die, die unter dem NS-Regime litten, die verfolgt, schikaniert getötet wurden, sollte endlich einen gemeinsamen Raum finden. Es wird eine der künftigen Aufgaben der Bayreuther Kulturpolitik sein, einen Plan zu entwickeln, wie man irgendwann im Herzen der Stadt, genauer: im Historischen Museum über den Widerstand informiert.

Ein erster Schritt. Und nun?

Immerhin, ein Anfang ist gemacht, ein erster Schritt, den Christoph Rabenstein getan hat. Es wäre gut, wenn viele Bayreuther da folgten – indem sie die paar Treppenstufen hinauf ins erste Stockwerk des Neuen Rathauses überwinden und sich die Ausstellung ansehen. Es geht um einen von ihnen, einen Mann mit Widersprüchen. Mit einer Botschaft auch heute. Man muss ja nur hinhören.

michael.weiser@nordbayerischer-kurier.de

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