Meisterkurs mit Tristan Stephen Gould

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Stephen Gould vor dem Bayreuther Festspielhaus. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Er ist der umjubelte Tristan in der aktuellen Produktion von Katharina Wagner. Doch er gibt auch sein Wissen zum Thema Wagner-Gesang weiter: Stephen Gould leitet den Meisterkurs Gesang der Festspiele, der vom 8. bis 11. August in der Aula des Markgräfin-Wilhelmine-Gymnasiums in Bayreuth über die Bühne geht. Im Kurier-Interview spricht Gould über den Sinn von Meisterkursen, das Einsingen vor der Aufführung und seinen eigenen Coach.

 
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Herr Gould, hatten Sie als Gesangsstudent selbst Meisterkurse besucht und davon profitiert?

Stephen Gould: Ich habe selbst kaum einen Nutzen von einem Meisterkurs bekommen. Denn das lief meistens so ab: Ein berühmter Sänger kommt und spricht über seine Karriere. Als ich im Konservatorium war, hatte ich einmal an einem Meisterkurs mit fünf sehr berühmten Gesangslehrern teilgenommen. Alles, was ich dabei gelernt habe, war, dass ich bei diesen Leuten nicht studieren werde.

Das klingt nicht nach Werbung für Meisterkurse.

Gould: Ein Meisterkurs kann auch sehr wertvoll sein. Hier in Bayreuth ist die Idee, dass fast alle Teilnehmer eigentlich Kollegen sind, die bereits erfolgreich auf der Bühne stehen und in Richtung Wagner gehen wollen. Und das macht mir wirklich Spaß. Mit 56 Jahren und nachdem ich eine lange Entwicklung hinter mir habe, habe ich etwas zu sagen. Nicht nur über Technik. Ich werde mich jedenfalls nicht hinstellen und erzählen, wie toll mein Tannhäuser vor zehn Jahren war. Es geht darum, was die Probleme des Schülers sind. Wenn wir so arbeiten, dann hat ein Meisterkurs auch einen Wert.

Sie selbst sind erst spät zu Wagner gekommen. Aber man kann ja nicht jedem Schüler raten, erst mal am Broadway zu singen. Hat Ihnen das Musical-Singen gutgetan?

Gould: Ich weiß nicht, ob es gut war, am Broadway zu singen, aber das Singen dort hat mich nicht zerstört. Ich habe dort gesungen, weil ich nicht anders konnte. Es war eine Zwischenphase. Ich habe dort acht Aufführungen pro Woche gemacht. Jahrelang. Das heißt, ich habe gelernt, dass man jeden Tag eine besondere Qualität haben muss – auch wenn ich mich nicht so wohlgefühlt habe. Als ich später nach Deutschland gekommen bin, um wieder in der Oper zu singen, habe ich gesagt: Wagner hat mich gefunden.

Wie wird ein Tenor zum Heldentenor?

Gould: Ich habe immer gesagt, ein Heldentenor ist gemacht, aufgebaut. Er wird nicht als solcher geboren. Man muss eine Technik finden, die es einem ermöglicht durchzuhalten und den Text deutlich rauszubringen.

Wenn Sie den Eindruck haben, es ist für einen Sänger noch zu früh, Wagner zu singen, sagen Sie es ihm dann auch?

Gould: Ich werde es ihm sagen. Es wäre falsch, es nicht zu tun.

Haben Sie selbst einen Coach?

Gould: Vor  langer Zeit hatte ich mal ein technisches Problem. Zu meiner Gesangslehrerin  in  den USA konnte ich nicht mehr gehen. Es war schwierig für mich, in Europa jemanden zu finden, der mir helfen konnte. Letztendlich war es ein guter Freund und Kollege – Jan-Hendrik Rootering – der mir geholfen hat. Er ist kein Tenor, sondern Bassbariton. Er hat von seinem Vater gelernt. Das war wirklich die alte Schule. Wir haben das unter Kollegen gemacht. Und plötzlich hat mit der Stimme wieder alles gepasst. So erhoffe ich mir das auch für den Meisterkurs.

Welche Rolle spielt körperliche Fitness für Wagner-Gesang?

Gould: Das ist sehr wichtig. Man muss Ausdauer haben – für alle Partien, auch für die kleineren wie David.

Wie singen Sie sich vor einer Aufführung ein?

Gould: Nach vielen Jahren habe ich jetzt endlich eine geeignete Methode erlernt, mit der ich mich einsinge. Dabei benütze ich so wenig Stimme wie möglich, bevor ich auf die Bühne gehe. Früher habe ich vor dem Siegfried eine Stunde lang vokalisiert, aber dann hast du schon zehn Prozent deiner Stimme im Zimmer verloren. Aber solange ich fit bin, weiß ich, dass die Stimme da ist.

Vor einigen Jahren hat eine Teilnehmerin in einem Meisterkurs in Bayreuth die Ballade der Senta ganz gut gesungen, danach war sie aber so geschafft und außer Atem, dass man sich gefragt hat, wie sie die ganze Oper durchstehen will.

Gould: Das ist ein gutes Beispiel für den Meisterkurs. Da kann man sagen, das war nicht schlecht, aber dafür hast du jetzt den schlimmsten Teil geschafft. Das ist immer das Problem, wenn man mit Vollgas anfängt. Ich würde dieser Sopranistin sagen, wir müssen einen eigenen Weg finden, so dass du das ein bisschen mehr expressiv und mit weniger Kraft singen kannst. Mehr lyrisch. Lyrisch bedeutet nicht leise. Es geht um ein Konzept, wie man mit minimalem Energieaufwand den besten Punkt für den Ton kriegt. Das musste ich auch für den Tannhäuser lernen. Das kann man aber nur mit Erfahrung lehren.

Kraft allein ist also nicht entscheidend.

Gould: Das ist die Herausforderung bei Wagner: Man muss einen eigenen Weg finden, mit dem man gut zum Ende kommen kann. Ich wurde manchmal kritisiert: Du bist zu laut. Aber ich brauche ein bisschen mehr, damit es voll klingt. Das muss sein. Manche Leute kommen in den Meisterkurs und denken, man kann Wagner nur mit Kraft singen. Aber das ist nicht so. Entscheidend ist, dass der Ton voll klingt.

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