Interview über Personalentscheidungen und die künftige Spielweise Basketball: Das plant Medi-Trainer Michael Koch für die kommende Saison

Auf geht's! Trainer Michael Koch (rechts) beginnt heute mit seiner Mannschaft von Medi Bayreuth mit den Vorbereitungen für die neue Bundesligasaison. Foto: Kolb Foto: red

Mit dem ersten gemeinsamen Training beginnt am Montag für die Mannschaft von Medi Bayreuth die Vorbereitung für die neue Bundesligasaison. 45 Tage stehen Trainer Michael Koch zur Verfügung, um sein umformiertes Team bis zum Saisonstart in Form zu bringen. Was er sich bei seinen Personalentscheidungen gedacht hat und wie er sich die künftige Spielweise vorstellt, erklärte der Medi-Coach im exklusiven Kurier-Interview.

 
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Wie sind Sie insgesamt zufrieden mit dem Ergebnis Ihrer Teamzusammenstellung? Haben sich Ihre Vorstellungen erfüllt, oder vielleicht sogar der eine oder andere Wunsch?
Michael Koch: „Es wäre fatal, wenn ich jetzt sagen müsste: Das ist nicht die Mannschaft, die ich haben wollte. Es gab gewisse Vorgaben durch die Spieler, die noch laufende Verträge hatten. Und dann gab es sicher auch den Gedanken, den einen oder anderen Spieler mehr aus dem letzten Jahr zu halten. Kyle Weems, DJ Seeley oder Brian Qvale beispielsweise hatten sich mit ihren Leistungen schließlich durchaus empfohlen. Aber aus verschiedenen Gründen kam das nicht zustande – es müssen nicht immer nur finanzielle Gründe sein. Bei unseren Neuzugängen kann ich aber sagen: Das sind alles Leute, die auf meiner Liste für die jeweilige Position ganz oben standen. Da musste ich nicht auf eine zweite Option zurück greifen. Etwas anders war es höchstens beim Center: Da gab es am meisten Alternativen abzuwägen, und das war ja auch unsere letzte Personalentscheidung.“

Kein klassischer Pointguard?

Für den Spielaufbau haben sie mit Trevon Hughes aus Trier jemanden verpflichtet, der viel als Shooting Guard zum Einsatz gekommen ist – ähnlich wie Bryan Bailey. Droht da nicht die Gefahr, dass der Spielertyp eines klassischen Pointguards fehlt?
Koch: „Wenn man die Laufbahn von Trevon Hughes verfolgt, stellt man tatsächlich fest, dass er lange auf auf Position zwei gespielt hat – schon vor seiner Zeit in Trier. Dort hat er aber in der Saison die Rolle des Pointguards übernommen und mit sehr guten Leistungen ausgefüllt. Nun muss er den nächsten Schritt machen und beweisen, dass er eine Mannschaft führen kann. Die Voraussetzungen dafür hat er, denn ich halte ihn für einen Spieler, der mit Ball stärker ist als ohne – ähnlich übrigens wie Bryan Bailey, auch wenn der ebenfalls überwiegend als Shooting Guard gespielt hat. Im Vorjahr hatten wir das Problem, dass zwar jede Position physisch stark und groß besetzt war, aber es Explosivität und Schnelligkeit gemangelt hat. Da kann uns Trevon Hughes voran bringen.“

Welche Rolle wird der junge deutsche Neuzugang David Brembley im Aufbau spielen können? Kann er der Ersatz für Nicolai Simon sein?
Koch: „Ich glaube, dass dieser Spieler einige Leute überraschen kann, denn er bewegte sich sozusagen unter dem Radar. In Polen hat er als 20-Jähriger in einer starken Liga gespielt und sicher viel gelernt. Inzwischen spielt er in der A-2-Nationalmannschaft, und ich habe mich auch mit deren Trainer Henrik Rödl über ihn unterhalten. Sicher wird er noch Fehler machen im Spielverständnis und im Lesen des Spiels, aber mit seiner Athletik wird er uns weiterhelfen. Überhaupt hoffe ich, dass sich unsere Mischung bewähren wird: Wir haben hungrige junge Leute und dazu auch einige erfahrene, die den Eifer in die richtigen Bahnen lenken können.“

Auf den Flügelpositionen haben Sie eine Ausländerstelle mit einem Tschechen besetzt – Lukas Palyza. Das ist in der Bundesliga ziemlich exotisch. Haben Sie keine Zweifel, dass er das BBL-Niveau dauerhaft halten kann und nicht nur für vereinzelte Europacup-Begegnungen?
Koch: „Sicher hat die tschechische Liga nicht das höchste Niveau in Europa. Aber es gibt gute tschechische Individualisten, die auch im Ausland bestehen. Lukas Palyza hat in der Euroleague-Qualifikation gespielt, dann im Europacup und in der osteuropäischen VTB-Liga. Er hat sich also schon auf Niveau bewegt, das teilweise sogar höher ist als in der Bundesliga. Eine seiner Stärken ist die Körpergröße für seine Position. Er kann über viele Gegner hinweg werfen.“

Ist Beckham Wyrick für die Flügelpositionen noch eine Option im Hinterkopf, falls es mit seiner deutschen Staatsbürgerschaft klappt?
Koch: „Das hängt tatsächlich von seinem Pass ab. Ich denke, dass er das weiter verfolgen wird, denn als Deutscher hätte er natürlich sehr viel mehr Möglichkeiten.“

Unerfahrener und "kleiner" Center?

Als Center haben Sie mit Javon McCrea einen Amerikaner geholt, der „nur“ 2,01 Meter groß ist und zudem Neuling als Profi und Neuling in Europa. Sind das nicht ein bisschen viel Unwägbarkeiten auf einmal?
Koch: „Das kann natürlich schon möglich sein. Meine Philosophie ist aber, dass Basketball nichts mit dem Alter zu tun hat. In Bonn habe ich mit Chris Ensminger als Center gearbeitet, als der schon fast 40 Jahre alt war.“

Aber was ist mit der Erfahrung? Das ist doch schon eine Frage des Alters.
Koch: „In dieser Hinsicht bin ich sogar froh, dass wir jemanden haben, der direkt vom College kommt und nicht zwischendurch zwei Jahre in der D-League gespielt hat. Die Collegeliga spielt nämlich viel mehr europäisch, beispielsweise was die Regeln in der Verteidigung betrifft. Javon McCrea ist der All-time-leading-scorer seiner Universität – und selbst wenn es eine kleine Universität ist, dann sind seine Zahlen im amerikanischen Vergleich wirklich gut. Er weiß, dass seine Größe nicht für die NBA reichen wird. Aber in der Bundesliga gab es früher schon Center wie Jeff Gibbs in Ulm oder Kyle Hines in Bamberg, die nicht einmal zwei Meter groß waren. Man kann nicht sagen: Nur wegen der Größe wird das nicht funktionieren.“

Kann man Javon McCrea eher als zusätzlichen Powerforward betrachten neben der ohnehin stark besetzten Position vier mit Ronnie Burrell und Brandon Bowman?
Koch: „Nein, eher würde ich umgekehrt Ronnie Burrell noch als möglichen Center sehen. Auch Brandon Bowman habe ich in Bonn schon mal auf Position fünf spielen lassen, um den gegnerischen Center heraus zu locken. Tatsächlich sehe ich bei uns die Position fünf als einzige, die mit Javon McCrea und Phillipp Heyden fest besetzt ist. Alle anderen Spieler kann man durchaus auf zwei Positionen bringen.“

Nachdem Tyree Chambers an ein US-College gehen will, umfasst Ihr Kader nur zehn Spieler. Wen planen Sie aus dem Nachwuchs oder der zweiten Mannschaft für das Training mit ein?
Koch: „Meines Wissens hat es mit dem Collegeplatz für Tyree Chambers geklappt. Im Training werden der 18-jährige Dilhan Durant und der 17-jährige Slowake Lukas Pigliafreddo regelmäßig dabei sein. Beide haben das Potenzial dafür, und – was ganz wichtig ist – beide stehen immer zur Verfügung. Sie können Ausfälle überbrücken und Lücken im Training schließen.“

Nach dem Ausscheiden von Dragan Andrejevic haben Sie mit Tim Nees nur noch einen Assistenten. Wie verschieben sich die Aufgaben dadurch?
Koch: „Ich werde etwas mehr machen. Dragan hat oft morgens individuell mit den Spielern gearbeitet, und da werde ich mich nun mehr einbringen. Ich arbeite mehr mit den Guards individuell, Tim weiter mit den großen Spielern.“

Wie hat man sich den Trainingsaufbau in den kommenden Wochen vorzustellen? Vor allem wird die Spieler interessieren, wann der Ball ins Spiel kommt.
Koch: „Der Ball kommt bei mir recht früh ins Spiel. Sicher werden wir ein paar Mal um den Röhrensee laufen, aber Basketball ist nun mal in erster Linie ein Stop-and-go-Spiel. Nur mit Ausdauerläufen kommt man da nicht weit. An den Anforderungen des Stop-and-go kann man in der Halle arbeiten, und das kann man auch gut mit dem Ball machen. Meist wird abends der Ball die Hauptrolle spielen, vorher geht es um Athletik und Kraft.“

Wird es ein Trainingslager geben?
Koch: „Das ist nicht geplant.“

"Ich will strukturiert spielen lassen"

Welche Spielweise streben Sie mit dem neuen Medi-Team an. Ist es eine Überlegung wert, die Konkurrenz mit etwas Extremem zu überraschen, wie es die Hagener mit ihrem enorm hohen Tempo seit Jahren mit Erfolg praktizieren, oder früher die Würzburger unter Trainer John Patrick mit ihrem „Guard-Terror“ in der Verteidigung?
Koch: „Extreme Spielweise ist gar nicht mein Ding. Ich will strukturiert spielen lassen – nicht 20 Systeme, sondern sechs oder sieben, aber in denen muss jeder wissen, was zu tun ist. Und zwar jeder auf zwei verschiedenen Positionen – das macht dann die Variabilität aus. In der letzten Saison waren wir groß, aber langsam. Deswegen kamen wir nicht am Gegner vorbei, um zum Korb zu ziehen – der Gegner bei uns aber umso öfter. Deswegen war es auch ein so großes Problem, dass Bryan Bailey nicht gespielt hat. Das ist nämlich genau so ein Spieler, der offensiv vorbei ziehen und in der Defensive den Gegner vor sich halten kann. Trevon Hughes wird das nun ebenso können und Brandon Bowman auf Position vier ebenso. Das wird uns mehr Zug zum Korb ermöglichen und uns schneller spielen lassen.“

Wie bewerten Sie die Veränderungen bei der Konkurrenz. Werden sich die Kräfteverhältnisse in der BBL dadurch verschieben?
Koch: „Ich glaube nicht, dass es so viele Veränderungen geben wird wie im Vorjahr. Es gibt fünf Mannschaften, die auch durch ihren Etat ein Stück vom Rest der Liga abgerückt sind: München, Bamberg, Berlin, Oldenburg und Artland. Wenn da nichts passiert, kommen diese Teams wieder recht sicher in die Playoffs. Dahinter kommt ein großes Feld mit Anwärtern auf die anderen drei Playoff-Plätze. Die Aufsteiger Göttingen und Crailsheim werden es sicher schwer haben, aber allen anderen darf man es zutrauen, wie es die Hagener schon mal bewiesen haben und zuletzt beinahe der Mitteldeutsche BC.“

Darf sich Bayreuth auch zum Kreise dieser Anwärter zählen?
Koch: „Erst einmal geht es darum, uns aus dem unteren Bereich heraus zu halten und nicht wieder in so einen Strudel zu kommen wie im Vorjahr. Wenn das gelungen ist, wollen wir die Kluft zu den Playoff-Plätzen so weit wie möglich verkleinern. Nach Jahren des Abstiegskampfes wäre es aber vermessen, sich ausdrücklich die Playoffs zum Ziel zu setzen.“

Das Gespräch führte Eberhard Spaeth.


Info: Medi Bayreuth wird mit den beiden Heimspielen gegen Neuling TSV Crailsheim am 2. Oktober und Vizemeister Alba Berlin am 4. Oktober in die Saison starten.

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