Markus Eiche: Fast wie bei Winnetou

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Markus Eiche vor dem Bayreuther Festspielhaus. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Als Gunther in der „Götterdämmerung“ kommt er mit viel Theaterblut in Berührung. Blutsbrüderschaft war für Markus Eiche allerdings schon ein Kindheitserlebnis. Im Kurier-Interview spricht Eiche über Winnetou, Liederabende und Elektrotechnik.

 
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Herr Eiche, einige Sänger sagen, wenn sie die großen Wagner-Partien singen, werden sie für nichts anderes mehr gebucht. Ihr Repertoire hingegen reicht von Mozart bis zu Komponisten des 20. Jahrhunderts. Offenbar spüren Sie diese Einengung nicht.

Markus Eiche: Ich spüre sie insofern nicht, da ich mich noch bewusst zurückhalte, mit dem dramatischen Repertoire einen Schritt weiterzugehen. Ginge ich diesen Schritt, würde ich womöglich die genannten Einschnitte erfahren.

Das klingt nach besonnenem Handeln.

Eiche: Es gibt bestimmte Partien, die eher dem lyrischen Fach zugeordnet sind, die ich einfach noch nicht ablegen möchte. Es geht mir dabei um Rollen wie den Wolfram oder um Rollen aus dem Mozart-Repertoire. Würde ich etwa den Wotan ins Repertoire aufnehmen, könnte das die Akzeptanz sprengen. Deshalb halte ich mich im Moment noch etwas zurück, zu weit ins dramatische Fach zu gehen.

Was ja schlau ist.

Eiche: Das muss jeder für sich entscheiden. Ich liebe das lyrische Repertoire so sehr und möchte mir auch das französische und italienische Fach bewahren, so lange es geht.

Im Bayreuther „Ring“ geben Sie heuer den Gunther. Freuen Sie sich schon auf die Szene mit der Blutsbrüderschaft?

Eiche: Das ist eine Schlüsselszene für den ganzen Handlungsstrang. Überhaupt finde ich im Gunther eine spannende Rolle, weil sich ja in der „Götterdämmerung“ irgendwo alles um ihn und sein Machtzentrum dreht. In dieser Inszenierung sind wir in einem Kebab-Imbissstand. Dort schneidet Siegfried mir und sich selbst den Unterarm auf. Technisch tauchen wir nach dem fingierten Schnitt unsere Arme in ein Bad aus Theaterblut, was dann von einer Kamera groß aufgezogen wird.

Ziemlich martialisch.

Eiche: Ich finde das nicht notwendig.

Vielleicht würde es die Russenmafia ja ganz ähnlich machen.

Eiche: Ich denke bei einer Blutsbrüderschaft spontan an Winnetou und Old Shatterhand. Als Kind wollte ich deshalb mit einem Schulfreund Blutsbrüderschaft schließen. Da haben wir ein Küchenmesser genommen und versucht, uns am Arm aufzuritzen, haben es uns dann aber doch nicht weiter getraut – es hat nicht mal geblutet. Aber das hat für uns trotzdem gegolten und wir waren dann auch Blutsbrüder.

Da hatten Sie aber noch nicht geahnt, dass Sie hier mal den Gunther geben werden.

Eiche: Ich war damals sechs oder sieben.

Fühlen Sie sich in der Castorf-Inszenierung wohl?

Eiche: Ich finde die Ausstattung sensationell, besonders was die Detailarbeit betrifft. Auch die Typen und Charaktere finde ich spannend. Was sich mir nicht so recht erschließt, ist die Sache mit den Kameras, was wohl einen bestimmten Effekt auf das Publikum  hat.  Für uns Darsteller heißt das aber, dass wir permanent auch im Detail auf der Bühne präsent spielen müssen. Das ist eine besondere Herausforderung, denn wir wissen nie, wann uns eine Kamera in den Fokus nimmt.

Ist denn alles bis ins Detail geplant?

Eiche: Alle Positionen und Handlungsstränge sind abgesprochen, aber es bleiben viele Freiräume, in denen wir uns bewegen können. Manches lenkt aber von der eigentlichen Geschichte zu sehr ab. Das stört mich.

Sie haben einen Residenzvertrag mit den Opernhäusern in Wien und München. Was bedeutet Ihnen Ensemblegeist?

Eiche: Ich empfinde die Bayerische Staatsoper als künstlerisches Zuhause, wo ich gerne hinkomme und wo ich mich auch wohlfühle. Ich finde so einen künstlerischen Ruhepol ganz wichtig für Sänger. Beim Residenzvertrag  ist  für  mich die Mischung ideal,  weil diese Vertragsform die Freiheit zum Gastieren garantiert. Das gibt  neue Impulse. Und deshalb tut sich ein Haus, das seine Ensemblemitglieder zum Gastieren freigibt, künstlerisch  immer selbst auch Gutes. Die Mischung macht’s und da beziehe ich auch das Konzert und Lied mit ein.

Liederabende werden ja mehr und mehr zu einer Rarität.

Eiche: Ich habe gerade einen Liederabend in Tokio gegeben. Das war eine Supererfahrung für mich. Nicht nur in der Interaktion mit dem Publikum, sondern auch für mich persönlich und als Sänger. Der Liedgesang kommt einer stimmlichen Pflegeeinheit gleich, die man sich selbst verordnet. Die Verantwortung, die einem Künstler bei einem Liederabend auferlegt wird, ist ja viel größer als wenn man in ein Ensemble von 150 Personen oder mehr eingebettet ist. Je größer meine persönliche Verantwortung ist, desto erfüllender empfinde ich den Abend. Sie gibt mir unglaublich viel Kraft, Energie und Antrieb, um mich neuen Aufgaben zu stellen.

Was war das schönste Gesangserlebnis für Sie?

Eiche: Eine ganz tolle Erfahrung war der Beckmesser in München in der Inszenierung von David Bösch im vergangenen Jahr. Das war eine großartige Erfahrung. Aber auch den Golaud in „Pelléas et Mélisande“ von Christiane Pohle zu singen, hat mich persönlich sehr bereichert. Das hat sicher auch mit den Charakteren zu tun. Ich liebe besonders die schrägen Typen, die irgendwo ihr Herz doch am rechten Fleck haben.

Seit vergangenem Wintersemester haben Sie auch eine Gesangsprofessur in Freiburg.

Eiche: Für mich ist das Unterrichten – abgesehen davon, dass es mir unglaublich viel Spaß macht, mit den jungen Studenten an deren stimmlicher Entwicklung zu arbeiten – eine persönliche Schule. Ich lerne unglaublich viel von den Studenten für mein eigenes Singen. Es ist tatsächlich ein Geben und Nehmen.

Was muss ein junger Sänger mitbringen, wenn er dieses Fach studieren will?

Eiche: Da gehört sehr viel dazu, nicht nur die Stimme und das Interesse an der Musik. Es geht um die Bereitschaft, sich immer wieder neu infrage zu stellen, sich neu zu formieren. Dabei sollte man ein möglichst dickes Fell haben, weil im Laufe einer Sängerlaufbahn unglaublich viel Kritik auf einen einströmt. Man muss klug entscheiden, was man an sich heranlässt und was nicht.

Man muss auch Nein sagen können.

Eiche: Es ist für mich unglaublich schwer, Nein zu sagen. Aber wenn man gelernt hat, klug mit sich umzugehen, dann wird man mit 30 keinen Wotan annehmen, wenn man spürt, dass der Papageno immer noch nicht sauber sitzt. Das muss aber jeder für sich selbst entscheiden. Und dementsprechend verläuft ja auch das Sängerleben.

Suchen Sie selbst noch den Rat eines Lehrers?

Eiche: Ich habe immer versucht, mich unabhängig zu machen von anderen Meinungen und suche die Wahrheit bei mir selbst. Diese Einstellung versuche ich auch meinen Studenten zu vermitteln. Mittlerweile bin ich an einem Punkt, wo ich niemanden mehr brauche, der mich gesangstechnisch berät.

Sie haben vor Ihrem Gesangsstudium Elektrotechnik studiert. Könnten Sie heute noch in diesem Beruf arbeiten?

Eiche: Ich finde hier immer noch einen großen Ausgleich zum Sängeralltag. Man braucht ja als Sänger auch Ruhephasen. Dabei habe ich mir angewöhnt zu programmieren. Ich bilde mich auf diesem Gebiet weiter und probiere viele Dinge aus. Für mich ein ideales Hobby zum Ausgleich, aber in einen technischen Beruf wollte ich nicht mehr gehen.

Gibt einem das Gefühl, man könnte auch etwas ganz anderes tun, nicht eine gewisse Gelassenheit im kapriziösen Opernbetrieb, wo ja auch so mancher Sumpf zu durchwaten ist?

Eiche: Ja, klar. Ich empfehle darum auch jedem Studenten, dass er sich eine Alternative zur Sängerlaufbahn offenhält.

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