Eilmeldung

Warum wir bestimmte Produkte kaufen, auch wenn sie teurer sind, und wie wir damit den Milchpreis beeinflussen Wer hat Schuld am niedrigen Milchpreis?

Von Sarah Bernhard
Wer ist schuld daran, dass der Milchpreis so niedrig ist? Bauernpräsident Walter Heidl sagt: die Bauern selbst. BBV-Kreisobmann Karl Lappe sagt: der Markt. Seine Kuh sagt: Gott sei Dank werde ich gemolken. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Nach dem Wegfall der Milchquote ist der Milchpreis niedrig wie selten. Je nachdem, wen man fragt, sind daran das Russland-Embargo, die Discounter, die Molkereien oder die Bauern selbst schuld. Doch auch der Verbraucher beeinflusst den Milchpreis. Mit seinem Glauben an die Bergbauern.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Das sagt der Bauernpräsident: Walter Heidl hat im Kurier-Gespräch die Marktmacht der Einzelhandelskonzerne kritisiert, die den Milchpreis drückten. Deshalb fordert er Konzerne und Molkereien auf, ihre Milchpreis-Politik zu ändern.

Er schlägt vor, den höheren Preis für Produkte, die sich schon als Marke etabliert haben, an die Bauern weiterzugeben. Lieferten sie mehr als ausgemacht, sollen sie nur einen unterdurchschnittlichen Preis bekommen. So werde verhindert, dass die Bauern ihre Produktion immer stärker ausweiten, der Milchüberschuss wächst und der Milchpreis weiter verfällt. Eine Voraussetzung für diesen Vorschlag: Dass es eine Marke gibt.

"In Bergbauern haben wir Vertrauen"

Das sagt der Marketingexperte: Und schon das sei schwierig, sagt Holger Riegg, Geschäftsführer der Neudrossenfelder Werbeagentur Riegg & Partner. Denn Milch hat einen großen Nachteil: „Sie ist, wie Zucker oder Mehl, ein austauschbares Produkt.“ Bei diesem Produktsegment erzielten die markenlosen Produkte der Discounter über 50 Prozent des Gesamtumsatzes.

Wolle man Milch zu einer Marke machen, habe man es also besonders schwer. Doch man könne es schaffen. Und zwar entweder, indem man einen Zusatznutzen schaffe, etwa, indem man Vitamine zugebe. „Das hat allerdings bisher bei niemand geklappt.“ Oder indem man dem Verbraucher einen emotionalen Mehrwert biete. Wie etwa die Berchtesgadener Bergbauern-Milch. „In Berge und klares Wasser und Bergbauern haben wir Vertrauen“, sagt Riegg.

Regionalisierung scheint ihm deshalb auch am erfolgversprechendsten, um den Verbraucher zu überzeugen. Man könnte aber zum Beispiel auch ähnliche Strategien einsetzen, wie sie Fleischproduzenten bereits nutzen: Die Milch bis zum Bauern rückverfolgbar machen. Oder dem Verbraucher erklären, wie aus der frischen Milch die Milch wird, die in der Packung vor ihm steht. „Das macht das Produkt anfassbar“, sagt Riegg. Und damit auch unterscheidbar.

Lidl als Teil der Lösung

Das sagt der Milcheinkäufer: Wir haben das erkannt, sagt Georg Müller. Er ist bei der Privatmolkerei Bechtel, an die vor allem Bauern aus dem südlichen Landkreis liefern, für die Milcheinkauf zuständig. Sie produziert unter anderem für die Lidl-Marke „Ein gutes Stück Heimat“. Milch, Butter und Käse dieser Marke werden ohne Gentechnik hergestellt. Und unter „besonderer Berücksichtigung des Tierwohls“, etwa indem die Kühe mehr Auslauf bekommen. „Seit 2010 haben wir so mehrere Millionen Euro zusätzliches Milchgeld erwirtschaftet und an die Landwirte ausgeschüttet“, sagt Müller.

Für ihn ist Lidl nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. „Wir sind froh, dass wir Partner haben, die unsere Produkte in ganz Europa erfolgreich vertreiben.“ Nur so seien bis vor wenigen Monaten noch Milchpreise von über 40 Cent möglich gewesen. „Sie leisten Großes im Export.“

Vom zweiten Teil der Heidl’schen Forderung, den Milchpreis zu staffeln, hält er wenig. Weil nicht klar sei, wie man die Kontingente der guten Milch an die Bauern verteilen solle. „Wollen wir wirklich wieder Quoten einführen? Das hatten wir schon und damit waren die Bauern auch nicht zufrieden.“ Er plädiert dafür, dass Landwirte ihre unternehmerische Freiheit behalten dürfen. „Auf Dauer wird sich der Wettbewerb sowieso nicht ausschließen lassen.“

"Dass Horst Seehofer in Moskau war, ist sehr zu begrüßen"

Das sagt der BBV-Kreisobmann: Auch Karl Lappe hält von der Staffelung des Milchpreises nichts. Weil man die Milchkontingente nicht voneinander abgrenzen könne. „Die Gefahr besteht, dass sich Molkerei A mit den billigen Milchmengen den Markt von Molkerei B erkauft.“

Und auch der Markenbildungs-Vorschlag seines Chefs gefällt Lappe nicht. „Das widerspricht den Gesetzmäßigkeiten des Marktes.“ Eine Nische könne man mit einer etwas teureren regionalen Marke zwar durchaus besetzen. „Aber wenn das alle machen, könnte man die Menge niemals unterbringen.“

Zumal in Bayern doppelt so viel Milch produziert wie verbraucht werde. „Die Hälfte davon muss in die Welt.“ Er plädiert dafür, stattdessen weitere Märkte zu erschließen. Oder alte wieder zu öffnen „Dass Horst Seehofer in Moskau war, ist sehr zu begrüßen. Russland war für uns immer ein sicherer Abnehmer.“ Vielleicht, weil bayerische Produkte dort eine Marke sind.

Bilder