Mainfrankentheater setzt preisgekröntes Stück als "unzumutbar" ab

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WÜRZBURG. Die überraschende Absetzung eines preisgekrönten Theaterstückes sorgt in Würzburg für Aufsehen.

 
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Der Intendant des Mainfrankentheaters, Hermann Schneider, gab kurz vor der Uraufführung von "Nacktes Leben ... oder ... bei lebendigem Leibe" bekannt, dass das Stück vom Spielplan gestrichen wird. Das Werk des Berliner Dramatikers Paul M. Waschkau sei unzumutbar für das Würzburger Publikum, lautete die Begründung. An diesem Samstag sollte es erstmals aufgeführt werden.

Moralischer Grund

"Der Grund zur Absage ist weniger ein ästhetischer, sondern vielmehr ein moralischer. Weder Text noch Regie sind schlecht. Aber in der Produktion ist das Stück nicht kompatibel mit unserem Haus", sagte Schneider der Nachrichtenagentur dpa. Bei den letzten Proben habe man festgestellt, dass das Stück in seiner verstörenden Gewalt zu brutal sei. "Waschkau beschreibt auf eine ganz exzessive Weise Zustände von Lagern, Folterungen, Zerstörung von Körpern und Vergewaltigungen", sagte Schneider weiter. Kunst dürfe und müsse auch so etwas thematisieren. Aber für sein Haus sei es nicht vertretbar gewesen. "Ich provoziere, ich bin streitbar. Aber es gibt eine Grenze."

Das Außergewöhnliche daran: Noch vor einem Jahr ist das Stück mit dem Leonhard-Frank-Preis des Theaters ausgezeichnet worden. Schon damals beschrieb das städtische Theater das Stück als eines, das "erbarmungslos die Extreme" aufzeige. Zugleich war vom "Overkill an Grauen und Brutalität" die Rede.

Grenzüberschreitend

Der Kulturreferent der Stadt Würzburg verteidigt die Entscheidung. Bei Theaterstücken sei es nicht unüblich, dass erst auf der Zielgerade erkennbar sei, wie das Stück auf die Zuschauer wirke, sagte Muchtar Al Ghusain am Donnerstag in Würzburg. "Anscheinend ist bei den letzten Proben bei den Beteiligten der Eindruck entstanden, dass das Stück Grenzen überschreitet."

Er bedauert und respektiert die Entscheidung des Intendanten. "Es ist immer bedauerlich, wenn ein künstlerischer Prozess scheitert. Grundsätzlich gehört das aber auch zum Theaterleben dazu", sagte Al Ghusain. Die Freiheit der Kunst sei ein hohes Gut. Und zu dieser Freiheit gehöre es auch, ein Stück nicht aufzuführen. "Vielleicht wäre der Aufführung ein noch viel größerer Aufschrei gefolgt."

"Nacktes Leben ... oder ... bei lebendigem Leibe" sollte in den 100 Plätze fassenden Kammerspielen des Theaters fünf Mal aufgeführt werden. In das Große Haus des Mainfrankentheaters passen 750 Zuschauer. Die Kosten für die kleine Produktion liegen dem Kulturreferenten zufolge im niedrigen vierstelligen Bereich. "Von einer Verschwendung von Steuergeldern kann nicht die Rede sein", sagte Al Ghusain.

dpa/Foto: dpa

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