Luise Kinseher: Mutter Bavaria in Bayreuth

Von Michael Weiser
"Ruhe bewahren": Luise Kinseher philosophiert über die Zeit. Und die Verschwendung derselben. Foto: red Foto: red

Sie liest Bayerns Politikern mit spitzer Zunge die Leviten. Am 14. Oktober kommt Luise Kinseher mit ihrem Programm "Ruhe bewahren!" zum Kabarett- und Comedy-Herbst nach Bayreuth. Wir sprachen mit ihr über Mitgefühl bei Politikern und ihre Rolle als Mama. Und überhaupt über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wann ist denn nun die beste Zeit?

 
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Wie ist es, am Nockherberg die Mutter der Bayern zu sein und dem Freistaat und seinen Politikern mal richtig die Leviten zu lesen?

Kinseher: Die Mutter Bavaria ist eine Rolle, die ich einmal im Jahr spiele. Nur eine halbe Stunde ist das, und doch schwingt sie das ganze Jahr hindurch mit bei dem, was ich sonst mache. Die Menschen sprechen mich als "Mama" an, und manchmal fühle ich mich auch schon so. (lacht)

Können Sie Markus Söder als Ministerpräsident noch verhindern, oder hat man auch als Bavaria nicht so viel Einfluss?

Kinseher (lacht): Verhindern können ihn nur die Wähler, die haben es in der Hand. Darum geht es bei mir ja auch nicht, ich bin Kabarettistin. Und das andere ist eine politische Entscheidung. Markus Söder ist ein sehr versierter Machtpolitiker. Jedes Volk bekommt den Ministerpräsidenten, den es verdient.

Sie haben ihm „moralische Legasthenie“ vorgeworfen…

Kinseher: Ja, auch im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik. Was manche Politiker der CSU gesagt haben, was auch Markus Söder da gesagt hat, das hat mich schwer irritiert. Ich bin nicht naiv, ich sehe die Probleme, die wir mit der Integration haben, all die Dinge, die wir noch bewältigen müssen. Trotzdem behalte ich meine Empathie und mein Mitgefühl. Das vermisse ich allgemein in der Politik.

Sie sind nach Ihrer letzten Nockherberg-Ansprache schwer kritisiert worden, unter anderem von Markus Söder und Barbara Stamm. Wenn Politiker so reagieren – hat man dann das Gefühl, man habe alles richtig gemacht?

Kinseher: Das hab ich nicht so ganz ernst nehmen können. Der Hintergrund war ja ein anderer als sonst. Die Situation war von Haus aus gereizt, wegen der Flüchtlingspolitik. Da lagen bei manchem Politiker offenbar die Nerven bloß.  Über den Vorwurf der Frauenfeindlichkeit habe ich bloß geschmunzelt, ich war auch nicht frauenfeindlicher als zuvor. Markus Söder fasse ich ein bisserl härter an, das gehört dazu, er ist ja selber ein aggressiver Politiker. Und das spiegelt sich in der Rede dann auch wieder. Ich hab also die Verstimmung darauf zurückgeführt, dass alle angespannt waren und keiner gelassen reingegangen ist, mit der Erwartung, dass das einfach ein lustiger Abend wird.

Und was genau fand Barbara Stamm nun bei Ihnen frauenfeindlich?

Kinseher: Wahrscheinlich hat sie sich daran gestört, dass ich in meiner Rede überhaupt Frauen aufs Korn genommen habe. Aber man muss doch auch Politikerinnen derblecken dürfen. Die Frauen kann ich ja nicht mit Samthandschuhen anfassen, es wäre einfach ein Schmarrn, das von mir zu erwarten. (Alles dazu ist hier nachzulesen.)

Kommen wir zu Ihrem aktuellen Programm "Ruhe bewahren!" Wenn das jemand zu mir sagt, gibt es allen Grund zur Unruhe.

Kinseher: In dem Programm geht es grob gesagt um unseren Umgang mit Zeit. Von was lassen wir uns treiben, was treibt uns um? Ich betrachte das anhand einer lustigen Rahmengeschichte, in der sich verschiedene Figuren an dem Thema abarbeiten. Im Kontext der Terrorangst hat das Programm noch eine weitere Dimension bekommen. Es ist so wie bei anderen Programmen von mir auch:  Man kann sich zurücklehnen, genießen, sich unterhalten lassen und es einfach nur lustig finden. Aber: Je genauer man hinhört, desto mehr hört man auch die Untertöne.

Kommt man irgendwann mit einem gewissen Alter an den Punkt, da man sich über seine Vergänglichkeit klar wird und die Frage stellt, wie viel Zeit einem bleibt und wie man sie richtig nutzt?

Kinseher: Das ist auch ein Thema in diesem Programm, ganz klar. Eine der Figuren ist jenseits der 70, die beschäftigt sich ganz intensiv mit dem Thema Alter. Und sie sagt, im Alter vergeht die Zeit wesentlich schneller, trotzdem kann’s noch ewig dauern bis man stirbt. Es geht schon auch darum, dass man nicht in der Vergangenheit oder der Zukunft leben sollte, sondern schauen sollte, die Zeit zu nutzen, ganz in der Gegenwart zu sein, sein  Leben zu genießen. Das ist gar nicht leicht in einer Leistungsgesellschaft wie der unsrigen, in der wir permanent angetrieben sind, die Zeit effizient zu nutzen und dauernd an uns arbeiten sollen, um uns selbst zu optimieren.

Was war für Sie persönlich der ärgste Zeitdieb?

Kinseher: Die vielen Zweifel, die wahnsinnig viel Kraft kosten. Ob es richtig ist und gut, woran man gerade schreibt. Das hat mich oft aufgehalten. Die vielen Din-A-4-Seiten, die man von vorne herein in den Müll schmeißt, anstatt dass man sie sich noch mal anschaut und sich in aller Ruhe fragt, was hab ich denn da eigentlich geschrieben? Taugt es nicht vielleicht doch etwas? Letztlich war das aber natürlich auch ein Lernprozess. Wenn man aus allem, was man erfährt im Leben, etwas lernt, dann gibt es keine verschwendete Zeit.

Was müssen Sie unbedingt noch machen?

Kinseher: Für mich persönlich geht es nicht darum, großen Ziele und Wünsche zu verwirklichen, etwa den Mount Everest zu erklimmen oder mal den Eiffelturm zu sehen oder in Venedig Cappuccino zu trinken. So was ist es bei mir nicht. Ich möchte am Ende eines jeden Tages sagen können, dass es ein guter Tag war, egal was war! Dass ich dankbar bin für jeden Tag.

INFO: Luise Kinseher tritt am Freitag, den 14. Oktober, mit ihrem Programm "Ruhe bewahren!" im Zentrum auf. Karten gibt es bei den üblichen Vorverkaufsstellen, unter anderem an der Theaterkasse.