Kunst, Satire oder Volksverhetzung?

Von Andrea Pauly
Symbolfoto: dpa Foto: red

"Arbeit macht frei" stand auf dem T-Shirt, im gleichen Stil wie der Schriftzug an den Toren zum früheren Konzentrationslager Auschwitz. Darunter waren zwei Cartoon-Figuren zu sehen: eine mit Schippe, darüber eine Sprechblase mit "Au", daneben eine mit Peitsche, der anderen zugewandt, mit der Sprechblase "Schwitz". Weil er dieses T-Shirt in einem Bayreuther Justizgebäude getragen hatte, stand ein 33-Jähriger wegen Volksverhetzung vor Gericht.

 
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Als "unglaubliches Missverständnis" bezeichnete der Bayreuther die Interpretation der  Staatsanwaltschaft seines T-Shirts. Das Kleidungsstück, das er selbst entwerfen und bedrucken lassen habe, solle keinesfalls den Holocaust verharmlosen. Im Gegenteil: Er habe es als Mahnmal gegen den Kapitalismus verstanden: Die Arbeitskraft der Menschen werde ausgebeutet, es gehe nur noch um Geld und nicht um das Wohlergehen der Arbeitenden. Richter Torsten Meyer machte zwar deutlich, dass das kein angemessener Weg sei, Kritik zu üben, sprach den Mann aber frei.

"Das ist Kunst"

"Es ist Ihnen schon bewusst, dass das, was Sie hier zum Ausdruck bringen und das, was auf dem T-Shirt zum Ausdruck gebracht wird, überhaupt nicht zusammen passen?", hatte sie den Angeklagten. "Das ist Kunst", antwortete der 33-Jährige. "Kunst bedarf einer gewissen Interpretation. Und das hängt immer vom Betrachter ab."

Auschwitz als Stätte der Sklaverei

Der Angeklagte erklärte, der größte Teil von Auschwitz sei ein Arbeitslager gewesen. Deshalb verbinde er Auschwitz mehr mit Sklaverei als mit dem Ermorden von Menschen. Er sehe Parallelen zur heutigen Gesellschaft, in der kapitalistische Arbeitgeber ihre Moral über Bord würfen, und übte Kritik an der Politik, an Beamten und den Medien. Er selbst habe nach seinem Studium nie Arbeit gefunden: "Die Arbeitsverträge und die Vorstellungen, die ich von einem Arbeitsplatz habe, passen nicht ganz zusammen."

Staatsanwaltschaft sieht Vorwurf bestätigt

Die Vertreterin der Staatsanwaltschaft forderte eine Geldstrafe in Höhe von 750 Euro gefordert. Die Äußerungen des Angeklagten zeigten erst recht die Bagatellisierung der Taten in Auschwitz. "Es gibt Dinge, über die macht man weder Witze, noch sind sie geeignet, Beispiel zu sein. Sie sind beispiellos." Der Rechtsanwalt des Angeklagten verlangte einen Freispruch, nachdem er auf das Recht auf freie Meinungsäußerung verwiesen hatte. Zudem wisse niemand, ob der Tatbestand der Volksverhetzung überhaupt erfüllt sei, weil der öffentliche Frieden nicht gestört gewesen sei.

Nicht notwendig, nicht angemessen, aber objektiv

Richter Torsten Meyer entschied sich dafür, den Mann freizusprechen. Das Motiv auf dem T-Shirt sei eine objektive Darstellung: "Wer zur Arbeit gezwungen wird, ist als Opfer dargestellt, und der Täter als Täter. Also gibt es keine Verdrehung oder Verhöhnung", sagte Meyer. Die heutigen Missstände mit Auschwitz zu vergleichen, sei weder notwendig noch angemessen, "aber wir haben ein Recht auf freie Meinungsäußerung". Allerdings gab er dem 33-Jährigen einen dringenden Rat mit auf den Weg: "Ich würde mit diesem T-Shirt nicht wieder auf die Straße gehen."

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