Kulturfreunde: Ungewöhnlicher Start

Von Michael Weiser
Der Gitarrist Sanel Redžic: Zusammen mit Friederike Luise Arnholdt am Cello bestreitet er den Auftakt für die Kulturfreunde. Foto: red Foto: red

Wenn er von „meiner Generation“ spricht, denkt er zwar an Gitarren, aber gewiss nicht an „The Who“. Sanel Redžic ist ein brillanter Gitarrist und zählt sich zu einer Generation, die das Spiel auf sechs Saiten auf ein neues Niveau gehoben hat. Am Sonntag eröffnet er zusammen mit der Cellistin Friederike Luise Arnholdt die Saison der Kulturfreunde mit einem ungewöhnlichen Programm. Und wir sprachen mit ihm über Nasentöne und Selbstoptimierung. Und darüber, warum Bier gut für Gitarristen ist.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Gitarre wurde lange stiefmütterlich behandelt. Erst so langsam scheint sich das zu ändern, Gitarre war kürzlich sogar beim ARD-Wettbewerb zu hören.

Sanel Redžic: Ja, Sie haben Recht, Gitarre wird wieder populär. Es gab und es gibt Gitarrenfestivals, aber das ist eine Welt für sich. Ich habe bei vielen Festivals gespielt, habe 29 Preise gewonnen – Festivals und Auszeichnungen gibt es also durchaus. Aber mein Eindruck war immer, dass Gitarre eine Welt für sich ist. Ich freue mich, dass in den letzten Jahren die Gitarre aus der klassischen Gitarrenwelt rausgekommen ist, dass auch Menschen dahingehen, die nicht selber spielen.

Sie sind dauernd unterwegs, geben Meisterkurse, spielen unglaublich viele Konzerte.

Redžic: Ja, mein erstes Solo-Konzert habe ich mit zwölf oder dreizehn gespielt. Davor hatte ich aber auch schon viele Auftritte. Ich stehe überhaupt oft auf der Bühne. Zur Zeit spiele ich zwölf Konzerte in drei Wochen, unter anderem eben auch in Bayreuth. In der Kammermusik, aber auch viele Solo-Konzerte mit Orchestern.

Können Sie sich da ein Hobby leisten?

Redžic: Ich unterrichte viel, ich spiele, ich versuche an meinem Programm zu arbeiten, immer wieder mit anderen Instrumenten und mit anderen guten Leuten zusammen zu spielen – da lerne ich viel. Aber ein Hobby habe ich: Seit drei Jahren mache ich meine eigene Audio- und Videoproduktion. Es gehört zu meiner Strategie, dass man im Internet viele gute Videos von mir finden kann. So komme ich auch leichter an Konzerte. Und Ich habe viele Fans.

Sie sind also auch noch Ihr eigener Regisseur und Vermarkter.

Redžic: Genau, das ist mein Hobby.

"Es gibt Stücke, die galten als unspielbar"

Und bringen zwischendurch die Gitarrenmusik auf ein neues Niveau...

Redžic: Ich habe mit vielen Kollegen gesprochen, die andere Instrumente wie Cello, Geige oder Klavier spielen. Das sind Instrumente, die in großen Konzerthäusern präsent sind, das sind klassischerweise auch die Instrumente, die mit Orchestern zusammenspielen. Viele Profimusiker denken, dass die Gitarre ein leises Instrument ist, nur etwas fürs Lagerfeuer oder für Popmusik. Viele Profis nehmen es nicht ernst. Dass man auf Gitarre viele andere Sachen machen kann, dass es viel schöne Musik dafür gibt, glauben manche gar nicht. Ich spiele gerade mit Cello zusammen – und ich muss sagen, ich kome gut zurecht mit der Cellistin, ohne dass ich einen Verstärker brauche. So leise ist das Instrument gar nicht. Ich werde das in den Konzerten beweisen. Ich habe das auch schon vor anderen Musikern bewiesen. Und mein größes Komplement ist, wenn sie zugeben, dass Gitarre nicht so unseriös ist, dass sie neben der Geige und dem Cello bestehen kann. Ein Beispiel noch...

Bitte!

Redžic: Vor ein paar Jahren habe ich in Gera das Concierto de Aranjuez von Joaquín Rodrigo gespielt. Es war ausverkauft, die Musiker und die Veranstalter waren so was von begeistert. Das war das erste Konzert, das sie mit Gitarre erlebt hatten, sie meinten, sie müssen mehr mit Gitarre machen. Eigentlich hat Gitarre viel anzubieten.

So langsam spricht sich das herum.

Redžic: Die ARD hat nach 25 Jahren endlich wieder die Gitarre ins Programm aufgenommen. Alle Finalisten sind gute Freunde von mir, ich kenne überhaupt viele Leute, die da mitgemacht haben. Ich weiß nicht, was vor 25 Jahren schiefgelaufen ist. Aber, und das ist gut, die wollen das regelmäßiger machen. Es gibt so viele Stücke, die ziemlich hoch im Repertoire anzusiedeln sind, die sehr komplex sind, Stücke, die man lange nicht spielen konnte. Ich spiele einige solche Stücke, die mal als unspielbar galten. Ich freue mich, dass meine Generation so etwas spielen kann. Dass wir auch an der Technik arbeiten, nicht wie ein Gitarrist, sondern wie ein Musiker.

"Ein Gitarrist ist jemand, der es einfacher mag"

Was bitte ist da der Unterschied?

Redžic: Ein Gitarrist ist jemand, der alles einfacher mag, der am liebsten alles mit den Standardfingersätzen macht. Auf diese Weise sind wir Gitarristen aber auch begrenzt. Wenn wir drei Melodien auf einmal spielen sollen, dann müssen wir irgendetwas unterbrechen. Meine Generation und ich, wir versuchen alles so zu spielen, dass es so klingt wie auf dem Klavier. Ich benutze auch den Daumen zum Greifen – das war vor ein paar Jahren noch unvorstellbar. Wir wollen zeigen, dass man auch auf der Gitarre auf höchsten Niveau Musik machen kann.

Was ist denn eines dieser unspielbaren Stücke?

Redžic: Von Mario Castelnuovo-Tedesco die 24 Caprichos de Goya – tolle Musik. Aber unglaublich schwer zu spielen. Als ich ein paar davon selber spielen wollte, da war mein Lehrer an der Hochschule der Meinung, das sei unspielbar, wir müssten kürzen. Nach ein paar Monaten bin ich wieder zu ihm gegangen, wir haben wieder aufgehört, erst beim dritten Versuch haben wir die Lösung gefunden. Ich bin auf die Idee gekommen, das ich mit dem Daumen greife, es gibt Töne, die ich mit der Nase spiele. Am Ende ist dabei etwas entstanden, was die Leute begeistert. Alle bisher waren der Meinung, dass man so vor 20, 30 Jahren noch nicht spielen. Und das habe ich von meinem letzten Lehrer gelernt, er hat gesagt, wir spielen erst mal auf dem Klavier, damit wir hören, wie es zu spielen wäre. Dann erst probieren wir es nach den Fingersätzen, und danach mache ich weiter.

Sie arrangieren auch Werke für die Gitarre.

Redžic: Ich versuche es. Wir spielen zum Beispiel die Sonata arpeggione von Schubert, die habe ich selber bearbeitet, und da meinte die Cellistin, dass sie es auch schon mit Klavier zusammen gespielt habe – aber diese Fassung gefällt ihr noch besser. Es klingt noch intimer, es passt zu Schubert. Manuel de Falla hat einmal ein Stück für Gitarre geschrieben, war dann aber vom Ergebnis so was von enttäuscht, das er nie wieder was für Gitarre schreiben wollte. Wenn Gitarre früher schon auf dem Niveau zu hören gewesen wäre wie es heute zu hören ist – dann hätte er mehr für die Gitarre geschrieben, und auch Beethoven und Debussy hätten dafür komponiert.

"Man muss viel Milch trinken"

Mal etwas ganz anderes: Nagelpflege ist für Gitarristen ein wichtiges Thema. Was haben Sie für Tricks?

Redžic: Das stimmt, der Klang entsteht bei uns durch die rechte Hand, zum großen Teil, da zupfen wir mit unseren Fingern und zugleich den Fingernägeln – das ist eine Kunst für sich. Alle meine Schüler und Studenten denken erstmal, es reicht, wenn die Nägel etwas länger sind. Aber das ist nicht der Fall. Man muss sie täglich pflegen und feilen, ich mache das zehn Minuten lang. Es ist gefährlich, wenn ein Nagel abbricht. Da ist mir aber auch mal eine lustige Geschichte passiert.

Wir hören.

Redžic: Das war 2014, beim Jahreswechsel. Ich war auf Asientournee, hatte in Japan zehn, zwölf Konzerte, dann noch einige in China. Das letzte habe ich in Chengdu, in einem schönen Saal mit 900 Plätzen, der ausverkauft war. Ein Fingernagel der rechten Hand war nach all den Konzerten komplett durch, und so musste ich an dem Tag zur Maniküre. Ein nettes Mädchen hat mir einen künstlichen Nagel draufgeklebt – die Chinesen haben sich erstmal totgelacht. Aber es hat geklappt. Nagelpflege hat auch mit Ernährung zu tun, man muss viel Milch trinken, Bier ist aber auch gut. Auf jeden Fall muss man drauf achten, dass man viel Vitamine zu sich nimmt, B12 zum Beispiel.

INFO: Das Duo Arnholdt-Redžic zählt zur Bundesauswahl Konzerte Junger Künstler und wurden über den Deutschen Musikrat vermittelt. Mit Werken von Schubert, Tschaikowsky, Tarrega de Falla und anderen sind die Cellistin und der Gitarrist zum Saisonauftakt der Kulturfreunde am Sonntag, 8. Oktober, im Zentrum zu erleben. Beginn 17 Uhr.