Schöne Hand mit größter Leichtigkeit: Aleksandra Mikulska gratuliert Wilfried Laudel zum 80. Geburtstag Kulturfreunde: Gelungene Matinée

Von Frank Piontek
Eine schöne, leichte Hand: Aleksandra Mikulska riss die Zuhörer der Matinee mit Brahms und Chopin hin. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Ein großzügiges Geschenk, von dem nicht nur der Jubilar etwas hat: Die Kulturfreunde luden zur Matinée mit ausgesuchter Klaviermusik von Brahms und Chopin. Und gratulierten damit nicht nur ihrem Vorsitzenden Wilfried Laudel zum 80. Geburtstag, sondern brachten auch unseren Rezensenten zum Zungeschnalzen.

 
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H-Moll: das ist die Tonart der Unvollendeten. Auch von Brahms’ Intermezzo op. 119/1. Es wird gespielt zum Vergnügen des Publikums, das im Balkonsaal in einer Matinee zusammengekommen ist, sie wird aber vor allem zu Ehren Wilfried Laudels gespielt, dem die Gesellschaft der Kulturfreunde ein generöses Geschenk gemacht hat.

Die Wahl der Hauptgratulantin, der Pianistin Aleksandra Mikulska, hätte nicht besser sein können. Brahms und Chopin: Der eine stammt aus Laudels Heimat, der andere aus der unmittelbaren Heimat der Musikerin: Es stimmte schon nominell. Was die Zuhörer aber geschenkt bekamen, war nichts weniger als eine Bayreuther Sternstunde des romantischen Klaviers (nachdem der spontan gegründete „große Chor der Kulturfreunde”, wie Vorstandsmitglied Robert Baums meinte, den allfälligen Glück- und Segenkanon mehr recht als schlecht angestimmt hatte). Von Mikulskas Hand kann mit Fug und Recht gesagt werden, was Clara Schumann seinerzeit über Brahms’ sagte: er habe „eine schöne Hand, die mit größter Leichtigkeit die schwierigsten Kompositionen spielt“.

Große Leichtigkeit für schwierigste Kompositionen

Und also hörten wir nicht allein ein technisch anspruchsvolle Geklingel, sondern tief erspürte Musik: mit dem Intermezzo op. 118/2 eine Meditation mit Aufwallungen, mit dem Cappriccio op. 76/1 ein aufgewühltes Selbstgespräch und mit dem ersten der op. 119-Intermezzi einen sensiblen Gesang – doch einen Gesang über Klüften. Es ist dies die Eigenart der Pianistin: dass sie jeglichem Ton seinen sinnvollen Platz im großen Gefüge verleiht. Musik ist niemals logisch, aber Aleksandra Mikulska spielt Brahms, Chopin und, als herzhaftes Dessert, auch Liszt, mit tiefem Sinn für unnennbare Geschichten. Das 2. Intermezzo wird ihr zu einem Abschiedsgesang in einem seltsam hellen e-Moll, die Rhapsodie zu einer kräftigen Erinnerung an Schumanns und an eigene Davidsbündlereien. So begegnen sich Vergangenheit und Gegenwart. Was auch wieder sehr gut mit einem 80. Geburtstag harmoniert.

Gibt es eine spezifisch polnische Chopin-Interpretation? Wenn sie sich so anhört wie unter den Händen der Mikulska: ja, eine sehr bewegende. Technik ist bekanntlich nicht alles, aber ohne Technik wäre der Rest nicht nichts, aber weniger. Die Spannungen der 4., der bedeutendsten und manuell anspruchsvollsten Ballade entladen sich im Kontrast eines zarten piano und eines brachialen forte: eine wunderbare, wunderbar erzählte Geschichte.

Völker, hört die Musik!

Die Vortragsbezeichnung für den cis-Moll-Walzer müsste „delicioso“ lauten, die des As-Dur-Stücks ”überschwänglich, heiter – und nachdenklich“. Reine Brillanz zeigt sich im b-Moll-Scherzo, da Klarheit und Versenkung eine Union eingehen. Wie federnd und dandyhaft die Polonaise im op. 22, dem Andante spainato und der Grand Polonaise, schließlich daherschreitet und die Pianistin im Tanz die Musik über den Polonaise-Rhythmus, also eine Reflektion von Musik über Musik entdeckt: allein das ist schon schier spannend. Da hätte es kaum noch des witzigen Cymbalgeklingels in Lizts 11. Ungarischer Rhapsodie bedurft.

Wie der Jubilar betonte: Musik ist auch ein Mittel der Völkerverständigung. Hamburg, Polen, Ungarn, Bayreuth – das ist sicher nicht eins, aber im Medium der Musik und eines hinreißenden, gleichsam doppelten Geburtstagskonzerts wurden sie wieder vereint: friedlich vereint, wie dieses Land vor 25 Jahren.