Pegnitzer Bürgermeister Raab will am Volkstrauertag an ermordete Kriegsgefangene erinnern Acht sowjetische Zwangsarbeiter im KZ exekutiert

Von Peter Engelbrecht

Das Dorf Langenreuth (Stadt Pegnitz) spielte bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen nach dem Zweiten Weltkrieg eine Rolle. Dort arbeiteten 1941/42 russische Kriegsgefangene über Tage im kriegswichtigen Eisenerzbergwerk. Acht Russen wurden von der Geheimen Staatspolizei als „unbrauchbare Elemente ausgesondert“ und 1941 eine Woche vor Weihnachten im KZ Flossenbürg exekutiert. Bürgermeister Uwe Raab (SPD) will am Volkstrauertag am Sonntag auch dieser Opfer gedenken.

 
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Ein Dokument vom 17. Januar 1942 trägt den Vermerk „Geheim“. „Das Einsatzkommando bei der Staatspolizeistelle Regensburg hat die nachgenannten russischen Arbeitskommandos überprüft und die ... zahlenmäßig genannten unbrauchbaren Elemente ausgesondert“, hieß es in zynischen Bürokratendeutsch. Aufgelistet ist unter anderem das Arbeitskommando Langenreuth, das am 29. November 1941 überprüft worden war. Von der Gesamtzahl von 23 sowjetischen Kriegsgefangenen wurden laut Liste acht als „unbrauchbar“ eingestuft und am 17. Dezember 1941 im KZ Flossenbürg in der Oberpfalz exekutiert. Die Liste diente beim Kriegsverbrecherprozess als Beweismaterial mit der Nummer 178-R.

Der letzte Zeitzeuge

Werner Bauer ist wohl der letzte Zeitzeuge in Langenreuth, der sich noch an die Kriegsgefangenen erinnern kann. „Sie mussten unter Bewachung früh und abends durch das Dorf zum Bergwerk marschieren“, berichtet der 76-jährige Rentner, der damals ein Kind war. Die Gefangenen hatten auf ihn einen sehr zerlumpten Eindruck gemacht. Seine Mutter hatte für die Ziegen Kartoffeln gekocht und diese in einem Eimer vor das Elternhaus zum Abkühlen gestellt. Die ausgehungerten Kriegsgefangenen hatten die Kartoffeln verbotenerweise in ihre Taschen gesteckt, erzählte ihm seine Mutter. Irgendwann entdeckten die Aufseher das illegale Tun und seine Mutter bekam Schwierigkeiten, denn es war streng verboten, den Russen etwas zum Essen zu geben.

Das Ganze ging glimpflich aus. Der kleine Werner bekam quasi als Dankeschön für die Hilfe von einem der Kriegsgefangenen einen Holzflieger mit vier Propellern und deutschem Hoheitsabzeichen geschenkt. „Manche Dinge vergisst man das ganze Leben nicht“, denkt Bauer noch heute manchmal an die armen, ausgehungerten Russen. Sie waren im Saal des Gasthauses Moosberger untergebracht, den es heute noch gibt. Eine Schautafel in der Dorfmitte erinnert an den Bergbau in Langenreuth, der unter und über Tage stattfand. Die russischen Gefangenen hingegen scheinen vergessen, tauchen nur noch in Unterlagen des Staatsarchives Bamberg auf. Der Chef der „Grube Langenhöh“ schrieb im Dezember 1941 an die Berginspektion Bayreuth, der Arbeitseifer der Russen habe zu wünschen übrig gelassen, „Durch schärfere Maßnahmen (Kostabzug) wurden sie aber arbeitswilliger.“

Namen nicht bekannt

Die Namen der acht in Flossenbürg ermordeten sowjetischen Gefangenen sind bis heute nicht bekannt. „Wir haben im Archiv keine Daten über Langenreuther Gefangene“, berichtete Johannes Ibel, wissenschaftlicher Mitarbeiter der KZ-Gedenkstätte. Die Gestapo habe Gefangene aus den Arbeitslagern willkürlich zum Erschießen ausgewählt, bei den Verhören sei auch Gewalt angewendet worden, sagte Ibel. Gegen die verantwortlichen Gestapobeamten Fritz Popp, Luitpold Kuhn und Sebastian Ranner wurde nach Kriegsende wegen der Hinrichtungen der Kriegsgefangenen auch aus anderen Russenlagern – insgesamt 330 Opfer – zwar wegen „Beihilfe zum Mord“ ermittelt, sie wurden aber nie zur Verantwortung gezogen.

Bürgermeister Raab sagte auf Anfrage, er habe von der Ermordung sowjetischer Kriegsgefangener aus Langenreuth gehört und daraufhin im Stadtarchiv nach Unterlagen forschen lassen. Die Recherchen hätten aber nichts ergeben. Sollte es konkrete Informationen darüber geben, werde er am Volkstrauertag auch auf die sowjetischen Kriegsgefangenen eingehen. Im Gespräch mit den Kirchen und mit den beteiligten Verbänden habe er vereinbart, neben deutschen Soldaten auch an weitere Opfer des Krieges zu erinnern. Sein Ziel sei es, das in die Jahre gekommene Gedenken in die Zukunft zu führen und junge Leute mit einzubinden.

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