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Kramme greift Merk-Erbe an

Von Norbert Heimbeck
Die Parlamentarische Staatsekretärin Anette Kramme wirft Bayreuths Oberbrügermeisterin Brigitte Merk-Erbe vor, man habe im Rathaus leichtfertig darauf verzichtet, Partner in einem Modellprojekt des Bundesfamilienministeriums zu werden. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Lässt sich die Stadt Millionen Euros entgehen? Und verzichtet auf die Chance, Partner des Bundesfamilienministeriums in einem Modellprojekt zu werden? Die Parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme (SPD) erhebt diesen Vorwurf: „Das Interesse im Ministerium, Bayreuth für das Projekt zu gewinnen, ist groß gewesen. Ich habe Frau Merk-Erbe mehrmals darauf hingewiesen. Geschehen ist nichts.“ Die OB hingegen sagt, ohne Standort sei ein Förderantrag nicht sinnvoll.

 
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Das ist der Vorwurf: Anette Kramme hatte am Mittwoch zu einer Podiumsdiskussion mit dem Thema „Für eine gute Seniorenpolitik – Besser leben im Alter“ eingeladen. Vor rund 80 Vertretern der Wohlfahrtsverbände, von Behörden und Sozialeinrichtungen sowie Bayreuther Bürgern sagte die Politikerin: „Das Familienministerium hat 2015 ein Programm für das Projekt Mehrgenerationenwohnen angeboten. Es sollte ein Musterprojekt werden, aber weil im Rathaus kein Ansprechpartner zu finden war, ist nichts geschehen. Die Stadt lässt sich hier Millionen entgehen.“ Die Politikerin sieht die Verantwortung für das Scheitern nicht nur bei den Mitarbeitern im Rathaus, sie sagt auch: „Ich bin sicher, ich habe mindestens einmal mit Frau Merk-Erbe persönlich darüber gesprochen.“

Das sagt Brigitte Merk-Erbe: „Das Förderprogramm des Bundesfamilienministeriums für ein Projekt des Mehrgenerationen-Wohnens ist der Stadt bekannt, es ist interessant und wurde daher verwaltungsintern auch geprüft.“ Ein Antrag auf Fördermittel erscheine allerdings erst dann sinnvoll, wenn die Standortfrage für ein solches Projekt geklärt sei. Zwar seien mehrere Optionen geprüft worden, sie „mussten aber letztlich aus unterschiedlichen Gründen wieder verworfen werden.“ Von der Klärung des Standorts hängen aber auch weitere Fragen der baulichen und konzeptionellen Ausgestaltung sowie der Baukosten und damit die Formulierung des Antrags ab. Sobald insbesondere die Standortfrage geklärt ist, können auch die anderen Fragen beantwortet und ein Antrag gestellt werden.

Das ist Mehrgenerationenwohnen: Ein Mehrgenerationenhaus ist die moderne Interpretation der Großfamilie: Menschen aus allen Generationen verbringen Zeit miteinander und helfen sich gegenseitig. Rund 500 Mehrgenerationenhäuser gibt es inzwischen in Deutschland. Es geht nach der Definition des Ministeriums nicht nur um gemeinschaftliches Wohnen, sondern um eine Art sozialer Begegnungsstätte.

Merk-Erbes Idee: Schon kurz nach ihrem Amtsantritt stellte die Oberbürgermeisterin diese Idee als eines ihrer zentralen Anliegen vor: Sie sprach von der Errichtung eines Mehrgenerationen-Dorfes, einer Anlage mit 20 Wohneinheiten. Für Studenten, Singles, junge Familien und Senioren. Kosten sollte dieses Dorf etwa 15 Millionen Euro. Es sollte in Zusammenarbeit mit einem Sozialverband entstehen. Woher das Geld kommen und wo die Anlage entstehen soll, ließ Merk-Erbe damals allerdings offen. Der Kurier berichtete ausführlich über das Anliegen der Oberbürgermeisterin im Januar 2015.

Das ist daraus geworden: Ein halbes Jahr nach Vorstellung der Idee beschäftigte sich der Bauausschuss des Stadtrates damit. Christa Müller-Feuerstein hatte einen entsprechenden Antrag gestellt. Drei Standorte in der Innenstadt kämen dafür in Frage, hieß es. In der Kirchgasse, in der Jahnstraße und in der Spitalgasse konnte sich das Bauamt damals entsprechende Häuser vorstellen. Ein Nürnberger Büro wurde beauftragt, die Standorte zu prüfen und ein Gutachten zu entwickeln. Kostenpunkt: 20 000 Euro. Schon in dieser Sitzung wurde Kritik laut, ob die Innenstadt der passende Ort für ein solches Projekt sei. Ein weiteres halbes Jahr später, im Januar 2016, steht keines der drei Anwesen mehr für die städtischen Pläne zur Verfügung. Zwei sind verkauft, was mit dem Haus in der Spitalgasse geschieht, ist derzeit nicht bekannt.

Das Familienministerium hat in Bayern inzwischen Modellprojekte in den Landkreisen Amberg-Sulzbach, Haßberge und Fürstenfeldbruck ausgewählt. Anette Kramme: „Eine Freundin von mir hat sich mit ihrem Projekt beworben, die fängt in zwei Wochen an.“ Auf die Kurier-Anfrage nach dem gescheiterten Modellprojekt gab die zuständige Abteilung des Familienministeriums gestern keine Antwort.

So könnte es weitergehen: Laut Stadtratsbeschluss soll das Rathaus II von der Dr.-Franz-Straße an den La Spezia-Platz umziehen. Im Oktober 2016 stellte die Bayreuther Gemeinschaft, der auch die Oberbürgermeisterin angehört, im Bauausschuss den Antrag, die rechtlichen Voraussetzungen für die Umwandlung der Flächen in ein Wohngebiet zu schaffen. Merk-Erbe sprach sich in der Sitzung dafür aus, das Mehrgenerationen-Dorf dort anzusiedeln: „Man ist sehr schnell in der Innenstadt, aber auch sehr schnell im Grünen.“ Sie sagte auch, es würden Gespräche mit der Diakonie und dem Roten Kreuz geführt, die als Betreiber in Frage kämen. Tobias Schif, Pressesprecher des Roten Kreuzes in Bayreuth, sagte gestern auf Anfrage: „Wir haben nach wie vor Interesse an dem Thema. Aber wir warten die Entscheidung der Stadt ab.“

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