Haben Sie Angela Merkel mal die Hand geschüttelt?
Wecker: Nein, noch nie. Das muss auch nicht sein. Tolle Politiker und tolle Pfarrer, die lerne ich vor allem auf den unteren Ebenen kennen. Gegen die SPD gibt es sehr viel zu sagen in ihrer derzeitigen Regierungssituation, aber ich kenne ein paar SPD-Bürgermeister, die in ihren Gemeinden als Kommunisten beschimpft werden, mit denen komme ich wunderbar klar.
Was halten Sie von Papst Franziskus?
Wecker: Franziskus tritt fast wie ein weiser alter Narr auf. Der ist so, wie man im Alter werden sollte. Manchmal lässt er Sachen los, da denkt man Und das kommt aus dem Vatikan?
Möchten Sie auch mal so werden?
Wecker: Sehr gern. Zwischen Klugheit und Weisheit gibt es einen großen Unterschied. Weisheit beinhaltet Toleranz, sich selbst nicht mehr so ernst zu nehmen, sein Ego zu zügeln. Das strebe ich an. Klug sein hingegeben ist nicht alles. Es gibt auch kluge Monster.
"Ich kann Flüchtlinge aufnehmen"
In „Ich habe einen Traum“, dem ersten Lied des neuen Albums, rufen Sie dazu auf, Flüchtlinge mit offenen Armen zu empfangen und bei uns zu beherbergen. Wird diese Haltung irgendwann Konsens?
Wecker: Wenn genug Leute diesen Traum träumen würden, dann ja. Jetzt kommen natürlich die Menschen und sagen mir: Konstantin, das ist unglaublich naiv. Ja, natürlich ist es naiv. Das ist eben Poesie. Logisch, auch ich kann keine 100 Millionen Flüchtlinge bei mir am Tisch versammeln, aber ich kann einige aufnehmen, und ich kann mit ihnen zusammensitzen und tue das auch.
Es stört Sie also nicht, als naiv zu gelten?
Wecker: Überhaupt nicht! Mein Vater hat mich an sein Sterbebett gewunken und gesagt: Konstantin, wie kann man dieses Leben überstehen, ohne naiv zu sein? Das war so ein schöner Moment. Mein Vater, der 1914 zur Welt kam, einen Weltkrieg miterlebte und sogar während der Nazizeit den Kriegsdienst verweigerte und das überlebte, war ein toller Intellektueller, aber seine Naivität hat er sich immer bewahrt.
Geben Sie die Naivität an ihre beiden 15 und 17 Jahre alten Söhne weiter?
Wecker: Ich versuch’s. Meine Söhne sind politisch sehr engagiert und zugleich in einem Alter, in dem man völlig zu Recht erst einmal gegen den eigenen Vater rebellieren und seinen eigenen Weg gehen muss. Ich kann nur hoffen, dass vieles von dem, was meine Frau und ich den Kindern vorleben, Früchte trägt.
Im Lied „An meine Kinder“ singen Sie, dass sie die beiden nicht erziehen.
Wecker: Ich habe schon mit dem Wort Erziehung ein Problem. Da denke ich gleich an Gehorsam, an Militarismus, an die Schwarze Pädagogik, die der wahrscheinliche Grund war, dass so viele Menschen in Deutschland einem Massenmörder hinterherliefen. Ich bin Jahrgang 1947, kein Kriegskind mehr, aber ich habe den Schrecken des Krieges noch miterlebt. Die Amputierten sind auf Wägelchen durch das zerbombte München gerollt, wir haben in den Ruinen gespielt.
Bekümmert es Sie, dass die Jungs demnächst womöglich aus dem Haus gehen?
Wecker: Ja, schon, natürlich. Was ich kann ist, denen meine bedingungslose Liebe mitzugeben. Ich bin ein alter Vater, alte Väter sind sowieso eher nachgiebig, meine Frau war konsequenter. Natürlich ist es auch traurig, dass einem die Vergänglichkeit in meinem Alter immer bewusster wird. Als junger Mensch verdrängt man das. Ein 20-Jähriger fühlt sich unsterblich. Aber ein 68-Jähriger hat schon zu viele liebe Menschen gehen sehen.
Sie sagen allerdings auch, „die Eltern haben noch andere Verlangen“. Freuen Sie sich auch auf die Freiheit?
Wecker: Bestimmt. Ich muss nicht noch mal einen Zwei- und einen Vierjährigen haben. Ich finde es toll, dass ich das erlebt habe, aber sowohl meine Frau als auch ich, wir haben sehr viele Interessen. Es gibt ja Menschen, für die sind die Kinder die einzige Lebensaufgabe, bei uns ist das anders.
20-Jährige, die jetzt schon panisch sind
Ist Geld ihnen wichtig?
Wecker: Früher wollte ich mit der Musik nicht mehr verdienen als ein paar Bier und was zu essen. Wir waren Hippies, wir hatten nicht den Drang, reich werden zu wollen. Ich war in einem angenehmen Sinne ehrgeizlos. Diese Einstellung findest du bei den jungen Leuten heute gar nicht mehr. Die haben eine Angst... Ich kenne 20-Jährige, die jetzt schon panisch sind, ob sie später genug Rente haben werden.
Haben Sie mit 68 Jahren die Rente sicher?
Wecker: Ich habe mal einbezahlt, aber das hat mir die Bank wieder genommen. Ich muss noch arbeiten. Ich finde das auch gut so, ich beschwere mich überhaupt nicht. Ich habe auch sehr viel Blödsinn in meinem Leben gemacht, für dessen Folgen niemand verantwortlich war als ich selbst.
Mehrere Songs auf „Ohne Warum“ richten sich vehement gegen Krieg und Gewalt. Ist es in diesen Zeiten besonders schwierig und auch besonders wichtig, Pazifist zu sein?
Wecker: Es ist besonders schwierig, weil man noch mehr verlacht wird als früher. Es ist vor allem besonders wichtig. Ich glaube, wir steuern weltweit auf eine Situation zu, in der Sätze wie „Nie wieder Faschismus“ oder „Nie wieder darf Krieg von deutschem Boden ausgehen“ sehr aktuell werden. Diese Grundsätze sind meiner Generation eingefleischt worden. Ich habe immer für Frieden gekämpft, und ich kämpfe weiter.⋌
Das Gespräch führte Steffen Rüth
INFO: Konstantin Wecker ist zusammen mit dem Kammerorchester der Bayerischen Philharmonie am 3. und 4. Juli in Staffelstein/Kloster Banz in „Songs an einem Sommerabend“ zu erleben, neben Liedermachern wie Angelo Branduardi und Heinz Rudolf Kunze. Außerdem tritt Konstantin Wecker am am 27. Juli in Wunsiedel bei den Luisenburg-Festspielen auf.