Flüchtlinge: Sturmläuten für Humanität

Von Peter Rauscher
Peter Rauscher, Politikredakteur. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Am Freitagabend haben im Erzbistum Köln die Glocken 23.000 Mal geläutet. 230 Kirchenglocken haben mit je 100 Schlägen an die geschätzt 23.000 Menschen erinnert, die seit dem Jahr 2000 bei der Flucht übers Mittelmeer ihr Leben verloren haben. Das Totengeläut müsste Europa und die ganze Welt aufrütteln.

 
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Mehr als 50 Millionen Menschen sind weltweit auf der Flucht, ein Bruchteil nur gelangt nach Europa. Den Europäern sind das schon viel zu viele, obwohl allein die Türkei viel mehr aufnimmt als die ganze EU. Ungarn will eine neue Mauer in Europa errichten, einen Grenzzaun zu Serbien, deutsche Minister denken über ein Zurück zu Grenzkontrollen nach, rechte Parteien sind vielerorts im Aufwind.

Hilflose Reflexe auf eine Situation, in der sich viele überfordert fühlen und Ängste entwickeln. Und ja: Länder wie Italien und Griechenland, in denen die Flüchtlinge zuerst stranden, werden schmählich im Stich gelassen. EU-Partnerländer verweigern die nötige Solidarität und sperren sich gegen Aufnahmequoten. Deutschland tut mehr als andere. Aber, die Klagen der Flüchtlingshelfer in Bayern zeigen das, es ist nicht genug.

Heute erinnert ein neuer nationaler Gedenktag für Flucht und Vertreibung daran, dass Europa vor 70 Jahren schon einmal von Flüchtlingsströmen durchwandert wurde. Während des Krieges waren es die Opfer von Nazi-Deutschland, am Ende des Krieges bis zu 14 Millionen Deutsche, die aus den Ostgebieten vertrieben wurden. So hart die Schicksale: Die Integration der Vertriebenen ist Teil der deutschen Erfolgsgeschichte, des Wirtschaftswunders.

Die Flüchtlinge heute mögen aus anderen Kulturkreisen kommen, viele wollen auch gar nicht bleiben. Die Aufnahme Verfolgter und die Gewährung von Asyl sind aber moralische Pflicht – so wie es früher Pflicht war, Vertriebenen und Verfolgten des Nazi-Regimes Zuflucht zu gewähren. Erinnern wir uns heute an die Geschichten unserer vertriebenen Vorfahren. Dann wissen wir, wie wir Flüchtlingen begegnen müssen.