Kommentar: Kein klarer Verlierer

Von Jens Schmitz
Foto: dpa Foto: red

Hillary Clinton hat wie erwartet den besseren Auftritt geliefert: Beim ersten direkten TV-Duell gegen Donald Trump, ihren Rivalen im Kampf um die US-Präsidentschaft, bot sie inhaltliche Substanz, wirkte souverän, locker und konzentriert.

 
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Trump verpasste eine weitere Chance, seine Pläne in nennenswerten Ausmaß zu konkretisieren, fiel Clinton mehrfach ins Wort und schrammte mit seinen Pointen gelegentlich an den Grenzen des guten Geschmacks entlang.

Keine schlechte Bilanz für Trump

Trotzdem wird auch er keine schlechte Bilanz ziehen: Für ihn ging es in erster Linie darum, gegen die erfahrene ehemalige First Lady, Senatorin und Außenministerin 90 Minuten zu überstehen, ohne sich lächerlich zu machen. Das ist ihm gelungen - wo er Clintons Angriffen nichts entgegenzusetzen hatte, lenkte er meist wirkungsvoll zu anderen Themen über.

Trumps zweite Hürde war noch niedriger: Er musste die zahlreichen Wähler, die Clinton nicht leiden können, davon überzeugen, dass er nicht das Monster ist, als dass ihn die Medien zeichnen, und also wählbar. Und auch Trump blieb – für seine Verhältnisse – ruhig. Im Vergleich mit dem Vorwahlkampf präsentierte er sich am Montagabend als bekümmertes Lamm. Dazu gehörte nicht zuletzt die mehrfache Versicherung, mit Clinton gelegentlich einer Meinung zu sein: Hört her, so die Botschaft, dieser Mann ist über den Washingtoner Parteienkrieg erhaben und kann das Land einen.

Viele Falschbehauptungen Trumps

Trump hat in den 90 Minuten eine Menge Falschbehauptungen wiederholt, und seine Hardcore-Fans werden sich nicht die Mühe machen, ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen. Die Mehrheit der Wähler weiß aber, dass es Trump war und nicht Clinton, der jahrelang die Staatsbürgerschaft des ersten schwarzen Präsidenten der USA in Zweifel gezogen hat.

Freilich glauben Fachleute, dass Körpersprache und optischer Eindruck bei Fernsehdebatten noch wichtiger sind als das Gesagte. Auf viele, die sich nach frischem Wind sehen, wird Trump dynamischer und dominanter gewirkt haben. Seine Tendenz, Clinton und selbst dem Moderator ins Wort zu fallen, kann sich jedoch auch rächen.

Kein klarer Verlierer

Viele Beobachter hatten vor dieser Debatte einen klaren Verlierer erwartet, je nachdem, wer ihr seinen Stil würde aufdrücken können. Ganz so eindeutig ist das Ergebnis nicht ausgefallen. Aber eine Blitzumfragen von Public Policy Polling ergab doch eine Tendenz: 51 Prozent der Befragten sahen Clinton als Siegerin dieser Debatte, 40 Prozent Trump.

Noch größer war der Abstand bei jüngeren Wählern, die Clinton bislang nicht im erwünschten Ausmaß ansprechen konnte. Sie darf hoffen, mit inhaltlicher Substanz weiter zu punkten. Allerdings sollte sie auch an ihrer Begeisterungsfähigkeit arbeiten: Trumps Talent, aus einfachen Sätzen Aufbruchsstimmung zu zaubern, ist eine mächtige Waffe. Wer die Menschen unterschätzt, bei denen es wirkt, begeht einen schweren Fehler.

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