Klinikum testet Waffe gegen Alzheimer

Von Peter Rauscher
Mit dem PET-CT können Dr Stefan. Förster (links) und Prof. Patrick Oschmann ins Gehirn der Patienten schauen und die Eiweißablagerungen sehen, die sich bei Alzheimerpatienten ablagern. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Im Kampf gegen die hirnzerstörende Alzheimer-Krankheit probieren die Ärzte am Klinikum Bayreuth eine neue Waffe aus. Die Neurologische Klinik nimmt am Test eines Medikaments teil, das Alzheimer stoppen soll. Erste Versuche in den USA waren vielversprechend. Jetzt werden Patienten in der Region gesucht, die sich an der Studie beteiligen wollen.

 
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Für viele Menschen ist die Vorstellung, an Alzheimer zu erkranken, der blanke Horror. Playboy Gunter Sachs hatte sich angeblich aus Angst davor vor sechs Jahren das Leben genommen. Für Professor Patrick Oschmann, Chefarzt der Klinik für Neurologie in Bayreuth, ist das neue Medikament  mit der Bezeichnung „Aducanumab“ des US-Biotech-Herstellers Biogen Idec die derzeit „größte Chance der Mediziner im Kampf gegen Alzheimer“.  

Eine erste kleine Studie in den USA mit 165 Patienten sei „sehr positiv verlaufen“. Das Klinikum Bayreuth sei eines von deutschlandweit 21 Zentren, in denen das Medikament angeboten werde.

So wirkt das Medikament

Alzheimer entsteht, wenn sich vermehrt das Eiweiß Beta-Amyloid in den Gehirnzellen ablagert. Spezielle Antikörper, die von umprogrammierten Mäusezellen gewonnen werden, sollen dieses Eiweiß aus dem Gehirn abtransportieren.

Sie werden den Patienten in Form von Transfusionen verabreicht und sollen das Eiweiß aus den betroffenen Gehirnzellen herausziehen. „Wir haben erstmals eine realistische Aussicht darauf, Alzheimer in seiner Ursache zu bekämpfen“, sagt Oschmann dem Kurier. Wenn die Studie erfolgreich verlaufe, könne Alzheimer erstmals gestoppt werden.

Das passiert am Klinikum

Oschmann und Dr. Stefan Förster, Chefarzt der Klinik für Nuklearmedizin, suchen 15 bis 20 Patienten, die am Klinikum an der Studie teilnehmen. Die Studie dauert 18 Monate, einmal im Monat wird den Patienten die Infusion verabreicht. Ein Drittel der Patienten erhält die volle Dosis, ein Drittel die verringerte Dosis und ein Drittel ein wirkungsloses Scheinmedikament (Placebo). Die Gruppenzugehörigkeit wird ausgelost. Nach den 18 Monaten erhalten alle Teilnehmer das Medikament noch zwei Jahre lang kostenlos. Auch wer in die Placebogruppe gelost wurde, erhält die Arznei also.

Um Nebenwirkungen auszuschließen, werden die Patienten durch MRT-Untersuchungen überwacht. Während der US-Studie hatten sich nach Oschmanns Aussage nach der Medikamentengabe teils sogenannte Hirnödeme gebildet – kleine Schwellungen wie bei äußeren Verletzungen – ohne dass den Patienten dadurch aber Nachteile entstanden sei.

Darum macht das Klinikum mit

Die Klinik für Neurologie in Bayreuth ist mit 150 Betten nach der Charité in Berlin die zweitgrößte Neurologie in Deutschland. Für die Patienten des Klinikums sei der Vorteil, dass man ihnen schon jetzt eine vielversprechende Arznei gegen Alzheimer anbieten könne, die bei erfolgreichem Abschluss dieser letzten Testreihe in Deutschland frühestens in drei bis vier Jahren zugelassen werde, sagt Oschmann.

Voraussetzung dafür, dass das Klinikum mitmachen konnte, war die Anschaffung sogenannter PET/CT-Scanner im vergangenen Jahr. Diese Scanner können die Eiweißablagerungen im Gehirn erst für Ärzte sichtbar machen, erläutert Chefarzt Stefan Förster. Somit können Ärzte feststellen, ob überhaupt Eiweißablagerungen im Gehirn vorhanden sind, was Voraussetzung für die Teilnahme an der Studie ist.

Zudem kann mit dem Scanner kontrolliert werden, ob die Medikamentengabe die Eiweißablagerungen tatsächlich verringert. Der Blick ins Gehirn ermöglicht sogar, die Wahrscheinlichkeit einer Alzheimererkrankung vorherzusehen. Ein solcher Scan würde einen Patienten auf Privatrechnung rund 2500 Euro kosten, weil die Krankenkasse nicht zahlt. Für Studienteilnehmer ist die gesamte Behandlung kostenlos.  

Die Studienteilnehmer

Das Klinikum kann so viele Patienten in die Studie aufnehmen wie sich melden, aber Oschmann rät zur Eile: Im Frühjahr könnte die Studie schon geschlossen sein. Grundsätzlich können Patienten teilnehmen, die in einem frühen Stadium an Alzheimer erkrankt sind, die zwischen 50 und 85 Jahren alt sind und die einen engagierten Angehörigen oder sonstigen Begleiter haben.

Wer sich für die Teilnahme an der Studie interessiert kann sich melden beim Studienzentrum Neurologische Klinik, Telefon 0921/4004614. Oder im Sekretariat der Klinik für Neurologie unter 0921-4004602.

 

Stichwort: Alzheimer

 

  • Die Alzheimer-Krankheit, die häufigste Form der Demenz, ist eine hirnorganische Krankheit. Sie ist nach dem deutschen Neurologen Alois Alzheimer benannt, der die Krankheit erstmals im Jahre 1906 wissenschaftlich beschrieben hat. Der größte Risikofaktor für die Entwicklung einer Alzheimer-Krankheit ist das Alter. Nur in seltenen Fällen sind die Betroffenen jünger als 60 Jahre.
  • Kennzeichnend für die Erkrankung ist der langsam fortschreitende Untergang von Nervenzellen und Nervenzellkontakten. Im Gehirn von Alzheimer-Kranken sind typische Eiweißablagerungen (Amyloid-Plaques) festzustellen.
  • Zum Krankheitsbild gehören Gedächtnis- und Orientierungsstörungen, Sprachstörungen, Störungen des Denk- und Urteilsvermögens sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Diese Störungen sind bei den Betroffenen unterschiedlich stark ausgeprägt und nehmen im Verlauf der Erkrankung zu. Sie machen die Bewältigung des normalen Alltagslebens immer schwieriger.
  • Die Patienten sind zunehmend auf Hilfe und Unterstützung angewiesen. Die jeweiligen Anforderungen an Betreuung, Pflege, Therapie und ärztliche Behandlung sind dabei sehr unterschiedlich. Denn Alzheimer-Kranke sind keine einheitliche Gruppe, sondern Individuen mit ganz unterschiedlichen Lebensläufen, Kompetenzen und Defiziten, die in unterschiedlichen sozialen und wirtschaftlichen Situationen leben.

 

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