Disney verlangt mehr Miete von Betreibern - Auch das Kintopp in Hollfeld verzichtet auf den Film Kleine Kinos boykottieren den neuen „Avengers“-Film

Von Heike Hampl
Scarlett Johansson als Black Widow in einer Szene aus „The Avengers: Age of Ultron“. Bundesweit protestieren Betreiber kleiner Kinos gegen den Film, auch in Hollfeld. Grund: Der Verleih hat die Miete auf 53 Prozent des Ticketpreises erhöht. Foto: dpa Foto: red

Comic-Fans in Deutschland werden den neuen „Avengers“-Film wohl in größeren Städten sehen, weil fast 700 kleine Kinos ihn boykottieren. Darunter auch das Kintopp in Hollfeld. Der Grund: Der Verleih hat auch für die Kleinstadtkinos die Miete auf 53 Prozent des Ticketpreises erhöht. „Damit ist eine Schmerzgrenze erreicht“, sagt die Hollfelder Programmchefin Ruth Dormann.

 
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Für die Kinos auf dem Land ist es ein Kampf wie der von David gegen Goliath. Für Comic-Fans bedeutet der Boykott von rund 700 Kinos gegen den am Donnerstag gestarteten Film „Avengers: Age of Ultron“, mit dem die Betreiber gegen die Preispolitik des Disney-Konzerns protestieren, unter Umständen vor allem eins: eine längere Fahrt ins Kino.

Pegnitz gegen den Trend

Die ist für viele Kinofreunde in Deutschland allerdings ohnehin Alltag – völlig unabhängig davon, ob sich die Kinobetreiber gerade mit einem Filmgiganten überworfen haben oder nicht. Denn in Deutschland geht nicht nur die Zahl der Kinos insgesamt zurück (von 1744 im Jahr 2009 auf 1630 im Jahr 2014), sondern damit auch die Zahl der Städte und Gemeinden, die überhaupt noch über ein Kino verfügen. Dass in Pegnitz nun wieder ein Kino entstehen soll, ist vor diesem Hintergrund eine ungewöhnliche Nachricht.

Junges Publikum fehlt

Den Grund für den Kino-Schwund sieht der Chefredakteur der Fachzeitschrift „Cinema“, Artur Jung, im Schwund beim jungen Publikum – gerade auf dem Land. „Es wird schwierig, die jungen Leute dazu zu motivieren, ins Kino zu gehen“, sagt er. "Das Internet mit Video-on-Demand-Angeboten wie Netflix ist zu einer massiven Konkurrenz geworden. Im Prinzip kriegen sie alles relativ zeitnah direkt ins Haus geliefert.“

Alter Kinosaal

Ruth Dormann, Programmchefin im Kintopp in Hollfeld, sieht das ebenso. Und sie sagt: Nur mit relativ niedrigen Eintrittspreisen bleiben die Kinos auf dem Land attraktiv. In Hollfeld kostet die Abendvorstelllug sieben Euro, die Nachmittagsvorstellung sechs Euro. Kinder zahlen fünf Euro. „Wir sind ein altes Kino, wir können die Preise nicht erhöhen“, sagt Dormann. Normalerweise gehen von hier 43 Prozent des Eintrittspreises an den Verleih.

Zwang zu drei Wochen

Doch noch aus einem zweiten Grund boykottiert Dormann den neuen Disney-Film. Der Verleih verpflichtet die Kinos, den Film nach dem Start drei Wochen lang zu zeigen. „Das können wir nicht machen, wir haben nur einen Saal, da können wir nicht drei Wochen lang denselben Film laufen lassen“, sagt Dormann.

Noch mehr gehe nicht

Die Kinobetreiber hätten finanziell in jüngster Zeit ohnehin einiges stemmen müssen, sagt Andreas Kramer vom Hauptverband Deutscher Filmtheater (HDF). Sie mussten die Technik auf digitale Projektion umstellen – pro Leinwand waren das Kosten von 70 000 bis 110 000 Euro. Auch nach Einführung des Mindestlohnes vor einigen Monaten stiegen die Preise. „Die Luft für Preiserhöhungen ist jetzt erst einmal raus“, sagt Kramer.

In Deutschland ging im vergangenen Jahr jeder im Schnitt anderthalb Mal ins Kino, der durchschnittliche Eintrittspreis lag bei 8,05 Euro (2009: 6,67 Euro). Deutschland befindet sich europaweit im Mittelfeld.

Schneiden Betreiber sich ins eigene Fleisch?

Die Hollfelder Programmchefin teilt eine weitere Sorge mit ihren Kollegen: Wenn das Beispiel Schule macht, könnten Verleiher die höhere Miete künftig auch für Filme verlangen, die nicht so gut laufen wie dieser „Avengers“-Blockbuster.

„Cinema“-Chefredakteur Jung glaubt dennoch, dass die Kinobetreiber sich mit dem Boykott „ins eigene Fleisch schneiden“. Schließlich würden sie mir der Aktion auf einen umsatzstarken Film verzichten.

Disney dagegen werde den Boykott nicht sonderlich bemerken. „Auf dem Land wird nicht der große Umsatz gemacht für die Verleiher“, sagt er. „Gerade bei den „Avengers“ haben wir fast ein reines Großstadt-Publikum. Und die Kids auf dem Land: Wenn sie den Film sehen wollen, sehen sie den auch“ – in der nächsten Stadt oder illegal im Netz.

Mit Material von dpa