Klassik mit Herz, Seele und Verstand

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Märchenhaftes und Tierisches bringt Ljubka Biagioni zu Guttenberg dieses Jahr auf die Plassenburg. Beim Klassik- Open Air am Sonntag, 16. Juli, wird die Dirigentin zusammen mit den Sofia Symphonics „Peter und der Wolf“ von Sergej Prokofjew und den „Karneval der Tiere“ des französischen Komponisten Camille Saint-Saens aufführen. Wieso sie gerade diese Märchen ausgesucht hat und sie sonst nicht auf die leichte Muse setzt, darüber sprach sie am Mittwoch mit dem Kurier.

 
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Frau zu Guttenberg, Sie nennen Ihr diesjähriges Programm ein Sommermärchen. Was reizt Sie eigentlich an dieser Erzählform?

Ljubka Biagioni zu Guttenberg: Ich habe mich für zwei Stücke von Prokofjew und Saint-Saens entschieden, die nicht für Kinder geschrieben wurden. Denn es geht darum, die verschiedenen Instrumente und ihre Möglichkeiten aufzuzeigen. So wie Maurice Ravel das in seinem „Bolero“ tut. Eine Klarinette klingt wie eine Katze in „Peter und der Wolf“, der Vogel wird gespielt von einer Flöte, die Ente von einer Oboe und so weiter. Die Zuhörer merken sich so die Instrumente besser, ihren Klang und ihre Farbe. Ich wollte bewusst im Sommer ein bisschen leichte Musik machen, das nicht nur die Erwachsenen anspricht. Wer zum Konzert kommt, soll also ruhig seine Kinder mitbringen.

Warum sollen sich Erwachsene für ein gern im Schulunterricht verwendetes Werk wie „Peter und der Wolf“ interessieren?

Guttenberg:Wissen Sie, Prokofjew hat das Werk nicht für Lehrer oder Kinder geschrieben. Das ist ein ganz normales Musikstück wie die Sinfonie Nr. 3 von Beethoven oder die Siebte Sinfonie von Schostakowitsch. Das ist keine Kindermusik! Das ist sogar ein großer Fehler zu denken, diese Stückchen seien nur für Kinder gemacht. Märchen sind nicht grundsätzlich gut für Kinder, Märchen können sogar sehr grausam sein. Ich habe meinen Kindern, als sie klein waren, nie diese Märchen vorgelesen, weil sie Angst hatten. Märchen können exemplarisch etwas zeigen. Das Märchen ist sozusagen die Verpackung, der musikalische Inhalt jedoch ist etwas sehr Ernsthaftes. Die Kürze allerdings kommt den Kindern zugute. Prokofjews Musik an sich ist nicht einfach, im Gegenteil, genauso wie Mozarts Musik als einfach gilt, aber hoch philosophisch ist. Die Musik des 18. Jahrhunderts ist leicht zugänglich, aber auch „Eine kleine Nachtmusik“ ist kein Kinderstück.

Wollen Sie also mit gewissen Vorurteilen gegenüber diesen Werken aufräumen?

Guttenberg: Genauso ist es, man sollte sie nicht vorschnell verurteilen. Wir sollten den beiden Komponisten ihren Ehrenplatz lassen und ihnen ruhig einen Abend widmen. Ihre Musik ist intelligent und kompositorisch sehr spannend. Außerdem wird die phantastische Präsenz von Sky du Mont das Konzert bereichern, der als Erzähler auftritt.

Sind Sie ihm schon begegnet und haben mit ihm geprobt?

Guttenberg:Nein, wir haben telefoniert und diskutiert, was wir machen wollen. Ich kenne das Stück, er kennt das Stück und er ist ein Profi. Wir werden uns erst auf der Plassenburg treffen und da proben, aber das wird alles gut gehen. Außerdem hat er mir gesagt, dass er sich mit klassischer Musik sehr gut auskennt, scheinbar ist er ein Klassikfreund.

Bei ihren Konzerten auf der Plassenburg scheinen Sie eher die leichte Muse zu bevorzugen. Ist das generell ihr Markenzeichen?

Guttenberg: Nein, eigentlich dirigiere ich sogar meistens schwere Sachen. Zum Beispiel dirigiere ich die achte Sinfonie von Anton Bruckner und bei den Tiroler Festspielen habe ich Rachmaninows 2. Sinfonie dirigiert, das ist auch nichts Leichtes. Bei einem Open Air kann ich aber so etwas nicht machen, da würden sich die Leute nicht unbedingt darüber freuen, wir sind ja nicht in einem Konzertsaal. Man muss immer wissen, wo man dirigiert und das Entsprechende dazu aussuchen.

Wie würden Sie Ihren Stil als Dirigentin beschreiben? Ein Tyrann sind Sie wohl eher nicht, aber Sie achten auf Disziplin.

Guttenberg:Ich glaube auch nicht, dass ich ein Tyrann bin, ich bin wohl eher viel zu nett. Aber ich kann auch strenger sein und wenn nötig, sehr ernsthaft und dann rede ich sehr leise. Und wenn ich sehr leise mit dem Orchester rede, dann wissen die, es ist ganz schlimm. Wir Dirigenten sind ganz normale Musiker wie die anderen, aber wir haben eine andere Vorbereitung. Unser Ziel ist, eine einheitliche Interpretation zu finden, und da muss man konsequent sein, sonst würde jeder spielen wie er will. Wir wollen eine Einheit erreichen, im Rhythmus und im Klang, und das muss der Dirigent eben organisieren. Ich versuche sehr freundlich zu sein und eine positive Atmosphäre zu schaffen, denn nur so kann man ein gutes musikalisches Resultat erreichen.

Gehört der autoritäre und cholerische Maestro der Vergangenheit an?

Guttenberg: Die Zeiten haben sich geändert, wie sich ja auch die Eltern heutzutage anders verhalten. Es ist nicht mehr modern und wird nicht gern gesehen. Man versuchen, die Leute zu schätzen, nur wenn gegenseitiger Respekt herrscht, kann man Engagement hervorrufen und Kunst schaffen. Ohne Respekt, ohne Liebe und Vertrauen, so wie in einer Familie, kann man nicht viel erreichen. Kunst hat etwas mit Herz zu tun, mit Intellekt und Seele, und wenn die Seele kaputt gemacht wird, kann man von einem Musiker nicht viel erwarten.

Herrscht zwischen Ihnen und Ihrem Orchester ein blindes Einverständnis nach den vielen Jahren der Zusammenarbeit?

Guttenberg: Jedes Jahr gibt es ein Vorspielen, aber ich habe einen Bestand von 60, 70 Leuten, die wissen, was ich von ihnen erwarte. Wir kennen uns gegenseitig gut, trotzdem muss man immer wieder neu etwas sagen, manches ist selbstverständlich, anderes aber nicht. Jeder hat seine Tagesform, einer ist müde, einer hat Kopfweh, einer Depressionen – das muss man alles auch berücksichtigen. Als Dirigent muss man auch Psychologe sein und einen Weg finden für diese Menschen, sie sind nicht bloß Geiger und Flöter, sie sind Profis, aber keine Maschinen. Doch genau durch diese Menschen entsteht die Magie der Musik.

Und ein Letztes noch, jenseits der Musik: Warum tragen Sie immer einen schwarzen Mantel beim Dirigieren?

Guttenberg: Das ist ein Kleid, kein Mantel, und es ist ein Entwurf von mir. Ich habe mehrere davon, und das bleibt, ich dirigiere immer damit, weil es so für mich so am bequemsten ist.

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