Hohes komödiantisches Vermögen
Und weil dieser Graf auf einmal ganz nah bei einem ist, wundert es einen am Ende gar nicht mehr, wie schnell die Gräfin ihm Verzeihung gewährt. Überhaupt ist es schön, wie Loy und seine Leute mit Verunsicherung und Kontrollverlust spielen. Solenn’ Lavanant-Linke etwa gibt einen verführerischen, vor allem sehr anpassungsfähigen Cherubino: Wie unsicher der am Anfang noch in der Verkleidung als Mädchen herumstakst, wie schnell er dann aber das Verführungspotenzial seiner Maskerade beherrscht, lässt uns ahnen, dass die Diskussion über Geschlechterrollen sehr alt ist.
Loy hat Sängerdarsteller von hohem komödiantischem Vermögen zusammengeführt. Wir sehen Alex Esposito am Anfang in einem Miniaturnachbau der Staatsoper. Esposito turnt in diesem Minitheater herum und lässt Susanna als Puppe tanzen. Er steigt aus dem Guckkasten, findet sich erschrocken auf der Bühne wieder. Als sei er in einem wirren Traum, der nichtsdestotrotz vehement seine Mitwirkung erfordert.
Alles wächst allen über den Kopf
Noch sind die Verhältnisse so beengt, dass sich auch mal ein Darsteller den Kopf am Türrahmen stoßen kann. Der Raum wird wachsen im Laufe der vier Akte, bis zu riesenhaften Ausmaßen im Finale. Figaro ist in den „tollen Tag“ hineingestolpert wie Alice ins Wunderland. Er ist nicht der Einzige: Am Ende ist allen buchstäblich alles über den Kopf gewachsen.
Das muss kein Problem sein, solange man sich in guter Gesellschaft befindet. Und weil die Figuren zwar ihre Fehler haben, aber durchaus Verstand, wissen sie alle, wie sehr sie auf die anderen angewiesen sind. Bis auf Figaro, er verpasst den Abzug der anderen und findet sich bald erneut allein auf der Bühne. Wieder reißt er sich entsetzt die Hände vors Gesicht – für den auf sich allein gestellten Menschen ist dieser Raum tatsächlich zu ungeheuer.
Großer Beifall in der zweiten Aufführung.
Info: Nächste Termine am 4., 7., 10. November, zu sehen auch bei den Münchner Opernfestspielen am 15. und 17. Juli.