Bayreuther Gemeinden bekommen weiter Anfragen Kirchenasyl: Gemeinden weiter gefragt

Von Katharina Wojczenko
Sicher hinter Kirchentüren. Symbolbild: Andreas Harbach Foto: red

Es ist der letzte Strohhalm für Flüchtlinge vor der Abschiebung: Kirchenasyl. Auch wenn deutlich weniger Flüchtlinge als vor einem Jahr nach Bayreuth kommen, sagen Pfarrer: Wir bekommen fast wöchentlich Anfragen.

 
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Der Bayreuther Pfarrer will anonym bleiben. Um den Mann zu schützen, der fast fünf Monate in der Obhut seiner Gemeinde war, der in einem Raum im Gemeindehaus schlief, aß, lebte, im Garten spazierte. Um seine Gemeinde zu schützen, die ihn in dieser Zeit versorgt hat.

Sie war auf den guten Willen der Behörden angewiesen, die den Flüchtling jederzeit hätten holen können. Seit April hat der Pfarrer schon wieder Anfragen bekommen.

"Wird der Einzelfall geprüft, haben fast alle Chancen auf Bleiberecht"

"Es besteht kein Rechtsanspruch auf Kirchenasyl, das ist ein geduldeter Freiraum, in dem die Behörden von ihrem Recht auf Abschiebung absehen", sagt der Pfarrer. Und er sagt auch: "Wenn der Einzelfall geprüft wird, haben fast alle Chancen auf ein Bleiberecht". Aber das ist bei den Mengen von Flüchtlingen kaum möglich.

Dann sollen zum Beispiel Menschen abgeschoben werden, die in ihrem Heimatland nicht ausreichend medizinisch versorgt werden können. "Das geht doch nicht", sagt der Pfarrer.

Familie war schon mit gepackten Koffern im Gemeindehaus

Seit 2014 hatte seine Gemeinde über Helferkreise immer wieder Anfragen bekommen. Einmal hat die Härtefallkommission des bayerischen Innenministeriums am Tag, an dem eine Familie schon mit all ihrem Gepäck im Gemeindehaus war, gerade noch entschieden, die Abschiebung auszusetzen.

Mitte November war das anders. Da wurde es zum ersten Mal seit Jahren ernst. Da nahm die Gemeinde den Mann aus Ostafrika auf. Er hatte einen Brief bekommen, in dem stand, dass er das Land verlassen musste, den man ihm falsch übersetzt hatte. "Er war seit Sommer in Bayreuth als Flüchtling registriert, wohnte in der Gemeinschaftsunterkunft der Regierung", sagt der Pfarrer. Aber er war über Italien nach Europa eingereist.

Der Mann war krank und sollte nach Italien zurück

Nach dem Dublin-Abkommen wäre deshalb Italien für ihn zuständig, "ein Land, das bei der Aufgabe, Flüchtlinge aufzunehmen, vollkommen untergeht", wie der Pfarrer sagt. Ist ein Flüchtling sechs Monate nach der Registrierung immer noch in Deutschland, darf er hier sein Asylverfahren beginnen. Deshalb bot die Gemeinde das Kirchenasyl an. Aus den geplanten zweieinhalb Monaten wurden am Ende fast sechs.

Dabei war eine der Bedingungen gewesen, dass das Ende absehbar sein sollte. Das hatten der Pfarrer und die Mitglieder der Gemeindeleitung zuvor ausgemacht. "Man übernimmt Verantwortung für diesen Menschen und ist ständig in Gefahr, sich zu übernehmen. Ohne Rückhalt aus der Gemeinde geht es nicht. Der ist bei uns stark."

Viele Helfer, doch nach außen drang nichts

Die Gemeindemitglieder verteilten die Aufgaben untereinander. Ein Klappbett, einen Fernseher und DVD-Player für den Raum organisierten sie. Einer nahm die Wäsche des Mannes mit, einer kaufte zwei Mal die Woche ein, eine Frau gab ihm zwei Mal pro Woche Deutschunterricht, ein Arzt kümmerte sich um die Gesundheit

In der kleinen Gemeinde wusste bald jeder, dass ein "Gast" im Gemeindehaus wohnte. Irgendwann schrieb der Pfarrer das sogar ins Gemeindeblatt. Nach außen drang es nicht. "Wir haben lernen müssen, Distanz zu halten und die Privatsphäre zu achten", sagt eine Frau, die sich im Helferkreis engagiert. Nicht zu fragen, was ihr Flüchtling erlebt hat. Nicht einfach in das Zimmer zu gehen, sondern ihm diesen Rückzugsraum zu lassen. 

Kurios: Nur das Einwohnermeldeamt meldete sich

"Von den Behörden haben wir in der ganzen Zeit nichts gehört", sagt der Pfarrer. Der Stadt und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hatte er mitgeteilt, dass der Mann im Kirchenasyl ist. Gemeldet hat sich daraufhin nur das Einwohnermeldeamt - damit der Mann persönlich erscheine, um seine Ummeldung zu unterschreiben. "Ich habe dem Mitarbeiter erklärt, dass er dazu schlecht ins Rathaus kommen kann", sagt der Pfarrer. "Darauf kam er zu uns."

Einmal wurde der Mann so krank, dass er ins Krankenhaus zur Untersuchung musste. Raus aus dem geschützten Raum, immer in der Angst, aufgegriffen zu werden. In normalen Fällen brauchen Flüchtlinge einen Schein vom Sozialamt für den Arztbesuch. "Wir haben noch keine Rechnung vom Klinikum bekommen", sagt der Pfarrer. Das seien alles Dinge, an die man beim Kirchenasyl denken müsse.

Anfragen auch aus anderen Regierungsbezirken

Das sind Situationen, mit denen sich sein Kollege, der ebenfalls anonym bleiben will, derzeit überfordert sieht. Allein seit Mitte April hat er mehrere Anfragen für Kirchenasyl bekommen, teils aus anderen Regierungsbezirken. "Wenn bekannt wird, dass man dem Thema grundsätzlich offen gegenüber steht, bekommt man auch von weiter her Anfragen", sagt er.

Den Sinn sieht auch er: Oft würden Anträge nicht abgelehnt, weil der Flüchtling kein Anrecht auf Asyl hätte, sondern weil Unterlagen zu spät in Behörden ankämen. Auch er hat mit seinen Gemeindevertretern gesprochen, sie haben sich den Kirchenasyl-Spezialisten der Landeskirche eingeladen. Und am Ende entschied die Gemeinde, dass sie derzeit weder genug Befürworter noch geeignete Räume hat.

Der Mann, der im Bayreuther Kirchenasyl war, lebt heute wieder in der Gemeinschaftsunterkunft der Regierung. Mitte April kam der entscheidende Brief, dass er sein Asylverfahren nun in Deutschland beginnen darf. Zwei Stunden später war er weg. Manchmal besucht er die Gemeinde noch.

Hintergrund: So viele Kirchenasyle gibt es in Bayreuth

Im evangelischen Dekanatsbezirk Bayreuth gibt es aktuell drei Fälle von Kirchenasyl. Im Jahr 2015 waren es vier. Laut Dekan Hans Peetz sind es immer in etwa so viele Fälle, da es in den kirchlichen Räumen nur begrenzte Möglichkeiten gibt, Menschen unterzubringen. Zum Dekanatsbezirk Bayreuth gehören 26 Pfarreien mit 31 Kirchengemeinden. In den katholischen Gemeinden ist derzeit niemand im Kirchenasyl, sagt Pfarrer Bernhard Simon, Stellvertreter des Dekans.

Die Kirchen vor Ort sind die einzigen, die einen Überblick über die Kirchenasyle haben. Die Kirchen vor Ort sind die einzigen, die einen Überblick haben. „Es gibt weder bayern- noch deutschlandweit belastbare Zahlen“, sagt Juristin Bettina Nickel vom katholischen Büro Bayern, dem Bindeglied zwischen Staat und Kirche in Sachen Kirchenasyl.

Ein Grund ist, dass auch Freikirchen oder Synagogen Kirchenasyl gewährten, dies allerdings nicht der ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche meldeten. Selbst diese formuliert es so: "Wir wissen zurzeit von 284 Kirchenasylen mit mindestens 452 Personen, davon sind etwa 108 Kinder."

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