KHG-Pfarrer Thomas Ries geht in Rente

Von Katharina Fink
Ein Mann, der ins Gelingen verliebt ist: Mit dem Ende des Kirchenjahrs geht Thomas Ries in Ruhestand. Foto: Anne Müller Foto: red

Ein schwarzes Schaf bevorzugt hinter der Bühne: Thomas Ries, Theatermann und Seelsorger, geht in den Ruhestand. Und damit einer, der aus Offenheit Kultur machte. Und mit der Kultur die Stadt für andere öffnete. Ein Portrait.

 
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Das Bild, das sich beim Eintritt in die Katholische Hochschulgemeinde bietet, fasst viel von dem, was Thomas Ries am Emil-Warburg-Weg geschaffen hat. Man kann sagen, es ähnelt einer Theater-Szene, die er aufgebaut hat, als Hintergrund, vor dem etwas entstehen wird. Die Türen stehen offen, von draußen dringen Stimmen von Studierenden herein, aus dem Saal hört man die Klänge einer Gitarre. Der Aufsteller im Eingangsbereich hält Zeitschriften, der „Rolling Stone“ steckt neben dem Fußballmagazin „Elf Freunde“. Thomas Ries mag Vielfalt.

Hinter den Kulissen, selten im Rampenlicht

Er ist Hochschulseelsorger, Pastoralreferent, Radio-DJ, Fußballfan, Reisender. Aber auch Musiker und Theatermann. Einer, der in der Welt zu Hause ist. Und immer etwas zu tun hat. Aus dem Saal ruft er: „Bin gleich da, wir proben noch.“

Ries ist Mentor für viele Projekte, auch für die Schwarzen Schafe. Er steht selten selbst im Rampenlicht. Aber keine Regel ohne Ausnahme: Bei der letzten Aufführung von "Stolz und Vorurteil" stand er sogar selbst auf der Bühne, zur Überraschung der Schauspieler: als Priester. Wie Offenheit Kultur bedingt und umgekehrt, so sehr, dass die beiden Begriffe eigentlich eins werden müssten: In der KHG unter Ries’ Regie kann man das sehen.

Ouzo und Performance

Es sind bewegende Zeiten für Thomas Ries. In einigen Wochen, zu Beginn des neuen Kirchenjahres, löst ihn seine Nachfolgerin als Leiter der KHG ab, Ries geht in den Ruhestand. Und er nimmt jeden dieser an Abschieden und neuen Begegnungen reichen Tage im Bewusstsein ihrer Besonderheit an. „Geschenke sind das“, sagt er. Ries macht was draus. Einen Tag in der Woche, erzählt er und lacht, sitze er bei den Studierenden in der Herbstsonne. Er liebt Griechenland seit seinen ersten Reisen in den 1970ern, und so steht dann eine Flasche Ouzo vor ihm. An der hängt ein Zettel. „Was machst Du so?“ steht drauf geschrieben Eine Frage, die eine Reaktion herausfordert. Andere nennten das Performance.

Dienst an der Seele

Für Thomas Ries ist es einfach: den Tag als Geschenk nehmen, das Gespräch suchen, offene Ohren haben für die Probleme, Träume, Ideen und Zweifel der Menschen um ihn herum. Diese Haltung trägt auch zu der Wärme bei, die er und seine Arbeit ausstrahlen.

Jahrzehntelang hat er in den verschiedensten Situationen für die Seelen gesorgt, im Gefängnis, an der Uni, überall dort, wo er gebraucht wurde. „Nie mit Sprechstunden“, sagt er. Denn die Seele funktioniert nun mal nicht nach Plan. Und wenn es nicht mehr weiterzugehen scheint, ist er da. Sein Tag in der KHG beginnt um 7 und endet nicht selten nach Mitternacht. Das ist seine Tätigkeit für ihn vor allem: Da sein. Offene Türen. Gerade für die, die nicht wissen, wohin. „Ich komme vom Rand“, sagt er. Da gehöre er hin, da gehöre die Kirche hin und da ziehe es ihn hin. Aus der Randlage am Campus hat er mit seinem Team etwas geschaffen, was einzigartig ist in der deutschen Hochschullandschaft, wie sie heute sein soll, nach dem Bologna-Abkommen, das aus Bildung abzuleistende Stundenpläne macht und Einsparmaßnahmen „Synergieeffekte“ nennt.

Forum für Diskussionen

In der KHG wird alles diskutiert: Hochschulpolitik, Radikalismus, Drogen, Freikirchen. Alle Themen, die brennen, alle Probleme und Chancen, streng überkonfessionell und im Sinne eines vielstimmigen Gesprächs, bei dem es auch knallen kann. In diesen Diskussionen können Begriffe wie Utopie, soziale Gerechtigkeit oder Freiheit fallen. Thomas Ries nimmt die großen, alten Worte in den Mund, für die gerade nur in der Kunst oder auf nostalgischen Veranstaltungen Platz scheint. Er macht das ohne Sozialromantik, sondern mit Auftrag. Die Kirche muss in dieser Welt sein, davon war und ist er überzeugt:„Die Welt ist doch bunt, schaut Euch nur um.“ In seiner Bamberger Zeit als wäre er fast mal Stadtrat für die Grünen geworden. Und neulich erst, erzählt er, habe er sich mit der AfD auf dem Bayreuther Stadtparkett angelegt.

Spaghetti und Theater

Die politischen Entwicklungen machen ihm zu schaffen. Umso wichtiger sei es, Foren der Begegnung zu schaffen. Wie das Theater. Oder wie seine Dienstagsreihe, die Gottesdienste, die Spaghetti-Essen, die Filmabende. Ries ist ein begnadeter Gastgeber. Das machte auch eines seiner jüngsten Projekt zu einem erfolgreichen. Mit der Theatergruppe „Schwarze Schafe“, die mit ihren Inszenierungen zum Theaterleben an Campus und in der Stadt beitrug, startete Ries ein Programm für Menschen, die neu in Bayreuth ankommen, sie spielen mit, inszenieren. Sind einfach da. „Tischlein, deck Dich“, heißt eine weitere Runde, die Ankommende einlädt.

Als Fan feiert er auch die Passion

Die Entpolitisierung der Universität, die Unsicherheit vieler, die Unentschlossenheit, die Fokussierung auf den Lebenslauf: Das alles macht ihm Sorgen. Aber die nicht sofort zu gewinnenden Kämpfe trägt er mit dem Langmut des bekennenden, nicht zu bekehrenden Eintracht-Frankfurt-Fans. Eines Mannes also, der Leiden gewohnt ist. „Wir feiern eben auch die Passion“, sagt er und lacht. Ernst Bloch nannte eine hoffnungsbetonte Haltung „ins Gelingen verliebt sein“, und das trifft Thomas Ries vielleicht sehr gut. Weil er genau das ist: ins Gelingen verliebt.

Ries weiß schon, wonach sein Finale klingen soll. Auf seinem Abschiedsfest spielte er „Days“ von The Kinks, ein Lied, das sicher auch mal in seiner Radiosendung „Rocking Church“ lief. „We won’t forget a single day, believe us“ – diese Zeile werden viele unterschreiben. Übrigens sicher auch für die Tage nach seinem Eintritt in den Ruhestand.