Untreueverfahren: Aus Haft geschmuggelte Legende erschüttert Glaubwürdigkeit des Hauptangeklagten Kassiber mit Sprengwirkung im NKD-Prozess

Von Manfred Scherer
Bindlach, NKD, Firmensitz, Verwaltung,Foto: Ritter Foto: red

Der 29. Prozesstag im NKD-Prozess war für Staatsanwalt Uwe Demuth ein Triumph. Demuths schärfste Waffe hat nach fünf Monaten Wartens endlich gezündet. Die Waffe hat Krause ihm selbst geliefert – ein aus dem Gefängnis geschmuggelter Kassiber. Demuth sagt über den  wegen schwerer Untreue angeklagten ehemaligen NKD-Chef Michael Krause: „Er hat ein Lügengebäude aufgebaut und versucht sich als Unschuldslamm darzustellen.“

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Den Kassiber – viele eng beschriebene Seiten – hatte die Staatsanwaltschaft bei ihren Finanzermittlungen im Fall NKD beschlagnahmt. Auf der Suche nach den 3,7 Millionen Euro, die laut Anklage durch Krause und seinen damaligen Prokuristen Uwe K. veruntreut worden sein sollen, hatte die Hofer Staatsanwaltschaft die Büros eines Mannes durchsuchen lassen. Der soll mit dem Endempfänger der 3,7 Millionen, einer zypriotischen Beratungsfirma namens Zarando, in Verbindung stehen.

Schon zu Prozessbeginn vor fünf Monaten hatten die Staatsanwälte Uwe Demuth und Peter Glocker beantragt, den Inhalt des Kassibers zu verlesen – doch die 3. Strafkammer stellte dies zurück. Bis zum gestrigen Mittwoch. Der Inhalt des in Teilen verlesenen Kassibers deutet darauf hin, dass Krause – der unternehmerische Überflieger, der ehemalige Manager der Jahres – sich im Untreueprozess seine Unschuld mit 80 000 Euro erkaufen wollte. Das Geld sollte an Zeugen gehen, die eine von Krause gestrickte Legende stützen sollten.

Im Zentrum von Krauses Legende steht der mitangeklagte Prokurist Uwe K. er sollte demnach die Verantwortung für die Zahlung der 3,7 Millionen übernehmen. Er sollte bekunden, Krause sei lange nicht in den angeblichen Ankauf von Geheiminformationen über Herstellerpreise und -kosten eingeweiht gewesen. Uwe K. sollte eine genaue Geschichte an die Hand gegeben werden, wie er über Kuriere und konspirative Treffen und via Internet die Informationen erhalten und sie an die Beschaffung in der NKD weitergegeben haben soll. In einer „Checkliste“ steht in dem Kassiber neben dem ersten Kurier die Summe von 5000 Euro, neben dem zweiten Kurier ebenfalls. 5000 Euro steht zudem neben dem Punkt „Überarbeitung der Aussage“ des Uwe K. durch „Anwalt B.“ Krauses Hauptverteidiger Volker Beermann hatte sich vor Verlesen des Kassiberinhalts übrigens verabschiedet. So mussten sich die übrigen Verteidiger Marc Wandt und Tobias Liebau anhören, dass laut Kassiber prozessrelevante Unterlagen von „einem neutralen Anwalt“ überarbeitet werden sollten. Und sie mussten sich anhören, dass Krauses Kassiber ein Gesamtbudget für die Legende beinhaltete, hälftig aufgeteilt. 40 000 Euro sollten von einem M.J. kommen. Das sind die Initialen des Namens von Krauses Jugendfreund, der hinter der Beratungsfirma Zarando stecken soll. Wandt und Liebau blieb nur, als zu erklären, dass sie einer Verwertung des Kassiberinhalts widersprechen.

Auch für den mitangeklagten Uwe K. war der 29. Prozesstag ein guter Tag. Seine Anwälte Andreas von Dahlen und Johannes Zimmermann stellten fest, dass eine in dem Kassiber geschriebene Notiz ihren Mandanten entlaste: Krause schreibt dort, dass die Motivation von Uwe K. „sehr fein abgestimmt werden muss“. Anwalt Zimmermann: „Unser Mandant ist wegen Mittäterschaft angeklagt. Einem Mittäter muss man seine Motivation nicht erklären.“

Die von Krause gestrickte Legende wurde nicht umgesetzt. Uwe K. machte nicht mit. In seiner Einlassung im Prozess verwendete Krause den Kern der Legende aus dem Kassiber – nur tauschte er die Rollen: Jetzt war er es, der Kontakt zu denjenigen gehabt haben will, die die wertvollen Geheiminformationen übermittelten. Die Glaubwürdigkeit seiner Geschichte vom letzten Strohhalm Industriespionage und Bestechung, um an firmenrettende Preisnachlässe zu kommen, scheint durch den Inhalt des Kassibers zumindest anzuzweifeln – ein Staatsanwalt würde sagen: Er ist der Lüge überführt. Wie die Verteidiger Krauses zur Checkliste bewerten, steht noch aus. Zu Prozessbeginn hatte Krauses Hauptverteidiger Beermann zu dem schon damals zur Sprache gebrachten Kassiber erklärt: „Krause schmort in der U-Haft. Es war wohl ein Akt der Verzweiflung.“ Sein Mandant habe sich da etwas zusammengesponnen, was nicht der Realität entspreche.

Staatsanwalt Demuth jedenfalls sieht in der Existenz des Kassibers einen gewichtigen Haftgrund: „Meiner Meinung nach ist Verdunkelungsgefahr gegeben.“

Der Prozess wird fortgesetzt.

Bilder