Kartenrunde in Not

Von Michael Weiser
Das Sparschwein muss sterben für die große Fahrt in die große Stadt: Szene aus der neuen Produktion der Studiobühne. Foto: Ronald Kropf Foto: red

Ein französischer Klassiker des Boulevards an der Studiobühne in Bayreuth: In Eugène Labiches Komödie „Das Sparschwein“ lässt Regisseur Dominik Kern eine Runde Provinzler in die Metropole Paris reisen – und einen Albtraum erleben, aus dem nur die Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln rettet.

 
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Der Nachteil: Die aufregenden Zeiten, in denen die meisten Stücke Eugéne Labiches spielen, sind schon wirklich sehr lange her. Europa schien seinerzeit gerade zur Ruhe gekommen zu sein, noch war nicht ausgemacht, dass östlich der Grenze ein gefährlicher Nachbar heranwachsen würde. Der erste Napoleon war eine ferne Erinnerung, der Dritte des Namens noch ein halbwegs vielversprechender Herrscher,  Bismarck vorerst nur ein Name, Paris sprengte seinen alten Festungsgürtel, machte Boulevards aus Bollwerken und wurde zur Hauptstadt der Welt.

Der Vorteil: Die Stücke sind trotz ihres Alters von gut 150 Jahren mitunter brandaktuell. Labiche schrieb über geldiges Pariser Großbürgertum ebenso gut wie über beschränkte Provinzhonoratioren. Seine Personen bewegen sich in einer Zeit, die der Gegenwart frappierend ähnlich. Noch ist alles halbwegs gut, aber die Zeitläufte haben Tempo aufgenommen. Und die Zukunft ist äußerst ungewiss.  Labiche, so kann man es auch sagen, ist der Portraitist der verunsicherten Mittelklasse.

Topaktuelle Stücke

Diese Aktualität ist ein Grund, warum sich zumindest zwei, drei Stücke Labiches noch immer auf den Spielplänen auch deutscher Theater finden. An der Studiobühne steht am Samstag, 4. März, die Premiere des „Sparschweins“ an. Regie führt Dominik Kern, der diesen Klassiker so zusammengefasst: „Es geht ums aufgeplusterte Bürgertum, das bald auf die Schnauze fallen wird.“

Die Geschichte: Ein paar Kartenbrüder aus der Provinz, genauer: aus einem Dorf westlich Paris‘, haben sich vorgenommen, ihre Spielkasse bei einem Ausflug in die Hauptstadt auf den Kopf zu hauen.  Doch die Fahrt wird zum Fiasko. Die Mannen aus La-Ferté-sous-Jouarre fallen auf die Nase, werden geleimt, schließlich gar in ein Verbrechen verwickelt, kommen in Untersuchungshaft und müssen auf einer der vielen Baustellen des neuen Paris nächtigen. Dann endlich bringt ein Nachzügler Aufklärung …

Unterhaltung mit Tempo und Anspruch

Für Kern ist das „Sparschwein“ das „Vorzeige-Vaudeville-Stück“. Vaudeville, das ist temporeiches, körperbetontes Unterhaltungstheater mit Musik, das durchaus Anspruch haben darf. Gerade Labiche war ein Meister darin, der Gesellschaft elegant den Spiegel vorzuhalten. Solcher Stoff mischt Theaterspielpläne bestens auf, in München ebenso wie in Wien ist Vaudeville zu erleben, oder auch in Bamberg, wo das „Sparschwein“ derzeit ebenfalls zu erleben ist. Kern hat sich diese Inszenierung nicht angesehen, schon um nicht zu sehen, was er garantiert nicht machen darf, um als Nachahmer dazustehen. „So laufe ich nicht Gefahr, befangen zu sein“, sagt er. „Ansonsten klebt man ja doch im Kopf immer wieder an den Sachen, die man gesehen hat. Das Rad kann man ohnehin nicht dauernd neu erfinden.“

Womit er zufrieden wäre: „Wenn die Leistung der Schauspieler besonders zur Geltung käme. Diese Vaudeville-Stücke sind Kraftakte und Meisterleistungen des Multitaskin. Man muss sprechen, etwas machen,und das bei hohem Tempo, diese Figuren sind sowohl äußerlich als auch psychologisch gearbeitet.  Wenn die Zuschauer das wertschätzen – das würde mich sehr freuen.“

INFO: Eugène Labiche, „Das Sparschwein“, übersetzt von Botho Strauß, mit Musik von Jaques Offenbach; Premiere am Samstag, 4. März, 20 Uhr, weitere Termine 11., 17., 18.,24. März 1., 7., 8., 13., 15., 22. April jeweils um 20 Uhr; 12., 26. März und 2. April jeweils um 17 Uhr

 

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