Kanzlerduell - Kein Journalistenwettstreit

Von
Claus Strunz ist einer von vier Moderatoren des Kanzlerduells. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Er ist einer der einflussreichsten Medienschaffenden, er hat beim "Nordbayerischen Kurier" sein Handwerk gelernt und er ist einer von vier Journalisten, die am Sonntag (3. September) das Kanzlerduell moderieren werden: Claus Strunz (50). Und obwohl er schon viele Politik-Größen vor der Kamera hatte, ist er „angespannt“ wegen der Aufgabe, wie er im Kurier-Interview verrät. Und er erklärt, welche Rolle im Duell die Moderatoren spielen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Herr Strunz, warum sind Sie angespannt?

Claus Strunz: Es ist eine besondere Situation, dass sich Merkel und Schulz innerhalb von 90 Minuten zum ersten Mal in diesem Wahlkampf ineinander verhakeln werden. So dass die vielen Millionen Leute – beim letzten Mal waren es knapp 20 Millionen – sich an dem Abend noch mal ein Bild machen können von der Kanzlerin. Ob sie sie richtig sehen.

Und Martin Schulz?

Strunz: Die Zuschauer werden Martin Schulz zum ersten Mal richtig kennenlernen. Einer breiten Öffentlichkeit ist er nur indirekt bekannt. Durch das Buch von Manfred Otzelberger, durch Medienberichte und durch Talk-Shows. Aber wie ist er in der unmittelbaren Auseinandersetzung mit der Frau, die er stürzen will? Das wird man erstmals sehen können.

Aber auch umgekehrt. Denn auch er hat sich noch nicht richtig auf ein Duell eingelassen.

Strunz: Ja, aber man muss sportlich denken. Wie beim Boxkampf ist Angela Merkel die Weltmeisterin, und sie muss nicht angreifen. Martin Schulz muss angreifen, er muss sie mit Argumenten k.o. schlagen. Er muss ein Thema finden, bei dem er sie einmal in der Ecke hat und seine Punkte macht.

Die Moderatoren müssen diese Themen eigentlich schon wissen.

Strunz: Es wird sehr spannend sein, die Themen vorauszudenken und die beiden in Situationen zu bringen, bei der eine echte Konfrontation möglich ist. Es gibt ja viele Politikfelder, wo man sie kaum unterscheiden kann.

Welche Themenfelder werden Sie abdecken?

Strunz: Das steht noch endgültig nicht fest. Bei einer Live-Sendung ist das auch aktuellen Fragestellungen unterworfen. Und entsprechend können sich alle Pläne plötzlich ändern, wenn ein Thema noch mal groß wird bis zum Duell.

Aber grundsätzlich geht es um …

Strunz: … die Themen, die die Menschen am meisten bewegen: Wie gehen sie mit der großen Migrationsbewegung um, welche Konzepte haben die beiden zur Inneren Sicherheit? Was treibt sie um, und wofür stehen sie in Sachen sozialer Gerechtigkeit?

Also doch eine normale Talk-Show?

Strunz: Wir werden das anders machen als in einer normalen Talk-Show. Und anders als ich es am Mittwoch in meiner Talk-Arena mit Christian Lindner (FDP), Katja Kipping (Die Linke), Alice Weidel (AfD) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) gemacht habe. Da habe ich mich an den drängendsten Fragen der Deutschen orientiert, die ein Meinungsforschungsinstitut für uns ermittelt hatte.

Merkel zu interviewen ist recht schwer, weil sie nicht aus der Reserve zu locken ist.

Strunz: Das stimmt. Es lohnt sich aber daran zu erinnern, dass die Veranstaltung kein Journalistensängerwettstreit ist. Es geht nicht darum, wer die klügsten Fragen stellt. Sondern die Dienstleistung von uns vieren ist, die Sollbruchstellen zwischen den beiden Duellanten deutlich zu machen, auf die Unterschiede in ihrer Politik hinzuweisen und sie darüber diskutieren zu lassen. Oder Stärken und Schwächen bei gewissen Themenfeldern zu zeigen.

Eigentlich selbstverständlich für Journalisten.

Strunz: Unser Job ist es jedenfalls nicht, uns tagelang damit zu befassen, wie wir am besten aussehen, sondern wir sehen dann am besten aus, wenn die beiden eine Kontroverse führen, bei der man sehen und hören kann, wofür sie stehen und seine Wahlentscheidung danach ausrichten kann. Gerade die Unentschiedenen können sich dadurch noch einmal Impulse holen.

Ist die Auseinandersetzung der Menschen nicht schon auf Talk-Shows reduziert? Befähigt das die Zuschauer, selbst kleine Unterschiede bei Politikern zuerkennen?

Strunz: Ich glaube, die Menschen sind viel fähiger, die Leistungen von Politikern zu beurteilen, als wir Journalisten immer denken. Die Leute haben ein sehr gutes Gespür, Dinge zu verstehen. Und es ist auch der Job der Politiker, ihre Politik so zu präsentieren, dass die, die sie wählen sollen, es verstehen können. Das ist die große Herausforderung.

Bei der wir Journalisten wichtig werden.

Strunz: Da kann man als Journalist unterstützend eingreifen. Es gehört zur Aufgabe von uns vier Moderatoren zu übersetzen, was Merkel und Schulz sagen.

Merkel oder Schulz, wer ist Ihnen lieber?

Strunz: Darum geht es nicht. Für mich sind beide an diesem Abend gleich wichtig.

Wer hat die größere Chance?

Strunz: Der Angreifer - wenn er wirklich angreift! Von Martin Schulz haben die Bürger noch kein so genaues Bild wie von Angela Merkel. Hinzu kommt: Die SPD steht selten schlecht da, er hat also nichts mehr zu verlieren. Wenn er positiv überrascht, weil er die Fehler der Kanzlerin klar benennt und wirkliche Alternativen aufzeigt, kann er Boden gut machen. Aber eine Attacke ist auch riskant: wirkt schnell unsympathisch, aufgeregt, rüpelig. Jedenfalls ist es für Schulz der wichtigste Tag seiner Karriere. Für Merkel ist es nur ein weiteres Duell.

Hat Schulz nicht Fehler gemacht im Wahlkampf? Er hat doch keine Themen besetzt.

Strunz: Natürlich hat er Themen besetzt, aber anschließend hat Merkel sie – wie so oft - zu ihren gemacht. Die Ehe für alle war das große SPD-Thema und die eine Schlagzeile. Wenig später hat Merkel gesagt, dass sie Ehe für alle auch ok findet.

Und der Vorschlag von Schulz, die Maut wieder abzuschaffen, wenn er an die Macht kommt?

Strunz: Ich habe nicht das Gefühl, dass Deutschland darüber spricht.

Falsches Thema?

Strunz: Entscheidend ist doch, dass es ihm wichtig ist. Vielleicht hat er beim Duell seine letzte Chance, darauf noch einmal einzugehen und das Thema in den Fokus zu rücken. Es ist für ihn jedenfalls der wichtigste Termin seiner Karriere.

Ist Schulz chancenlos?

Strunz: Der Wahlkampf von Schulz ist in der Klemme der großen Koalition. Über vier Jahre regieren die beiden Parteien gemeinsam, und jetzt soll er plötzlich erklären, was der Koalitions-Partner alles falsch gemacht hat. Das ist schon kompliziert. Deswegen glaub ich auch, dass die große Koalition kein Modell für die Zukunft ist. Erst recht nicht für die Sozialdemokratie als Juniorpartner. An der Seite einer großen starken CDU wird sie immer weiter schrumpfen und gar keine Themen mehr besetzt bekommen.

Dann wäre die Opposition das Ziel?

Strunz: Das ist nun auch keine wirkliche Gewinnerstrategie im Wahlkampf, oder?

Sie geben diesem Duell eine riesige Bedeutung.

Strunz: Ja. Wenn die beiden vor Millionen von TV-Zuschauern wirklich um das Kanzleramt – und um Inhalte – streiten, ist es das herausragende Ereignis des Wahlkampfes.

Was ist die Rolle der Journalisten? Gibt das Macht?

Strunz: Macht ist die Kategorie für die beiden anderen. Ich empfinde mich eher als Dienstleister. Wir Journalisten arbeiten heraus, was die beiden unterscheidet.

Also keine „Bevormunder“?

Strunz: Genau! Wir sind Bürger-Anwälte, die Politiker befragen. Ich finde, das ist eine große Verantwortung. Und wir dürfen das Vertrauen der Menschen in unsere Arbeit, das brüchig geworden ist, auf keinen Fall enttäuschen.

Was wollen Sie selbst von den beiden erfahren?

Strunz: Ich habe bis heute nicht verstanden, wie Angela Merkel und auch Martin Schulz mit dem Thema umgehen wollen, dass weitere Millionen Menschen auf der Welt nach Europa und nach Deutschland kommen wollen. Da will ich gerne wissen, wie er oder sie das sieht.

Das Kanzlerduell

Das Kanzlerduell findet am Sonntag, 3. September, ab 20.15 Uhr in vier Sendern gleichzeitig statt. Es wird ausgestrahlt auf ARD, ZDF, RTL und Sat1.

Autor