Kann Fachwerk das Gassenviertel aufwerten?

Von Norbert Heimbeck

Er möchte „nur ein wenig Farbe ins Herz der Stadt“ bringen. Norbert Hübsch, seit knapp drei Jahrzehnten Geschäftsführer des Historischen Vereins für Oberfranken, wünscht sich Fachwerkhäuser in der Innenstadt. Heimatpfleger Franz Simon Meyer dagegen sagt: „Fachwerk gehört nicht zur Geschichte Bayreuths.“ Spurensuche im Gassenviertel an der Stadtkirche.

 
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Romantisch? Oder Kitsch? Städte wie Rothenburg ob der Tauber oder Bad Wimpfen ziehen Touristen wegen ihres malerischen Stadtbildes an. Gar nicht wenige Bayreuther beneiden Bamberg um seine romantischen Gassen. Ausgerechnet im sogenannten Gassenviertel rund um die Stadtkirche stehen mehr als ein Dutzend Häuser leer, Fenster sind mit Brettern verrammelt, auf den Simsen türmt sich Taubenkot, der Putz blättert großflächig ab.

Bei einem Rundgang durch Kanzleistraße, Kämmerei- und Brautgasse sowie die Spitalgasse zeigt Norbert Hübsch eine Vielzahl von Häusern, deren Fachwerk hinter Putz oder Fassadenverkleidungen versteckt ist. Ein sicheres Zeichen dafür seien hölzerne Umrahmungen der Fenster, die aufgenagelt sind. Oft weise die Fassade am Übergang zwischen Erdgeschoss und erstem Stock einen deutlichen Knick auf: „Das ist ein Zeichen, dass das Obergeschoss in Fachwerkbauweise auf ein steinernes Erdgeschoss gesetzt wurde,“ sagt Hübsch.

Konstruktiv oder schmückend?

Zwischen vielen Häusern sind schmale Lücken, die mit Brettern verschlossen sind. Wer durch die Ritzen lugt, erkennt an den unverputzten Wänden: Fachwerk. Das sei „konstruktives Fachwerk“, heißt es beim Landesamt für Denkmalpflege und nicht als Fassadenschmuck zum Herzeigen gedacht. Dem widerspricht Hübsch, indem er etwa am Haus Spitalgasse Nr. 6 farbig bemalte Balkenreste zeigt. Außerdem: „Schaut man nach Hessen und Niedersachsen, nach Thüringen und sonst wohin, es begegnen uns dort ganze Innenstädte mit konstruktivem, sichtbarem Fachwerk.“

Er sei kein Dogmatiker, sagt Hübsch, der im Jahr 2000 mit der Bayerischen Denkmalschutzmedaille ausgezeichnet wurde. Aber: „Ich würde mir wünschen, dass gerade hier im historischen Herzen der Stadt, das im Erscheinungsbild noch wesentlich durch Spätmittelalter und frühe Neuzeit und nicht durch das Barock geprägt ist, man den Hauseigentümern zugesteht zu entscheiden, ob sie Fachwerk freilegen wollen oder nicht.“

Auf Spurensuche

Bei der teuren Sanierung des Wirtshauses „Eule“ sei viel Fachwerk freigelegt worden. „Aber dann hat man alles wieder verputzt. Dabei hätte das Gebäude ein Schmuckstück werden können.“ Gegenüber vom „Folie douce“ steht ein Haus, saubere Fassade, ordentlich verputzt. Hübsch: „An der Ecke dort sieht man einen geschnitzten Balkenkopf. Im Giebel erkennt man die Rauten des Fachwerks unter dem Verputz.“

Ein paar Schritte weiter, in der Kirchgasse sind in zwei Häusern neben der geschlossenen Bar „Albee’s“ Sanierungsarbeiten in vollem Gang. Gleich daneben: Mit Holzplatten verschlossene Fenster, Löcher im Putz, Graffiti-Schmierereien an der Fassade. Hübsch sagt: „Das Gebäude stammt aus der Zeit der Renaissance. Das zentrale Portal ist noch deutlich zu erkennen.“ Auch hier Anzeichen einer Holzkonstruktion unter dem Putz.

Stadtbrände von 1605 und 1621

Warum ist das Fachwerk eigentlich verschwunden? Franz Simon Meyer verweist auf die beiden großen Stadtbrände von 1605 und 1621: „Dabei ging der größte Teil des Gebäudebestands in der Innenstadt verloren. In der Folge hat der Markgraf den Bürgern Steuererleichterungen gewährt, wenn sie massiv gebaut haben. Der Abschied vom Fachwerk hatte also Brandschutzgründe.“ Ohnehin liege Bayreuth an einer Art Grenze: Im Fichtelgebirge gebe es so gut wie keine Orte mit Fachwerkhäusern, erst in der Fränkischen Schweiz seien sie öfter zu sehen, sagt der Stadtheimatpfleger.

Es gibt Fachwerk in Bayreuth

Trotz der Ablehnung der Fachwerksfreilegung durch das Denkmalamt sieht Norbert Hübsch gelungene Beispiele von sanierten Fachwerkhäusern in der Stadt: Etwa das Anwesen Kämmereigasse 1, ein anderes Gebäude in der Münzgasse und – das hebt er ganz besonders hervor – ein Anwesen, das im städtischen Besitz ist: Die Passage Max 48: „Schauen Sie nur hin, wie freundlich das aussieht. Die Gestaltung ist wirklich gelungen.“

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