Das sagt der Impfkritiker: Hans U.P. Tolzin, gelernter Organisationsprogrammierer aus Herrenberg, betreibt impfkritische Websites. Gegen Impfberatung habe er nichts einzuwenden, im Gegenteil, antwortet er auf Kurier-Anfrge, aber sie müssten ergebnisoffen sein. Das seien sie aber nicht, weil Ärzte mögliche Kontraindikationen zu wenig beachteten, behauptet Tolzin. Durch die Meldepflicht könne eine "regelrechte Spitzel- oder Blockwartmentalität" entstehen. Grundsätzlich fordert er eine sorgfältige Nutzen-Risiko-Abwägung beim Impfen.
Der Kinderarzt: Dr. Marco Wölfel ist Kinderarzt in Bayreuth und hat schon mehrfach mit Impfgegnern zu tun gehabt. Den Vorwurf, die Beratung sei nicht gründlich, weist er zurück. Nicht alle Impfgegner kann er von seiner Meinung überzeugen, dass Kindern alle Impfungen verabreicht werden sollten, die die Ständige Impfkommission empfiehlt, damit Krankenheiten gar nicht erst ausbrechen. Er führt die Impfskepsis auf falsche Informationen aus dem Internet zurück.
Zudem hätten viele Krankheiten in den letzten beiden Generationen ihre Schrecken verloren, weil man niemanden mehr kenne, der daran erkrankt sei. „Die Großelterngeneration weiß noch, was es bedeutet, wenn eine Masern- oder eine Grippeepidemie kommt“, sagt Wölfel. „Bei Masern gibt es schwere Komplikationen, die mitunter erst Jahre später auftreten und tödlich verlaufen können. Viele wissen gar nicht, wie gefährlich zum Beispiel Masern sind.“ Diese Krankheit könnte ausgerottet sein, sagt Wölfel. Vor gut einer Woche starb in Essen eine 37 Jahre alte Frau an Spätfolgen von Masern, die als Kind nur einmal geimpft worden war. Das entsprach den damaligen Empfehlungen. Derzeit gebe es in Bayreuth einen Mumps-Ausbruch.
Und was ist mit Impfpflicht? Eine Pflicht nicht nur zur Beratung, sondern zum Impfen ist gerade in Italien für zwölf Krankheiten eingeführt worden. Gesundheitsminister Gröhe lehnt diese für Deutschland bislang ab. Seine bayerische Amtskollegin Melanie Huml (CSU), eine gelernte Ärztin, sieht in einer Impfpflicht einen „erheblichen Eingriff in die Grundrechte des Kindes und das Sorgerecht der Eltern“. Bayern könnte aber eine Impfpflicht erlassen, wenn es zum Beispiel zu einer „extremen flächendeckenden Zunahme von Masernfällen“ kommen würde, erläuterte Huml dem Kurier. Wie sie selbst ihre Kinder impfen lässt? Keine Frage: Sie bekommen alle Impfungen, die von der Impfkommission empfohlen werden.
Info: Die Ständige Impfkommission des Robert-Koch-Instituts nennt in ihrem Impfkalender 14 Standardimpfungen: Tetanus, Diphtherie, Hepatitis B, Rotaviren, Meningokokken C, Mumps, Hib, Masern, Röteln, Pertussis, Poliomyelitis, Pneumokokken, Influenza, Varizellen und HPV.
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