Kammerpräsident ist selbst ein Studienaussteiger

Elmar Schatz
Thomas Zimmer, HWK-Präsident. Foto: Kolb Foto: red

Der Abbruch eines Studiums ist für Thomas Zimmer mitnichten ein Scheitern – Aufstiegschancen im Handwerk

 
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Für Oberfrankens Handwerkskammer-Präsident Thomas Zimmer ist es kein Scheitern, aus einem Studium auszusteigen. Er hat es selbst getan.

Herr Zimmer, ist es nicht Scheitern, wenn ein junger Mensch sein Studium abbricht?

Thomas Zimmer: Das sehe ich mitnichten so. Ich nenne mich – durchaus provokant – selbst als Beispiel; denn ich habe ein Studium an der Beamtenfachhochschule angefangen und später abgebrochen, um einen Handwerksberuf zu erlernen, freilich der Liebe wegen. Junge Leute müssen herausfinden, ob das Studium etwas für sie ist. Bevor ich ein Leben lang etwas mache, was mir keinen Spaß macht, ziehe ich lieber die Reißleine. Für mich ist das kein Scheitern.

Welche Aufstiegschancen bietet das Handwerk?

Zimmer: Nach der Gesellenprüfung ist natürlich die Meisterausbildung möglich. Andererseits kann ein Geselle mit dreijähriger Berufspraxis ein fachgebundenes Studium beginnen. Mit dem Meisterbrief habe ich sogar freie Studienwahl; ich könnte zum Beispiel auch Jura studieren. Mit Meisterbrief besteht ferner die Möglichkeit, Betriebswirt des Handwerks zu werden. Und was wir im Handwerk gerne hervorheben: Dass man sich selbstständig machen kann.

Also durchaus höhere Laufbahn?

Zimmer: Genau. Vergleichen wir den Qualifikationsrahmen zwischen der akademischen und der beruflichen Bildung, dann ist der Meister gleichgesetzt mit dem Bachelor. Die OECD verlangt von Deutschland mehr Akademiker, DIHK-Präsident Eric Schweitzer aber warnt vor „Akademisierung um jeden Preis".

Was ist richtig?

Zimmer: Gott sei Dank hat die OECD nun erstmals anerkannt, was wir im Bereich der beruflichen Bildung – der dualen Ausbildung – leisten. Damit wird unser Ausbildungssystem als „Best Practice" für Europa anerkannt. Für die OECD ist das ein Riesenschritt, den sie da gegangen ist. Deshalb bin ich genauso wie Schweitzer der Meinung, dass die „Akademisierung um jeden Preis" ein Fehler ist. Das ist auch die Meinung des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks. In England braucht zum Beispiel eine Krankenschwester ein Studium, bei uns nicht. Aber der Bildungsabschluss ist absolut identisch.

Wird der Weg der Kinder nicht zu früh programmiert?

Zimmer: Für mich fängt die Akademisierung eigentlich schon an, wenn Schülerinnen und Schüler in die Gymnasien hineingedrückt werden. Dann ist der Weg vorgezeichnet. So ging es mir in meiner Schulzeit. Ich war im Gymnasium. Da schaust du gar nicht, ob ein Beruf für dich interessant wäre. Wir müssen den jungen Leuten zeigen, welche Ausbildungen im Handwerk möglich sind, damit sie ein Gefühl dafür bekommen. Vergangene Woche hatte ich gemeinsam mit Hauptgeschäftsführer Thomas Koller ein Gespräch mit unserer Bildungsministerin Johanna Wanka in Berlin. Ich habe dabei angeregt, dass es am Gymnasium nicht nur einen akademischen Tag, sondern auch einen Berufsbildungstag geben sollte – damit die jungen Leute mal einen Tag lang etwas ausprobieren können in einem Handwerk. Die Ministerin war begeistert. Wir sind jetzt im Schriftwechsel miteinander. Ich hoffe, dass da jetzt eine neue Erkenntnis kommt.

Klingt „Studienabbrecher" nicht abwertend?

Zimmer: Der Begriff Studienabbrecher ist negativ besetzt. Deswegen haben wir beim Zentralverband des Deutschen Handwerks den Begriff Studienaussteiger gewählt.

Wie kommen Handwerk und Hochschulen noch enger zusammen?

Zimmer: Es bestehen bereits Modell-Beispiele der Kammern Unterfranken und Münster. Dort bemüht man sich zielgenau um Studienaussteiger – aus der Erkenntnis, dass diese jungen Menschen oft hohe Qualifikationen haben und prädestiniert sind, in einen Handwerksbetrieb als Führungskraft einzusteigen. Sie könnten vielleicht sogar diesen Betrieb übernehmen. Ein Abiturient kann in drei Jahren so weit sein – nach zwei Jahren die Gesellenprüfung und einem weiteren Jahr die Meisterprüfung machen. Braucht ein Betrieb jemanden mit betriebswirtschaftlichen Grundkenntnissen, dann könnte die junge Frau oder der junge Mann dorthin vermittelt werden.

Ein Modell auch für Oberfranken?

Zimmer: Wir sind derzeit in Kontakt mit der Universität Bayreuth und den anderen Hochschulen in Oberfranken. Wir können als Kammern beratend mithelfen. Nicht selten gehen junge Leute in ein Studium und wissen nicht, was sie später machen wollen. Da versuchen wir, als Vermittler mit tätig zu sein. Das ist ein wichtiges Zukunftsprojekt; denn wir reden von fast 30 Prozent der Studenten, die aus ihrem Studium aussteigen. Das ist ein Riesenpotenzial. Wir müssen alle gemeinsam etwas tun. Wir sind da – auch mit Universitätspräsident Stefan Leible – auf einem sehr, sehr guten Weg.

Das Gespräch führte Elmar Schatz.