Pilotprojekt des Landkreises in Creußen Junge Flüchtlinge fühlen sich zu Hause

Von
Der Landkreis Bayreuth hat ein Pilotprojekt in Creußen. Dort kümmert man sich um junge erwachsene Flüchtlinge. Das Foto zeigt Christina Will mit dem Flüchtling Kamran. Foto: Ralf Münch Foto: red

Kamran und Mamadou fühlen sich wohl, hier sind sie zu Hause. Stolz zeigen sie ihre Zimmer, erzählen von ihrem Leben. Die beiden 18-Jährigen Flüchtlinge leben in Creußen, betreut werden sie von Christina Will vom Jean-Paul-Verein.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Kamran ist seit anderthalb Jahren in Deutschland, seit August lebt er mit 13 anderen jungen Männern hier. Sein Asylverfahren läuft noch. Vormittags geht er nach Bayreuth in die 9. Klasse der Altstadtschule, will nächstes Jahr seinen Quali machen. „Ich mag die Schule, man lernt viel, die Zeit vergeht“, sagt er. Nächstes Jahr möchte er eine Ausbildung zum Kinderpfleger machen, an der Berufsschule seine Mittlere Reife, dann Erzieher werden. Auf jeden Fall etwas mit Menschen.

In der Fabrik gearbeitet

Vor fünf Jahren ist er aus Afghanistan geflohen, hat lange in der Türkei gelebt, dort geputzt und in einer Fabrik gearbeitet, erzählt er. Dann wollte er nach Deutschland, unterwegs wurde er mit 16 Jahren von der Polizei festgenommen. Die nächsten Stationen waren dann Bad Reichenhall und Bayreuth. Kamran ist alleine gekommen. Sein Vater und die drei Geschwister sind noch in der Heimat. Die Flucht kann und will er nicht vergessen. „Man kann nur in der Zukunft leben, wenn man die Vergangenheit nicht vergisst“, sagt er. Er hat schon Heimweh, zurück will er aber nicht. In Creußen hilft ihm Christina Will bei den Hausaufgaben. Mathe und Deutsch sind nicht so seins. In seiner Freizeit liest Kamran deutsche Kinderbücher und eines mit dem deutschen Grundwortschatz.

Mamalou kommt aus Westafrika, aus Guinea. Vergangenes Jahr war er auf der Flucht: Mali, Burkina, Nigeria, Libyen, Italien. Vor Sizilien war er mit vielen anderen auf einem Schiff angekommen, sie warteten auf Hilfe, der Kapitän wollte weiter. Der 18-Jährige ist sehr bewegt, als er sich an damals erinnert. Das Schiff war zu voll, es ist schließlich gekentert. 130 Leute sind ertrunken, der Kapitän auch. Mamalou wurde mit 42 anderen gerettet. Sein Weg ging danach weiter über Rosenheim, Bayreuth, Speichersdorf und jetzt Creußen.

Ausbildung zum Altenpflegehelfer

Der junge Erwachsene geht auf die Berufsschule II in Bayreuth in eine reine Flüchtlingsklasse. Im Sommer will er seinen Mittelschulabschluss machen und dann eine Ausbildung zum Altenpflegehelfer. Man lerne viel von den alten Menschen, Respekt vor allem. „Die Schule ist gut für den Kopf, man bekommt viele Ideen und Anregungen“, sagt er. Wer nicht in die Schule gehe, habe keinen Plan fürs Leben.

Kontakt hat er nach Hause nur zu seiner Tante über Whatsapp. Seine Mutter ist schon lange tot. Sein Vater war Oppositionspolitiker, wurde von der Militärregierung umgebracht. Auch Mamalou trägt Spuren von der grausamen Situation in seinem Heimatland. Mit einem Gewehrkolben wurde er am Auge verletzt, kann damit nichts mehr sehen. Zurück will er nicht mehr. „Ich habe hier viele gute Freunde, rede viel mit den Leuten“, erzählt der 18-Jährige.

Hilfe bei Behördengängen

Christina Will ist die Konstante in seinem Leben, sie war schon in seiner Bayreuther Unterkunft. Als er erfuhr, dass sie jetzt in Creußen ist, war alles für ihn in Ordnung. Will hat eigentlich Deutsch und Geschichte auf Lehramt studiert. Sie hat sich erst um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge gekümmert, seit dem Sommer betreut sie die jungen Erwachsenen in Creußen. Sie hilft ihnen bei der Anhörung, bei Behördengängen und Arztbesuchen, bei den Hausaufgaben, stellt Kontakte her. „Es ist spannend zu sehen, wie sich die 14 ganz unterschiedlichen jungen Männer so kurz nach der Pubertät entwickeln“, sagt sie. Sie haben einen guten Start in Deutschland gehabt, nun sei es toll, ihre Entwicklung zu beobachten. Sprachliche Probleme gibt es nicht, die meisten können Deutsch. Und Will hat ein Gespür dafür bekommen, Situationen einzuschätzen, auch wenn die Flüchtlinge in ihrer Muttersprache reden. Regina Skierlo organisiert vom Jean-Paul-Verein das ganze Projekt. „Es geht hier um junge Erwachsene, die keine Jugendbetreuung mehr brauchen, aber Unterstützungen“, erklärt sie. Aber sie müssen wissen, was sie wollen, sonst müssen sie in eine reguläre Gemeinschaftsunterkunft.

Und Skierlo ist begeistert von dem Haus, es vermittelt mit Wohnzimmern, Küchen, Bädern und den Wohnräumen ein Gefühl von Heimat. Es gehört Mehmet und seinem Schwager Abdullah. Die beiden Türken haben hier erst selber mit ihrer Familie gewohnt, jetzt sind sie nach Bayreuth gezogen. Mehmet ist jeden Tag da, schaut nach dem Rechten, ob es sauber oder was zu reparieren ist. Verkaufen wollte er das Haus nicht. „Für mich ist das die Rente“, erklärt er. Vielleicht kommt er mal wieder zurück. Solange stellt er es dem Landkreis als Unterkunftsgebäude zur Verfügung.

 

Über das Projekt

Das Pilotprojekt des Landkreises Bayreuth in Creußen läuft seit Februar dieses Jahres, sagt Anelia Sheljaskow vom Landratsamt. Es soll eine Hilfe für junge Volljährige sein. „Es ist im Vorfeld unklar, in welche Gemeinschaftsunterkunft unbegleitete Flüchtlinge hinkommen, wenn sie volljährig sind“, sagt sie. Das wollte man vermeiden. Die jungen Erwachsenen sollten nicht aus Schule, Berufsschule oder Deutschkursen herausgerissen werden, die sozialen Kontakte, die sie schon aufgebaut haben, bestehen bleiben. „Es war eine Idee des Landkreises, in Absprache mit Regierung und Ausländeramt, die ehemaligen unbegleiteten Jugendlichen in einer Asylbewerberunterkunft ambulant zu betreuen. Die 16 Flüchtlinge in Creußen kommen aus Unterkünften in Pegnitz und Betzenstein. Sie bleiben so lange, bis sie erst mal anerkannt sind beziehungsweise eine ambulante Betreuung nicht mehr notwendig ist, so Sheljakow. fe

Autor