Sie sind 33 Jahre jung, führen ein Unternehmen mit 3000 Beschäftigten. Last und Lust zugleich?
Zum 1. Juli hat Carletta Heinz (33), seit rund zwei Jahren Hauptgesellschafterin der Heinz-Glas & Plastics Group in Kleintettau, den Vorsitz der Geschäftsführung des Unternehmens mit über 3000 Mitarbeitern übernommen. Vater Carl-August Heinz steht noch mit Rat und Tat zur Seite.
Sie sind 33 Jahre jung, führen ein Unternehmen mit 3000 Beschäftigten. Last und Lust zugleich?
Carletta Heinz: Mit zwei Jahren saß ich das erste Mal auf dem Schoß von meinem Papa in seinem Büro und habe meine ersten Runden mit ihm durch unsere Produktion gedreht. Ich bin also schon seit 31 Jahren dabei und damit ein „alter Hase“. Was ich damit sagen will: Ich bin in das Unternehmen so natürlich und selbstverständlich immer eingebunden gewesen und hineingewachsen, dass die Aufgabe der Leitung unseres Unternehmens sich für mich einfach wie der natürliche next step anfühlt.
Keine Last?
Heinz: Eine Last empfinde ich dabei nicht. Vor allem, weil ich nicht alleine bin. Ich bin froh, dass wir wunderbare Menschen und Manager gefunden haben, die mich in der Geschäftsführung unterstützen und ich bin sehr dankbar, dass auch mein Papa noch dabei ist und mir mit Rat und Tat zur Seite steht.
Was haben Sie sich vorgenommen, welche Perspektiven sehen Sie für Heinz-Glas in den nächsten Jahren?
Heinz: An erster Stelle habe ich mir vorgenommen weiterzuführen, was mir übergeben wurde. Natürlich will ich aber auch eigene Ideen einbringen und neue Wege gehen. Die elf Generationen vor mir haben ein tolles Unternehmen aufgebaut, in dem viel Herzblut, Engagement, Können, Fleiß und auch die ein oder andere Überraschung steckt.
Eine solide Basis …
Heinz: Das ist eine hervorragende Basis für weiteres Wachstum und neue Perspektiven. Die Internationalisierung, die mein Vater seit den 80er Jahren vorangetrieben hat, hat ja bisher noch nicht alle Kontinente erreicht. Hier könnte uns mein Weg nun in noch unentdecktes Land führen. Auch denkbar ist der Blick in andere Branchen – nicht nur der Kosmetik- und Parfümeriemarkt braucht schöne und hochwertig veredelte Verpackungen aus Glas.
Ihr Vater unterstützt Sie noch bei der Geschäftsführung?
Heinz: Ja, das tut er mit Freude - wie ich denke. Ich kann ihn immer um Rat fragen und er steht mir dann auch immer zur Verfügung. Er lässt mich aber auch eigenständig handeln und entscheiden, wenn ich mir selbst sicher bin und um keinen Rat oder Unterstützung bitte.
In welcher Funktion?
Heinz: Nach seiner nun über 40 Jahre währenden Mitarbeit in unserem Familienunternehmen hat er sich mit gutem Recht auf den Posten des Präsidenten zurückgezogen. So kann er noch mitmischen, wenn er möchte oder gebeten wird – oder eben auch operativ andere anpacken lassen, wenn er einmal nicht möchte.
Wo liegen die größten Herausforderungen, um das Unternehmen auf Kurs zu halten?
Heinz: Mit der Glasindustrie sind wir in einer sehr alten und manchmal auch etwas „behäbigen“ Branche unterwegs. Damit meine ich keineswegs die Menschen, die bei uns arbeiten – es geht um die Glasschmelze an sich. Eine Wannenreise (die Dauer vom Anfeuern der Glasschmelzwanne bis zu ihrem Abriss) beträgt je nach Wannentyp mindestens fünf und bis zu neun Jahre. Zudem handelt es sich finanziell bei jedem Wannenbau um eine sehr hohe Investition, die nahe an den zweistelligen Millionenbetrag herankommen kann. Man muss also sehr gut und sehr langfristig planen, um die hohe Investition zu rechtfertigen.
In einer Zeit, die immer schnelllebiger wird …
Heinz: Unsere Kunden sind in den letzten Jahrzenten sehr schnell und agil geworden. Der Parfüm- und Kosmetikmarkt lebt in einem ständigen Wandel. Kaum noch langjährige Blockbuster kommen auf den Markt, neue Produkte verschwinden häufig schon nach ein bis zwei Jahren wieder. Die benötigten Mengen sind so für unsere Kunden schwer einschätzbar und nicht mehr über mehrere Jahre im Voraus planbar. Das sehe ich als unsere Herausforderung Nummer eins – uns anzupassen und möglichst agil zu sein und schnell auf die Kundenanforderungen reagieren zu können.
Welchen Umsatz erreichten Sie 2016, was erwarten Sie für dieses Jahr?
Heinz: Der Umsatz 2016 lag bei 299,8 Millionen Euro, für 2017 sind 290,7 Millionen Euro geplant.
Wie hoch war das Ergebnis, wie die Entwicklung zum Vorjahr?
Heinz: 2016 konnten wir ein Ergebnis von 18,5 Millionen Euro nach Steuern erwirtschaften. 2015 waren es 3,8 Millionen Euro nach Steuern.
Wie hat sich die Zahl der Beschäftigten entwickelt?
Heinz: 2016 hatten wir 3093 Mitarbeiter. Vor zehn Jahren waren es noch 2794.
Sie wohnen in Nürnberg, kommen zwei, drei Tage die Woche nach Kleintettau?
Heinz: In meinem ersten Jahr im Unternehmen war ich etwa 90 Prozent der Zeit in Kleintettau vor Ort, um an unserem Stammsitz erst einmal „in die Lehre“ zu gehen und möglichst viel über unser Unternehmen zu lernen. Das hat sich mit der Zeit und meinem wachsenden Wissen und Verständnis über Heinz-Glas geändert. Ich verbringe immer mehr Zeit an unseren anderen Standorten weltweit, um auch möglichst viel über die gesamte Gruppe und alle Standorte zu lernen. Ich denke, das ist recht gut gelungen.
Und künftig?
Heinz: Betreue ich die gesamte Gruppe und damit alle Standorte global. Zudem besuche ich – ebenfalls global – unsere wichtigsten Kunden regelmäßig. Das ist von Nürnberg aus prima zu machen. Ich fahre von hier aus nach Kleintettau oder fliege nach Paris, USA, Peru, … Je nachdem, wo ich gebraucht werde. Eine große Unterstützung bieten dabei auch die modernen Medien, sodass ich viele Termine direkt von Nürnberg aus in der ganzen Welt wahrnehmen kann.
Wo sehen Sie die größten Risiken für ihr Unternehmen?
Heinz: An unserem Stammsitz in Deutschland ist das größte Risiko der schwindende Arbeitnehmermarkt. Es gibt in unserer Gegend leider immer weniger Menschen und damit auch immer weniger Menschen mit einer guten Ausbildung. Die Politik könnte uns hier durch den weiteren Ausbau der Infrastruktur stark unterstützen, sodass die Region zum Leben und/oder Arbeiten wieder attraktiver wird. Global gesehen ist das größte Risiko in meinen Augen die Geschwindigkeit, mit der unsere Kunden am Markt agieren müssen.
Und wo stecken die besten Chancen?
Heinz: Wenn man das „wo“ örtlich betrachtet, ist meine Antwort: Asien! Hier an erster Stelle China. Der chinesische Markt hat eine enorme Größe erreicht und die chinesischen Bürger kommen mehr und mehr in eine wohlhabendere Mittelschicht, die sich vor allem Kosmetikprodukte einiges kosten lässt. Daneben werden auch andere Länder in Asien und Südamerika weiteres Wachstum verzeichnen und auch für Kosmetik und Düfte mehr ausgeben. Wenn man unser Unternehmen betrachtet, würde ich sagen, dass wir mit unseren vielfältigen und besonderen Veredelungstechniken einen Vorsprung haben und damit sehr gute Chancen, uns im Markt weiter zu profilieren.
Ihre wichtigsten Kunden?
Heinz: Die wichtigsten Kunden sind momentan Coty, L’Ooreal, Estee Lauder, Avon, Oriflame und Puig.
Firmenübergänge auf die nächste Generation sind oft nicht konfliktfrei. Wie war es bei Heinz-Glas?
Heinz: Papa und ich sind charakterlich relativ verschieden – unsere Einstellung zu den grundlegenden Fragen des Lebens und des Unternehmens ist aber sehr, sehr ähnlich. Beides hat uns bei der gemeinsamen Arbeit sehr geholfen. Durch unsere gemeinsame Einstellung zu den wichtigen Dingen wollen wir im Ziel in der Regel dasselbe erreichen. Durch unsere unterschiedlichen Charaktere gehen wir aber von verschiedenen Seiten an die Themen heran und können uns so super ergänzen.
Vater und Tochter ist unproblematischer als Vater und Sohn?
Heinz: Davon gehe ich fest aus. Wobei mir mangels Geschwister bzw. Brüder der Vergleich fehlt.
Es darf auch mal krachen?
Heinz: Aber natürlich. Am Ende haben wir aber noch immer eine gemeinsame Lösung gefunden. Manchmal sogar eine bessere, als wären wir uns gleich einig gewesen, weil so auch mal unterschiedliche Meinungen in eine Lösung einfließen können.
Was wird bei der Unternehmensnachfolge oft falsch gemacht?
Heinz: Ich denke, oft fehlt das gegenseitige Verständnis, der Respekt vor dem Erreichten des Vorgängers und das Vertrauen in den Nachfolger.
Das heißt konkret?
Heinz: Viele Nachfolger sehen die Vorgeneration als „Altes Eisen“ an und vergessen, was der Vater oder die Mutter geleistet und aufgebaut hat und welch enormes Wissen und Erfahrung hier liegen. Der Nachfolger weiß alles besser und will alles ändern. Sicher ist Veränderung und Modernisierung wichtig. Man muss aber nicht alles verändern, nur um der Veränderung Willen. Viele Sachen hat der Vorgänger einfach richtig gemacht. Auf der anderen Seite wird oft auch dem Nachfolger nicht genug zugetraut und der Vater oder die Mutter können nicht loslassen und mischen weiterhin überall mit, weil das Vertrauen in die Fähigkeiten des eigenen Sprösslings fehlt.
Ihr Tipp, wie Alt- und Jungunternehmer den Übergang am besten managen können?
Heinz: Dem anderen zuhören und sich gegenseitig ernst nehmen! Eigentlich ganz einfach.
Was machen Sie am liebsten, wenn Sie nicht fürs Unternehmen arbeiten?
Heinz: Das ist eine wichtige Frage. Der richtige Ausgleich zur Arbeit wird in unserer schnelllebigen Zeit immer wichtiger. Obwohl ich beruflich viel unterwegs bin, reise ich auch privat sehr gerne. Außerdem koche und backe ich gerne und das Essen macht dann auch Spaß. Zum körperlichen Ausgleich zum Job treibe ich gerne Sport und probiere hier gerne etwas Neues aus.
Vielleicht noch ein philosophischer Schlusssatz?
Heinz: Vielleicht bin ich für einen eigenen philosophischen Satz noch zu jung. Ich greife aber gerne einen auf, den auch mein Papa häufiger nutzt: Ich habe von meinem Vater die Fackel übergeben bekommen und freue mich sehr darauf, das Feuer nun am Brennen zu halten.
Das Unternehmen in Kleintettau (Landkreis Kronach) gehört zu den Weltmarktführern in der Herstellung und Veredelung von Glasflakons und Verschlüssen für die Parfüm- und Kosmetikindustrie. An 16 Standorten in zwölf Ländern erwirtschaften rund 3000 Mitarbeiter einen Jahresumsatz von knapp 300 Millionen Euro. Seit Anfang Juli führt Mehrheitsgesellschafterin Carletta Heinz (33) die Geschäfte.