Steeger verbringt seine erste Nacht in den Baracken von Dachau. Als morgens um halb Fünf geweckt wird, hat er kaum geschlafen. Er fühlt sich schlecht. Und sieht bald Menschen, denen es noch schlechter geht. „Auf dem Erdboden umher lagen in wildem Durcheinander Kinder, Männer und Greise; barfuß, zerlumpt, verdreckt, die meisten zum Skelett abgemagert, den ganzen Körper mit Ausschlag, Grinden und offenen Wunden bedeckt. Angehörige aller osteuropäischen Länder waren hier wie die Tiere zusammengepfercht. Wir Deutschen teilten nun das Los dieser Unglücklichen.“
Miserables Essen, davon viel zu wenig, schäbige Kleidung, Krankheiten, stundenlanges Stehen auf dem Appellplatz. in Kälte und Regen, krasseste Demütigungen und – schlimmer als andere – die Willkür der SS-Mordgesellen: Steeger beschleicht mehr und mehr die Angst, das Konzentrationslager nur noch über einen Weg verlassen zu können – durch den Schornstein des Krematoriums. „Der Kamin des Verbrennungsofens qualmte Tag und Nacht“, notiert der 63-Jährige.
"Dachau hat mich wachgerüttelt"
Und da ist dieses Gefühl zwischen Hoffen und Scham. Die Alliierten machen Fortschritte, so hört man auch im Lager, werden sie rechtzeitig da sein, um die Gefangenen in Dachau zu retten? Die Alliierten aber kämpfen in einem Krieg, den Deutschland entfesselt hat. „Wir alle liebten Deutschland, unser Volk, unsere Heimat und unsere Familien und sahen doch keinen anderen Ausweg. Wir wussten, die Niederlage einer größenwahnsinnigen Klique von notorischen Verbrechern und Militaristen war zwar auch die Niederlage unseres Vaterlandes; leider ließ sich jedoch das eine nicht vom anderen trennen.“ Eine verbrecherische Clique, einige wenige: als hätten nicht die Massen dem „Führer“ zugejubelt.
Der fränkische Sozialdemokrat Steeger fühlt selber dieses kollektive Versagen. Und lässt dieses Gefühl zwischen den Zeilen anklingen. Dachau habe ihn „wachgerüttelt“, wieder zum „aktiven Kämpfer gemacht“, schreibt er. Dreißig Tage in der Hölle, dann wird er entlassen, so unvermutet, wie er verhaftet worden ist.
Nach dem Krieg will er das Seine beitragen, dass Deutschland zurückfindet in eine Gemeinschaft der zivilisierten Nationen. Er bewirbt sich um eine Zeitungslizenz. Am 18. Dezember 1945 erscheint die erste Nummer der „Fränkischen Presse“. Verlagsleiter Steeger und seine Leute, zu denen ein halbes Jahr nach der Gründung Walter Fischer als Chefredakteur stoßen wird, sind in ihrem Behelfsbüro in Bayreuth mehr mit Improvisation und Überleben beschäftigt als mit Schreiben. Das zumindest lassen die Schilderungen der Zeitungsveteranen erahnen. Doch sie setzen alles daran, Ihre Leser mitzunehmen: auf dem „gemeinsamen Wege in eine bessere und hellere Zukunft“.
1968 sollte aus dem konservativen „Bayreuther Tagblatt“ im Besitz der Familie Ellwanger und aus der von Julius Steeger und Walter Fischer begründeten „Fränkischen Presse“ der „Nordbayerische Kurier“ werden. Julius Steeger ist vierzehn Jahre zuvor verstorben. Sein Auftrag aber ist geblieben.