Flüchtlinge ohne Angehörige finden in Bayreuth Hilfe Jugendwohngemeinschaft als Zuflucht vor dem Krieg

Von Peter Engelbrecht
 Foto: red

„Als ich nach Bayreuth kam, fing ein neues Leben an“, sagt Abdifatah aus Somalia. Der 17-Jährige ist Bürgerkriegsflüchtling, er entkam dem Grauen in seinem Heimatland und strandete ganz alleine in Deutschland. Eine Zuflucht fand er in der Puerto-Jugendwohngemeinschaft in der Himmelkronstraße 21 in Bayreuth. Dort leben zehn minderjährige Flüchtlinge aus Eritrea, Somalia, Ägypten und Afghanistan – alle ohne Angehörige. Vier weitere Jugendliche haben sich bereits stabilisiert und sind in ein einzelbetreutes Wohnprojekt in die Stadt umgezogen. 

 
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„Ich bin 2009 aus Somalia geflohen, habe dann in Libyen und Tunesien gelebt. Danach bin ich nach Italien, die Situation war sehr schwer für mich“, schildert er in nüchternen Worten. 2012 sei er dann nach Deutschland gekommen. Er will Krankenpfleger werden, geht seit 2013 in die Berufsschule, lernt dort Deutsch, Mathematik, Kochen und Metallbau. „Ich bin ein guter Schüler und sehr motiviert“, sagt er. „Bayreuth ist eine schöne Stadt. Alle sind pünktlich, ehrlich und fleißig.“

Denden aus Eritrea ist mit 14 Jahren der Jüngste in der Wohngemeinschaft. Seit vier Monaten ist er hier, er besucht die achte Klasse der Altstadtschule und spricht gebrochen Deutsch. Beim Berufswunsch schwankt er zwischen Lehrer und Doktor, dabei grinst er. „Bayreuth ist schön, ich habe schon Freunde“, sagt er. Die jungen Leute spielen im Verein Fußball oder ringen in einer Mannschaft, lernen Deutsch bei der Volkshochschule.

Der Sozialpädagoge Levent Civan betreut die jungen Flüchtlinge. „Sie sind alle schwer traumatisiert, ihre Familien wurden auf der Flucht auseinandergerissen“, berichtet er. „Unter ihnen herrscht große Ungewissheit, wer wo gelandet ist. Ihre Angehörigen sind gestorben oder verschwunden, einige haben noch Kontakt“, berichtet Civan über seine Schützlinge. „Die Flüchtlinge aus Eritrea irrten wochenlang durch die Wüste, unterwegs gab es Entführungen, Geiselnahmen und Erpressungen von Schleuserbanden, mehr für die Flucht zu zahlen“, berichtet Civan. Die jungen Leute hätten durchschnittlich drei bis vier Monate Flucht hinter sich. Was dort geschah, darüber können oder wollen viele nicht reden. Auch Fremden gegenüber wollen sie nicht sprechen.

Ziel der Jugendwohngemeinschaft ist es, den Traumatisierten einen sicheren Ort zu bieten, sie zur Ruhe kommen zu lassen und sie zu stabilisieren. Sie sollen die deutsche Sprache lernen und sich einer Therapie unterziehen. „Manche können nachts nicht schlafen, weil sie Angst haben. Sie fühlen sich erst sicher, wenn es draußen hell wird“, schildert der Betreuer. „Die Leute verlassen nicht aus Spaß ihre Heimatländer. In Deutschland sind sie nicht willkommen“, fügt er hinzu.

Die Puerto-Wohngemeinschaft wird von Condrobs getragen, sie existiert gut ein Jahr in Bayreuth. Karin Wiggenhauser, Bereichsgeschäftsführerin von Condrobs, rechnet im laufenden Jahr mit einer starken Zunahme junger Flüchtlinge ohne Begleitung. Christian Hübsch, Leiter des städtischen Jugendamtes, sieht große Chancen im Besuch der Berufsschule, der eine Ausbildung folgen könnte. Emilie Schmidt von der Heimaufsicht der Regierung von Oberfranken sagte, Condrobs habe mit der Einrichtung in Oberfranken Pionierarbeit geleistet. Im Regierungsbezirk gebe es insgesamt 72 Heimplätze für minderjährige Flüchtlinge. Die Staatsregierung geht davon aus, dass im laufenden Jahr 1000 bis 1500 „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ in Bayern einreisen. In Oberfranken sei die Einrichtung neuer Gruppen geplant, kündigte Schmidt an. Viele seien traumatisiert, bräuchten Hilfe. Die Jugendlichen beschrieb sie als gut motiviert, höflich, intelligent und dankbar für menschliche Hilfe.

Info: Condrobs ist vor mehr als 40 Jahren aus einer Elterninitiative gegen den Kampf gegen Drogen entstanden. Heute ist Condrobs mit mehr als 30 Einrichtungen und rund 500 Mitarbeitern einer der größten überkonventionellen Träger für soziale Hilfsangebote in Bayern.

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