Jugendkanal: ARD und ZDF fehlt der Swag

Von Kerstin Fritzsche
Na, wie soll's denn jetzt heißen? Grafik: kfe Foto: red

ARD und ZDF haben ein Problem: Ihr Stammpublikum ist alt. Die öffentlich-rechtlichen Sender wünschen sich junge Zuschauer, vor allem im Alter von 14 bis 29 Jahren. Wie eigentlich alle Medien-Macher. Um die zu erreichen, einigte man sich im April darauf, ein junges Angebot nur im Internet zu schaffen. Im Oktober soll es starten. Aber irgendwie... fehlt bis jetzt noch der Swag. Was man als Nullcheckerbunny dazu wissen muss.

 
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Kauft euch einen Leuchtkeks, im Oktober geht's los:

Auf der Internet-Messe republica vor ein paar Wochen wurde zum ersten Mal öffentlich das neue junge Angebot von ARD und ZDF vorgestellt. Es soll im Oktober starten. Das Konzept: Präsenz im Internet, mit dem jeweiligen Format gerecht für den jeweiligen Kanal. Wie das genau funktionieren soll und wie man bei großer Konkurrenz seine verschiedenen Zielgruppen erreicht, ist hingegen immer noch nicht klar.

 

"Sachen, die im Netz möglich sind, etwa Livestreaming, werden wir auch machen." @hagertoni über #JAvAuZ #JungesAngebot #rpTEN

— Kerstin Fritzsche (@new_reads) 3. Mai 2016

 

Ganz schön aufgebitcht:

Wir wollen euch kein Eis backen, daher kurz und knapp die Facts: Früher gab es mal Musik- und Jugendsendungen. "Moskito" hießen die, "Formel Eins" und "Live aus dem Schlachthof". Die liefen auch ganz okay, wurden aber dennoch irgendwann nicht weiterproduziert, weil.... Ja, warum eigentlich nicht? Florian Silbereisen, Krankenhaus-Serien und Degeto-Produktionen à la Rosamunde Pilcher irgendwann wichtiger wurden. Fürs Stammpublikum 50 plus. Superlange wurde dann um einen "Jugendkanal" von ARD und ZDF gestritten. Zum einen, weil alle 12 beteiligten Sendeanstalten mitreden dürfen und das auch taten, und außerdem die Politik und ganz viele Medien-Experten, davon viele selbsternannte Jugend-Versteher.

 

Außerdem hätte man nicht einfach als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt da was Neues machen können, das muss erstens konform gehen mit dem Programmauftrag und zweitens müssen dafür eventuell Rundfunkgesetze geändert oder zumindest außer Kraft gesetzt werden - und das musste man auch laaaaange von mehreren Seiten prüfen. Und ja, es gibt Böhmi und ZDF.neo. Aber die wird es auch unabhängig vom neuen Angebot weiter geben. Über die Klinge springen müssen jedoch die anderen beiden Digitalkanäle vom ZDF, Eins plus und ZDFkultur.

Gönn dir!

Seit Mitte April ist nun klar, dass es einen Jugendkanal geben wird. Gestrichen wurde gleich mal der Name. "Jugendkanal" klingt übelst uncool, trifft aber auch nicht mehr zu. Denn es wird keinen einen Kanal geben. Und schon gar nicht in der Glotze und auch nicht im Radio. Das - Achtung, neuer Name! - "junge Angebot" von ARD und ZDF will nämlich mit verschiedenen Formaten arbeiten, von denen man annimmt, dass sie bei jungen Leuten konsumiert werden und ankommen. Und diese dann jeweils formatgerecht auf der passenden Plattform präsentieren. Kurz: Es wird also ein "junges Angebot" auf YouTube geben, eins auf Instagram, vermutlich eins oder mehrere auf Tumblr, eins auf Snapchat, Twitch, vielleicht eins auf Twitter... Mindcraft sei ein Thema, eine App soll auch kommen. 45 Millionen Euro stehen dafür zur Verfügung.

 

"Inhaltein der Logik der Plattform entwickeln" - wer möchte das nicht. Schlimm,dassARD u ZDF das sonst nicht dürfen. #rpTEN #JungesAngebot

— Kerstin Fritzsche (@new_reads) 3. Mai 2016

 

Crew ist schon am Start

Seit Frühjahr hirnen und beobachten einige "Berufsjugendliche" um die Chef-Jugendlichen Florian Hager (schon 40 Jahre, kommt vom Edel-Sender Arte) und Sarah Weiss vom SWR dafür in einem unauffälligen Büro am Mainzer Hauptbahnhof daher Formate in diesem Internetz und kaufen sich hier mal einen YouTuber wie Rayk Anders fürs junge Angebot ein oder.... tippen fleißig in ein hip gestaltetes Blog in einer Schriftart, die frisch von den Werbetafeln eines New Yorker Cafés geklaut aussieht. Weil: Ist ja ein Start-up. Und gerade jetzt werden wieder neue "Produzenten" gesucht. Also, als Kollegen vom Rayk.

 

"Wirhaben einen Teil in der Redaktion, der so bescheuerte Animationen macht wie die, die wir grad sahen." #JungesAngebot #rpTEN

— Kerstin Fritzsche (@new_reads) 3. Mai 2016

 

Außerdem hängt sich Radio Bremen voll rein und wird "Was mit Fabian" liefern, auch ein YouTube-Format, mit Fabian Nolte. Und der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) hat bereits zusammen mit dem Medienboard einen Webvideo-Wettbewerb ausgerufen. Da hat die Seite übrigens einen Namen: Wigo. 150.000 Euro ist hier das Budget, diese Gelder sollen jedoch - sorry, Münchberger Medien-Tüftler - in der Region bleiben.

 

Dagmar Reim:"jederkann mitmachen.Siemüssen nur e Art Ding haben,dasSie wöchentlich produzieren wollen." #wigo #rbb #JungesAngebot #rpTEN

— Kerstin Fritzsche (@new_reads) 3. Mai 2016

 

Das wirkt dennoch alles ein bisschen wie aus der Anarcho-Bomben-Zeit. Denn nach wie vor ist immer noch nicht so richtig klar, was es geben wird. Und wo. Und wie. Denn die Macher wollen Unterhaltung, aber auch Politik und "Zeitgeist-Themen". Und vermutlich was mit Schokolade.

Was keiner mehr wissen soll:

Noch bevor die politische Entscheidung fiel, hatte der SWR schon mal vorgelegt. Unter dem auch eher unsexy Namen "JuKa" gab es schon 2014 eine Facebook-Präsenz. Wahrscheinlich ist es aber nur krass fies von uns, dass wir daran erinnern und vermuten, dass der "Namenswechsel" auch damit zu tun hat, "JuKa" zu beerdigen. Aber Dissen bringt halt Fun.

Und warum soll das jetzt besser sein soll als Netflix?

Dazu sagen die Macher selbst: "Zum einen, weil es quasi umsonst ist. Also man bezahlt es natürlich. Aber es ist ein Schmankerl oben drauf (auf die Rundfunkgebühr, Anm. d. Red.)! Von uns! Für euch! Wären wir jetzt Autoverkäufer, hättet ihr das Gefühl, einen wahnsinnig guten Deal gemacht zu haben." Vielleicht ein bisschen unglücklich, das mit dem Autoverkäufer, denn in Zeiten von Abgas-Skandalen sieht der Großteil der Bevölkerung Auto-Dealer wohl eher als Teil einer europäisch-amerikanischen Wirtschaftsmafia. Und problematisch für die Zielgruppe in der Zielgruppe: 14-Jährige dürfen doch noch nicht Auto fahren! Und erst recht können sie sich keins kaufen, Herr Hager!

 

Was, es gibt keine Daten,wasdie 15- bis 29-Jährigen im Netz so konsumieren??? Meint @hagertoni grad. #zielgruppenproblem #rpTEN

— Kerstin Fritzsche (@new_reads) 3. Mai 2016

 

 

Sollten bisher 40 Jahre #Medienforschung v #ARD u #ZDF umsonst sein,wennman gar nicht weiß,was15- bis 29-Jährige sehen? #rpTEN #JAvAuZ

— Kerstin Fritzsche (@new_reads) 3. Mai 2016

 

Selbstironie, Baby

Dass die Altersgruppe 14 bis 29 eigentlich mehrere Zielgruppen ist, ist dem Team um Florian Hager immerhin bewusst. Und dass das ein Problem sein könnte, denn "die Konkurrenz scheint endlos. Hinzu kommt, dass die Marken ARD und ZDF nicht gerade mit Vorschusslorbeeren hinsichtlich Attraktivität und 'Realness' gegenüber jungen Leuten ins Rennen gehen." Joah. Aber mit ein paar Millionen im Rücken kann man sich damit schon mal ganz anders auseinandersetzen als die vielen Tageszeitungen mit ihren Versuchen, Jugendangebote zu etablieren, die bis auf sehr wenige Ausnahmen alle gescheitert sind (also vor bento und ze.tt). Weil der Markt schon ziemlich besetzt, und die Zeit von jungen Menschen immer nur begrenzt ist.

 

 

Wir wünschen daher dennoch chilliges Abkeimen mit dem neuen Angebot, das auf Twitter übrigens schon einen Namen hat: JAvAuZ (Junges Angebot von ARD und ZDF). Aber braucht das wer? Wollt ihr das überhaupt?

(Wer übrigens bis hierhin in Teilen ohnehin nicht folgen konnte, gehört auf keinsten zur Zielgruppe!) Aber kann dieses Interview mit einem Medien-Professor lesen.