Janina-Prozess: Angeklagter bedauert

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Foto: dpa Foto: red

Rudolf E. (54) schoss aus Wut und Frust und traf die elfjährige Janina. In der Neujahrsnacht dieses Jahres holte er einen Revolver aus dem Keller seines Hauses in Unterschleichach und zielte in Richtung der Feiernden. Mord, sagt die Staatsanwaltschaft. Seit Mittwoch muss E. sich vor dem Landgericht Bamberg für seine Tat verantworten.

 
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Rudolf E. schwieg zu den Vorwürfen, ließ nur seinen Anwalt Thomas Drehsen eine Erklärung vorlesen: „E. bedauert zutiefst, was am 1. 1. 2016 passiert ist. Er räumt ein, wie auch schon im Ermittlungsverfahren, dass er drei- oder viermal in Richtung des Waldes geschossen zu haben, an die genaue Anzahl kann er sich nicht mehr erinnern. Er stellt in Abrede, bewusst und gezielt auf eine Menschenmenge geschossen zu haben. Zu mehr sieht er sich aufgrund seiner emotionalen Betroffenheit nicht in der Lage.“

In Fußfesseln schlich E. in den Gerichtssaal, an seinem 54. Geburtstag, „die schwarze Mütze tief ins Gesicht gezogen, den Kopf gesenkt. Seine Kiefer malmten, als ob er Kaugummi kaute. Dann stellte er seinen Aktenordner vor sich und versteckte sich dahinter vor den Fotografen. Die Mutter von Janina, Magdalena W., im schwarzen Kleid, saß nur zwei Meter entfernt von ihm. Sie weinte und hörte ihrem Anwalt zu, der ihr erklärt, wie der Prozess ablaufen werde, zu dem 27 Zeugen und sieben Gutachter geladen wurden. Janinas Vater fixierte E., wirkte äußerlich ruhig.

Widersprüchliche Aussagen

E. hatte die Tat erst nach seiner Festnahme gestanden, bei den ersten Vernehmungen hatte er sich in Widersprüche verstrickt. Aus dem Gefängnis heraus hatte er auch einen Brief an Janinas Mutter geschrieben. Noch ist nicht bekannt, was genau darin stand.

Vor Gericht schilderte er ausführlich, wie sein Leben abgelaufen ist. „Mein Elternhaus ist in Unterschleichach“, dann stockt er. „Ich kann das nicht.“ Der Richter musste E. dann abfragen. Er wuchs in Unterschleichach auf, zu seinen Eltern bestehe „guter Kontakt“, sie besuchen ihn im Gefängnis. Nach der Hauptschule ging er in die Lehre als Maurer. Bis er 1999 als Arbeiter in die Justizvollzugsanstalt Ebrach ging, arbeitete er stets bei der gleichen Firma.

Der Bruch

Der Bruch in seinem Leben begann langsam mit einer chronischen Lungenkrankeit, wegen Probleme mit der Speiseröhre und dem Magen wurde er mehrfach operiert. Alle „waren kaputt“, sagte E. Auch deshalb wechselte er den Job. Anfangs arbeitete er als Maurer, später wurde er als Fahrer eingesetzt, der Wäsche und Brot in andere Gefängnisse brachte. 2000 Euro blieben ihm am Ende des Monates, er lebte in einem gepflegten Einfamilienhaus direkt neben der kleinen Wiese, auf der Janinas Schädel von einer Kugel durchschlagen wurde. Seine Partnerin hatte sich schon lange von ihm getrennt gehabt und lebte mit dem gemeinsamen Sohn am anderen Ende des Dorfes. Seit der Trennung lebte er alleine – und das wollte er auch.

Allerdings vereinsamte er zusehends, auch im Dorf oder beim Stammtisch ließ er sich nicht mehr sehen. Seit drei Jahren ist er wegen Depressionen in Behandlung. Das habe „schon a weng geholfen“, sagte er. Nur zögernd fand E. Worte, oft kam er ins Stocken. Unterm Strich beschrieb er ein Leben in Leiden und Schmerzen, „die gehen gar nicht mehr weg“. Er könne nicht mehr schlafen, „das geht gar nicht mehr aus dem Kopf raus.“ In der Untersuchungshaft in Mannheim liegt er auf der Krankenabteilung, wo er weiter behandelt wird.

Vier Waffen, ein Koffer voller Munition

Seine vier Schusswaffen, zwei Lang- und zwei Kurzwaffen, dazu ein Koffer voller Munition, hätten nur im Schrank gelegen. Eine Genehmigung dafür hatte er. Seit vielen Jahren habe er nicht mehr geschossen. Und eigentlich könne er gar nicht mehr schießen, weil er so zittere, sagte E. „Das will ich gar nicht probieren, das Schießen, das ist wahnsinnsschlimm.“ Nach diesem Satz verließ Janinas Mutter weinend den Saal. Sie hörte nicht mehr, dass er „schon öfter mal“ daran gedacht habe, seine Waffen abzugeben. Er will sie auch nach dem Prozess nicht mehr zurückhaben. Auf dem Dachboden seines Hauses hatte er sich allerdings eine Zielscheibe für Luftgewehrübungen aufgestellt.

Der Prozess wird fünf Tage dauern, voraussichtlich am 22. Dezember fällt das Urteil. E. drohen 15 Jahre Haft.

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