Interview: Folgen der Kölner Übergriffe

Von Susanne Will
Foto: Oliver Berg/dpa Foto: red

In Köln und Hamburg wurden Frauen von vermutlich aus dem arabischen oder afrikanischen Raum stammenden Männern bedrängt, befummelt, eine Frau sogar vergewaltigt, dabei wurden sie bestohlen. Einer, der die beunruhigenden Vorfälle verfolgt, ist Hermann Benker. Er ist Landesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft und arbeitet als Personalratsvorsitzender im Präsidium in Bayreuth. Er sieht im Gespräch mit dem Kurier die Möglichkeit einer weiteren Dimension der Organisierten Kriminalität – zumindest nach dem Stand der Dinge.

 
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Herr Benker, wie kann es passieren, dass rund 1000 Männer auf einem belebten Platz Frauen überfallen – und das, obwohl die Polizei eingeschaltet ist?

Hermann Benker: Auch ich war von einigen Aussagen, auch vom Kölner Polizeipräsidenten, überrascht – und überrascht, dass die Einsatzkräfte überrascht gewesen sind. Wo es Menschenmassen gibt, kann es Probleme geben, insbesondere bei Eigentums- und Körperverletzungsdelikten. Ungeachtet dessen, dass die Dimension von Köln auch für mich neu ist. Doch da hätte man sich vorher Gedanken machen müssen – bei Großveranstaltungen kann es schließlich immer zu Straftaten kommen.

Aber welche Prävention hätte hier gewirkt?

Benker: Da es ein solches Phänomen noch nicht gab, hätten wir auch präventiv nichts verhindern können. Wir Polizeibeamte leben ja von der Erfahrung. Und aus der Erfahrung von Silvester in Köln werden wir für künftige Einsätze abstellen müssen.

 

Wie meinen Sie das?

Benker: Ich glaube nicht, dass es sich hier in der Masse um „enthemmte Muslime“ handelt, deren vorrangiges Ziel es ist, Frauen zu demütigen. Ich glaube eher daran, dass es reisende Täter sind.

Der Diebstahl als Begleiterscheinung

Also sind wir im Bereich der Organisierten Kriminalität?

Benker: Ja. Ein Indiz dafür ist, dass die fünf Festgenommenen lediglich kopierte Papiere bei sich hatten und keinen Wohnsitz am Ort der Straftat. Die Vorgehensweise ist nicht fremd: sogenannte „Antänzer“ bedrängen Frauen und beklauen sie.

Also ganz normaler Diebstahl?

Benker: Man muss unterscheiden: Es gibt zum einen den Handtaschendiebstahl. Wir in Bayern stellen uns beispielsweise beim Oktoberfest darauf ein, dafür muss auch in Köln ein Einsatzkonzept vorliegen – wenn nicht, wäre ich enttäuscht. Das Begrapschen und Bedrängen, um damit abzulenken, wäre eine Art, die Tat vorzubereiten. Zum anderen gibt es auch die Möglichkeit, dass tatsächlich Sexualdelikte im Vordergrund stehen, damit wäre der Diebstahl die Begleiterscheinung.

Wie wollen Sie das denn rauskriegen, wenn die Täter schweigen sollten?

Benker: Ich baue auf die Opfer. Sachbearbeiter mit Erfahrung stellen gezielte Fragen, um eine solche Tat und Täterstruktur zu erkennen.

Sie meinen also, es sei eine konzertierte Aktion reisender Diebe?

Benker: Es könnte zumindest sein. Köln und Hamburg in der Silvesternacht, Stuttgart kurz danach.

Das wäre aber wirklich eine neue Dimension.

Benker: Ja, wir dürfen ja nicht davon ausgehen, dass sich Altes immer nur wiederholt. Das heißt für uns aber, dass wir uns bei den nächsten Großveranstaltungen anders positionieren müssen.

Die Kölner Polizei wirkte reichlich überrascht …

Benker: … und jetzt fordern wieder einige Politiker reflexartig mehr Überwachungskameras. Nur: die hatten wir in Köln. Die Videoüberwachung unterstützt uns bei der Identifizierung von Tatverdächtigen, aber es braucht mehr. Zum Beispiel DNA-Spuren. Ich muss einem aus der Gruppe eindeutig nachweisen können, dass er es war, der der Frau den Slip heruntergerissen hat. Videoüberwachung ist auch wünschenswert für Lokalisierung und Einsatzsteuerung, um schnellstmöglich handeln zu können.

"Man darf keine Rückschlüsse auf alle ziehen"

Sie sprachen gerade über die Identifikation. Ich beobachte seit langem, dass die Polizei immer zögerlicher damit umgeht, die Nationalität der Täter zu benennen. Aber es muss doch Ross und Reiter genannt werden, wenn es um die Suche nach Tätern geht.

Benker: Da gilt seit vielen Jahren die Linie aus dem Innenministerium, dass man die Nationalität nur dann in den Vordergrund stellen sollte, wenn dieses Delikt nur von einer bestimmten Nationalität begangen werden könnte.

Das mag politisch ja sehr korrekt sein, aber gerade im Hinblick auf die Fahndung im konkreten Fall muss man doch Fakten benennen dürfen, beispielsweise Hinweise auf Hautfarbe oder Nationalität.

Benker: Aber wenn ich jetzt Nationalitäten nennen würde, hieße es, jeder Araber sei ein Vergewaltiger. Ob es tatsächlich Asylsuchende waren, steht noch nicht fest. Und auch wenn es so sein sollte, kann und darf man keine Rückschlüsse auf alle ziehen.

Sicher: Verbrechen werden von Menschen begangen, nicht von Ethnien.

Benker: Genau. Im Empfinden der Bevölkerung könnten gefährliche Strömungen entstehen – da muss man vorsichtig sein. Aber wenn es so ist, sollte man nichts schönreden.

Müssen Sie die Situation am Bayreuther Hauptbahnhof schönreden?

Benker: Nein. Weder aufgrund der Größe des Bahnhofes noch bezüglich des Reiseverkehrs hier habe ich Befürchtungen. Wir sind hier ländlich strukturiert, da müssen wir uns keine Sorgen machen. Aber uns Polizisten muss zu denken geben, dass solche Tätergruppen sehr mobil sein können. Das macht nachdenklich und muss für Vorbereitungen hinsichtlich weiterer Großveranstaltungen sorgen.

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