Wozu braucht es diesen neuen Studiengang?
Schwarze Kassen, Doping, Schiedsgerichte: An der Uni Bayreuth ist der neue berufsbegleitende Master Sportrecht gestartet. Die Idee hatte Professor Peter W. Heermann (54). Im Kurier erklärt er, warum Sportrecht nötig ist und welche Auswirkungen der Skandal im deutschen Spitzenfußball auf das Bayreuther Vereinsleben haben könnte.
Wozu braucht es diesen neuen Studiengang?
Peter W. Heermann: Gegenfrage: Haben Sie mitbekommen, was sich in den letzten Wochen national und international in den Fußballverbänden getan hat? Das waren Steilvorlagen, die uns zeigen, dass wir uns mit den rechtlichen Rahmenbedingungen des Sports auseinandersetzen müssen. Wenn zum Beispiel die "Lichtgestalt" Franz Beckenbauer sagt: „Ich habe alles unterschrieben - und teilweise blanko“, komme ich ins Grübeln, ob eine solche Stellungnahme von einer bekannten und geschätzten Fußballpersönlichkeit mit Vorbildfunktion nicht zu Irritationen führt.
Welche Folgen könnte Beckenbauers Verhalten haben?
Heermann: Stellen Sie sich einen kleinen Fußballverein vor, der vom Ehrenamt lebt und sich freut, dass er einen Vorsitzenden gefunden hat. Auf ihn, aber auch seine Vorstandskollegen, lauern nicht unerhebliche Risiken. Sie müssen unter Umständen mit ihrem Privatvermögen haften, wenn es im Verein zu Regelverstößen kommt. Zum Beispiel, wenn Spieler überhöhte Aufwandsentschädigungen erhalten, die über den tatsächlichen Aufwand wie Fahrtkosten und Reinigung der Trikots deutlich hinausgehen und womöglich schwarz gezahlt werden. Kommt dies heraus, kann es für den Vorstand vor Gericht sehr teuer werden. Dann kann der Vorsitzende nicht sagen: "Ich habe mich auf meine Mitstreiter verlassen und alles nur abgezeichnet." Beckenbauer kann für sein Verhalten strafrechtlich vermutlich nicht (mehr) belangt werden. Wobei nicht feststeht, ob sein Handeln - sofern es nachweislich als (versuchte) Bestechung gewertet werden könnte - zu dem damaligen Zeitpunkt überhaupt strafbar war.
Am Freitag wurde das deutsche Anti-Doping-Gesetz beschlossen, das strengere Regeln für Athleten festlegt. Sind sie im internationalen Wettbewerb dadurch benachteiligt, weil es andere Länder nicht so eng sehen?
Heermann: Das ist nicht auszuschließen. Der Deutsche Olympische Sportbund, aber auch viele Athleten, sehen auch kritisch, dass nach dem Gesetz bereits der Besitz von Dopingmitteln strafbar sein wird. In der Tat könnten Dritte einem Athleten verbotene Substanzen unterschieben. Zu den strafrechtlichen Vorschriften kann ich mir aber noch kein abschließendes Urteil erlauben, weil ich nicht weiß, wie die neuen Regelungen in der Praxis angewendet werden. Sie gelten aber auch für internationale Sportler, die hierzulande an einem Wettbewerb teilnehmen. Vielleicht werden Leichtathleten aus Kenia und Russland künftig einen Bogen um Deutschland machen, wenn sie überhaupt starten dürfen.
Was bedeutet das dann für die deutsche Bewerbung um die Olympischen Spiele? Im IOC sitzen auch Vertreter aus Ländern, die es mit Doping nicht so genau nehmen, es sogar staatlich fördern…
Heermann: Ohne den Nachweis, dass Dopingverstöße in Deutschland ernsthaft verfolgt werden, wären die Bewerbungschancen von vornherein vermindert, wenn nicht sogar ausgeschlossen. Der Vergabeprozess als solcher ist aber eine andere, rechtlich zweifelbehaftete Frage.
Die Nationale Dopingagentur NADA ist seit Jahren unterfinanziert. Wird das Gesetz in der Praxis daran scheitern?
Heermann: Es hat bei der NADA in den vergangenen Jahren finanzielle Verbesserungen gegeben. Ob das ausreicht, bleibt abzuwarten. Der Anti-Doping-Kampf ist ein Katz-und-Maus-Spiel. Die Doping-Jäger haben es immer schwer. Kürzlich wurde über eine Studie berichtet. Darin ging es um eine Versuchsreihe mit Kleinstdosen von Doping, die sich über Nacht im Körper abbauen, am Morgen nicht mehr nachweisbar sind, aber mittel- bis langfristig die Leistung steigern.
Bislang dürfen die Dopingermittler nur ausnahmsweise nachts tätig werden. Denn es ist bereits ein massiver Einschnitt in die Persönlichkeitsrechte, dass Athleten Wochen im Voraus ihren Aufenthaltsort mitteilen müssen. Oder denken Sie an Gendoping. Ich will mir lieber nicht ausmalen, was medizinisch alles möglich ist. Und was möglich ist, wird früher oder später ausprobiert.
Der Sport hat sich mit den Vereins- und Verbandsgerichten und den Sportschiedsgerichten ein paralleles Rechtssystem aufgebaut – ähnlich wie die katholische Kirche. Die staatliche Gerichtsbarkeit ist weitestgehend ausgeschlossen. Halten Sie diese Sportgerichtsbarkeit für sinnvoll?
Heermann: Ich halte sie für unabdingbar. Nur so ist es möglich, dass Sport weltweit nach einheitlichen Regeln ausgeübt wird. Deshalb gilt im Sport das Ein-Verband-Prinzip. So ist zum Beispiel die SpVgg Bayreuth Mitglied des Bayerischen Fußballverbands, der wiederum im Süddeutschen Fußballverband, dieser im Deutschen, der bei der Uefa und diese bei der Fifa. Diese Verbandspyramide gibt es in den meisten Sportarten, eine Ausnahme ist Boxen. Dieses System führt für Sportverbände zu einem Monopol bei der Organisation und Durchführung von Sportveranstaltungen.
Welchen Vorteil bietet dieses Prinzip in Verbindung mit der Sportgerichtsbarkeit?
Heermann: Wenn bei Regelverstößen staatliche Gerichte entscheiden würden, würde bei vergleichbaren Sachverhalten das Urteil in jedem Land vermutlich etwas anders ausfallen. Die Verfahren würden Wochen, Monate oder im Falle der Einlegung von Rechtsmitteln vielleicht Jahre dauern. Wenn ein Spiel ansteht, brauchen Sie aber binnen weniger Tage eine endgültige Entscheidung. Denken Sie an eine Rote Karte im Fußball. Da legt das Vereinsgericht, das sich nicht zwingend aus Juristen zusammensetzt, fest, wie lange der Spieler im konkreten Fall gesperrt wird.
Ist es nicht ein Nachteil im internationalen Sportgeschäft, das Sie sich im neuen Studiengang vor allem auf deutsches und europäisches Sportrecht beschränken?
Heermann: Nein. Wir legen zwar den Schwerpunkt auf das deutsche Sportrecht. Viele der Spitzenverbände - zum Beispiel FIFA, UEFA, aber auch IOC, FIS, UCI - haben ihren Sitz aber in der Schweiz, wo ein dem deutschen sehr ähnliches Recht gilt.
Kamen Sie als Hobbysportler schon einmal mit dem Sportrecht in Konflikt? Vielleicht wegen einer Roten Karte?
Heermann: Nein. Aber ich erinnere mich noch, wie ich das erste Mal unbewusst damit in Berührung kam. Ich war 13 Jahre alt. Deutschland spielte im Finale der Fußballweltmeisterschaft 1974 gegen Holland. Beide Mannschaften waren von Adidas ausgerüstet. Ich wunderte mich, dass bei der holländischen Mannschaft der Kapitän mit nur zwei Streifen auf Trikot und Hose spielte, seine Schuhe ließen gar keine Marke erkennen. Das war die Fußballikone Johan Cruyff. Erst Jahre später habe ich die Zusammenhänge durchschaut. Er hatte einen Individualsponsor, der Puma hieß, und wollte diesen offenbar nicht brüskieren. Deshalb hat er die Streifen entfernt.
Info: Der neue Studiengang Master of Laws (LL.M.) Sportrecht der Uni Bayreuth beschäftigt sich mit nationalem und internationalem Sportrecht. Nach Angaben von Initiator Heermann ist er der erste seiner Art, der im deutschsprachigen Raum den Lehrbetrieb aufgenommen hat. Studieninhalte sind das Vereins- und Verbandsrecht, Vertrags- Arbeits- und Steuerrecht. Hinzu kommen sportökonomische Aspekte. Die meisten der acht Studienanfänger sind Rechtsanwälte. Ein juristischer Abschluss ist keine Voraussetzung, wohl aber juristische Berufserfahrung. So hat einer der ersten Teilnehmer jahrelang bei der EU-Kommission im Bereich Sport gearbeitet.