Religion spielt zwar für viele Muslime eine wichtige Rolle im Alltag, sagte Seesemann. Aber mehr als 90 Prozent von ihnen lehnten Terror im Namen der Religion ab. In Deutschland leben zurzeit etwa vier Millionen Muslime, deren größter Teil aus der Türkei stammt, gefolgt von Zuwanderern aus Südosteuropa. Bis 2020 wird diese Zahl auf etwa fünf Millionen steigen. Seesemann: "Etwa die Hälfte der hier lebenden Muslime hat die deutsche Staatsbürgerschaft." Die Verquickung von Politik und Islam sei ein relativ modernes Phänomen und habe sich erst in den vergangenen 150 Jahren entwickelt.
Persönliche Freiheit:
Lale Akgün berichtete von türkischen Kollegen aus Istanbul, die der Ansicht seien, eine Modernisierung des Islam müsste in Deutschland angestoßen werden: "Wir haben nicht die Freiheit, das auszusprechen, was wir sagen wollen." Und: "Wie soll sich der Islam entwickeln, wenn die Verbände in der Steinzeit verhaftet sind?" Sie sprach von einer unheiligen Allianz zwischen Politik und Religion: "Man muss die Möglichkeit haben, mutig sein zu können. Das geht in der Türkei nicht." Integration sei in erster Linie eine individuelle Entscheidung, folgerte der Theologe Ourghi: "Dafür brauchen wir keine Aufseher."
Fazit der Diskussion:
In einer immer unübersichtlicheren Welt, in der sich neben religiösen Extremen auch Atheismus breit macht, müsse man fragen, wie mit dem Bekenntnisunterricht umzugehen sei, forderte Lale Akgün. Abdel-Hakim Ourghi wünschte sich "eine Moschee für alle Muslime", was jedoch aufgrund nationaler Differenzen nicht vorstellbar sei. Rüdiger Seesemann schloss mit dem Appell, ein Islam-Verständnis zu entwickeln, das mit dem Alltag in Deutschland kompatibel sei: "Kindergartenkinder sagen: „Bei uns gibt's keine Ausländer, nur Kinder.“