Frage: Warum Porträts, was ist das Spannende? Wingenfelder: Ich komme aus der alten Schule, der Analogfotografie. Ich mag das Foto als Dokument. Porträtfotografie liegt mir sehr am Herzen, weil ich wie in der Musik auch den Kontakt zum Menschen liebe. Man kann mir auch eine Kerze hinstellen, die fotografiere ich auch, aber ich mag die Begegnung. Oft reden wir mehr als dass wir fotografieren, ich bin gerne mit den Leuten unterwegs, wir begegnen uns also gegenseitig und dann fotografiere ich sie. Irgendetwas scheint in vielen meiner Fotos zu sei, da ist einfach mehr drauf als bei einem normalen Standardportrait.
Frage: Geben Sie ihren Models auch Anweisungen oder funktioniert mehr aus dem Gespräch heraus?Wingenfelder: Sowohl als auch, wenn ich Ann-Kathrin Kramer oder Rolf Zacher fotografiere, dann sind das keine Models. Man kennt sich, es ist eine freudige Begegnung. Man fällt sich um den Hals dann gehts los. Ich gebe kleine Anweisungen, aber wenn es läuft ist es wie ein Song: Der läuft dann aus sich heraus. Diesen Punkt muss man erreichen, dass man als Fotograf und als Person, die porträtiert wird, zusammenhängt. Wenn man aber mit einem Model für einen Kalender einer Satellitenkommunikationsfirma arbeitet, dann muss man schon mehr anweisen und es ist wie bei Heidi Klums Germany's Next Topmodel.
Frage: Eine echter Job also. Wingenfelder: Ein echter Job, wobei die anderen Sachen auch echte Jobs sind. Wenn ich Porträts mache, verkaufe ich auch ein Produkt. Ich muss Bilder abliefern, die die Agentur oder die Zeitung braucht. Wenn ich also für Brigitte Woman! ein Schauspielerehepaar fotografiere, dann wollen die bestimmte Sachen haben.
Frage: Zur Ausstellung in Bamberg: Wer entwickelte diese Idee, Ihre Bilder in der Szenerie eines offenen Plattenladens zu präsentieren? Wingenfelder: Die Idee kam von Steven P. Carnarius, ein junger Grafikdesigner aus Bamberg, der schon mehrere Ausstellungen in seinem Palais gemacht und auch für viel Furore gesorgt hat. Wir kennen uns über Ralf Metzenmacher. Ich bin kein Freund von Ausstellungsgeschichten, komischerweise halte ich mich in der Fotografie gerne im Hintergrund. Aber Steven kam mit der Idee, den gesamten Thorsten Wingenfelder zu zeigen. Also erst ein kurzes Akustikkonzert im Jazzkeller mit geladenen Gästen und dann mit großem Getöse und Fahrservice zum Palais, Ausstellungseröffnung mit nur vier großen Bildern. Danach gehen wir aus dem großen Raum raus um die Ecke hinter eine Wand, wo ein alter Vinylplattenladen konstruiert worden ist. Dort zeigen wir weitere 100 Exponate, die man herausnehmen kann, man kann darin stöbern und muss nicht in Ehrfurcht vor Schwarz-Weiß-Porträts zu verharren. Berühren, anfassen , diese gewisse haptische Komponente kennenlernen. Man kann sich auch hinsetzen, nebenbei Musik von Thorsten Wingenfelder auf dem iPod hören. Dieses ganze Konzept fand ich im Rahmen einer Party, die danach stattfindet, äußerst spannend.
Frage: Läuft während der Ausstellung auch Musik von Thorsten Wingenfelder? Wingenfelder: Es läuft Musik als Ausstellungsuntermalung, aber nichts von mir, sondern Musik die dazu passt, da ich viele meiner Bilder zu Musik bearbeite. Das ist eine gute Mischung, denn Musik ist ein großer Teil meines Lebens.
Frage: Wo liegt derzeit die Leidenschaft mehr, Musik oder Fotografie. Wingenfelder: Derzeit fange ich mit meinem Bruder wieder unter dem Namen Wingenfelder & Wingenfelder an, Musik zu spielen. Wir haben jetzt in Regensburg unser erstes Konzert gespielt, nächstes Jahr kommt das Album, deshalb bin ich zweigeteilt. Musik ist immer unterschwellig dabei und wird gerade wieder größer. Aber gestern habe ich noch in einem Sterbehospiz fotografiert. Es geht immer hin und her, das macht das Leben sehr, sehr spannend.