100-jährige Heimbewohnerin wusste, dass der Praktikant sie ersticken würde "Ich muss jetzt nämlich sterben"

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Sebastian S. (18) kurz vor der Gerichtsverhandlung. Zwei Beamte bringen ihn in den Gerichtssaal. Foto: Lapp Foto: red

Es war der letzte Besuch bei Maria F. „Bringt mir ein Sterbekleid mit", sagte die 100-Jährige. Dann bat sie ihre Angehörige und ihre Betreuerin noch um ein Kreuz und ein Bild des Papstes. „Ich muss jetzt nämlich sterben." Zu diesem Zeitpunkt nämlich hatte Sebastian F., der damals 17-jährige Praktikant bereits versucht, sie zu ersticken. Es war ihm nicht geglückt. Es sollte ihm erst am nächsten Tag gelingen.

 
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Sie hätte an diesem Nachmittag im Juni vergangenen Jahres alle Zeit der Welt gehabt, ihren beiden letzten Angehörigen zu sagen „holt mich hier raus". Zu diesem Zeitpunkt nämlich hatte Sebastian F., der damals 17-jährige Praktikant bereits versucht, sie zu ersticken. Es war ihm nicht geglückt. Es sollte ihm erst am nächsten Tag gelingen. Und Maria F.s Bitte um das Sterbekleid sollte ihm eine höhere Strafe ersparen.

Die Jugendkammer des Landgerichts Bamberg hat ihn gestern für drei Jahre ins Gefängnis geschickt. Die Strafe hätte, sagt Rechtsanwalt Ralph Heinrich (50), durchaus höher ausfallen können. Denn auch im Raum standen die Diebstähle, die sein Mandant im Altenheim in Scheßlitz, in dem Maria F. lebte, begangen hatte. Drei Stunden, nachdem er die Frau erstickt hatte, klaute er einer Kollegin noch 150 Euro aus der Handtasche. In einem Zigarettenautomat hatte er eine Kreditkarte gefunden – und für sich behalten. Allein für diese beiden und weiter Fälle des Diebstahls hätten für mehr als zwei Jahre gereicht. Zumal Sebastian S. schon im Jugendarrest saß.

Das Urteil, so sein Anwalt, habe er „gefasst" aufgenommen. Noch am ersten Verhandlungstag wollte er ein schnelles Urteil, er wollte „Klarheit". Die hat er jetzt: Die nächste Zeit wird er in einem speziellen Jugendgefängnis untergebracht, in Laufen-Lebenau nahe der österreichischen Grenze. Dort sind jugendliche Straftäter im Alter von 14 bis 16 Jahren aus ganz Bayern untergebracht. Sebastian wäre einer der ältesten, was seinem Wesen zugute käme: Er ordnet sich zu leicht unter, sagt nicht nein. "Wenn einer sagt: spring, dann springt er", beschrieb ihn eine Zeugin.

„Sebastian war auf das Urteil vorbereitet", sagt sein Anwalt dem Kurier. Seine Eltern, bekannte Akademiker aus der Region Bamberg, durften der Verhandlung folgen. Sie hörten, wie sehr sich die Lehrer aus Sebastians Schulzeit über die Tötung wunderten. Niemals sei er durch Gewalttätigkeiten aufgefallen, sagten sie aus. Im Gegenteil: Was Gewalt angehe, habe er immer den Schwächeren geholfen. Selbst die Verwandte und die Betreuerin, denen gegenüber die alte Frau ihre Bitte um das Sterbekleid äußerte, bestätigten: Er sei kein „eiskalter Killer". Sie attestierten ihm, der sich im Internet „Unbekannter Auftragskiller" genannt hatte, eine Mischung aus Naivität und Dummheit.

Eine schlimme Tat

Trotzdem ist die Tat eine schlimme, wie das durchaus harte Urteil belegt. Sebastian hatte alles von Anfang an eingeräumt. Und bereut. Das habe das Strafmaß beeinflusst, sagt ein Gerichtssprecher. Klar ist, dass Maria F. sich sehnlichst den Tod wünschte, und dies ständig aussprach. „Lass dir was einfallen", soll sie zu Sebastian gesagt haben. Doch rechnete sie damit, dass ihr jemand den Wunsch erfüllte?

Das Kissen zu nehmen, es aufs Gesicht zu drücken und damit die Frau zu ersticken, das legte der Gerichtsmediziner dar, sei ein schlimmer Tod. Selbst bei einer lungenkranken 100 Jahre alten Frau gehe das nicht in Sekunden. Das seien schreckliche zwei bis drei Minuten.Die Reaktion der Eltern, als das Urteil gesprochen war, beschreibt der Anwalt als „erleichtert". Sie hatten sogar noch ein wenig Zeit, die sie mit ihrem Sohn verbringen durften. Die Polizei fuhr ihn nach Hause. Direkt nebenan, in der gleichen Straße wohnen auch die Angehörigen des Opfers. Sie kennen Sebastian schon lange.

Ein letztes Mal vor seiner Haft zuhause durfte er sich von seinem geliebten Hund verabschieden und nochmal seine Schwestern umarmen.Jugendstrafen können, anders als bei Erwachsenen, schon nach der Hälfte zur Bewährung ausgesetzt werden. Die acht Monate in einer speziellen Einrichtung für Jugendliche im Fichtelgebirge werden angerechnet. Im günstigsten Fall also ist Sebastian in etwa einem Jahr wieder auf freiem Fuß. Im Gefängnis könnte er auch einen höheren Schulabschluss machen. Sein Anwalt wollte sich dazu nicht äußern. Er hat noch zwei Wochen Zeit, Rechtsmittel dagegen einzulegen. Solange ist das Urteil noch nicht rechtskräftig.

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