„Ich druck' mein eigenes Auto“

Von Roland Töpfer
 Foto: red

Die Welt ist voller Kontraste: Hinter dicken Mauern, eingerahmt von alten Ritterrüstungen, ging es in Schloss Thurnau um die digitalisierte Welt – die Welt, die sich radikal ändern wird.

 
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Das IT-Cluster Oberfranken und bayme, die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber, hatten eingeladen, und über 100 Unternehmer und IT-Interessierte kamen, um sich über die Chancen der Digitalisierung für den Mittelstand zu informieren. Eine Veranstaltung, um einmal „über den Tellerrand hinauszublicken“, wie es Claus Huttner, der Vorsitzende des IT-Clusters, ein Netzwerk-Verbund mit gut 70 Mitgliedern, formulierte. Mitgebracht hatte Huttner „eine echte Nummer im Markt“: Mark von Kopp, seit über 15 Jahren in führender Position bei SAP tätig mit Schwerpunkt Industrie 4.0 und digitale Geschäftsmodelle.

Pilgern ins Silicon Valley

Kopp berät auch viele Dax-Unternehmen zur Digitalisierung. Zum Beispiel auch große Autobauer. Noch vor vier Jahren, als Kopp mit ihnen über autonomes und teilautonomes Fahren sprach, waren die Reaktionen abwehrend. Das sei doch verboten, komme vielleicht in 50 Jahren mal. Vor zwei Jahren holte sich Apple Auto-Leute von BMW und Daimler. Deutsche Automanager pilgerten ins Silicon Valley. Heute bauen wir Teststrecken für autonomes  Fahren.

Häuser auf dem Mars

Nicht die Großen schlagen die Kleinen, sondern die Schnellen die Langsamen, sagt Kopp. Über Cloud-Computing könne man sich extrem viel Rechenleistung ins Haus holen. Ist die deutsche Wirtschaft, ist der Mittelstand bei der Digitalisierung gut unterwegs? „Die Sensibilität ist da, in jeder Branche“, sagt Kopp. Manches dauere manchmal vielleicht etwas länger, denn deutsche Betriebe gehen sehr gründlich vor, wollen Qualität liefern. „Ich kann nicht Qualität im ersten Wurf liefern.“ Beim 3D-Druck, dem computergesteuerten Aufbau dreidimensionaler Werkstücke,  gebe es 40 deutsche Weltmarktführer. Was wird die Zukunft bringen? „Ich druck‘ mir mein eigenes Auto“, sagt Kopp. Oder, wenn es mal zum Mars geht, dann wird ein 3D-Drucker mit hochgeschickt, der aus Mars-Material Häuser, Hallen, Anlagen bauen kann.

Mit der Digitalisierung rückt der Kunde, lange Zeit von Unternehmen vernachlässigt, viel stärker in den Blickpunkt. Big Data – große Datenmengen werden ausgewertet und in neue Geschäftsmodelle geformt. Zu langsam, zu technisch, zu teuer darf es nicht sein.

Der Chef weiß immer Bescheid

Ein alltägliches Beispiel: Kundenströme im Supermarkt. Kameras und Sensoren erfassen die Daten. Welche Personen sind wann an welchen Regalen? Der Chef erfährt in Echtzeit: Was passiert gerade in meinem Markt? Nutze ich meine Flächen optimal aus? Auf Aktionsflächen können schnell neue Angebote entstehen. „Der Computer hat die höhere Logik“, sagt Kopp.

Wird der Mensch zum Spielball von Algorithmen? Nein, sagt Kopp. „So ist die Rechtssituation nicht.“ Wem gehören die Daten, wer hat Zugriff? Zwei zentrale Fragen der Digitalisierung. Denn Daten „sind das neue Öl“, Daten werden monetarisiert.

Vertrauen ist wichtig

Vertrauen bleibt eine wichtige Währung, sagt Kopp. Für Deutschland spreche seine Kultur, Gesetzgebung, Rechtsprechung, seine „gezügelten Nachrichtendienste“. „Ich muss Vertrauen haben, dass mir die Daten überhaupt gegeben werden.“ Hier könnten deutsche Unternehmen punkten.

Digitalisierung mit Industrie 4.0, das ist die vierte industrielle Revolution nach Mechanisierung, Massenfertigung/Fließband und Automatisierung mit Elektronik/IT. Stehen wir noch am Anfang der Digitalisierung oder schon mittendrin? „Am Anfang mittendrin“, sagt Huttner.

IT-Cluster Oberfranken

Der Verein IT-Cluster Oberfranken wurde 2007 gegründet und hat gut 70 Mitglieder, die sich  regelmäßig austauschen, jedes Jahr zu einem Unternehmer-Event einladen und IT-Veranstaltungen an den oberfränkischen Unis und Hochschulen  anbieten. Vorsitzender ist Claus Huttner, Chef des Bamberger  Logistikunternehmens Bi-Log.