Sie ist die neue Bayreuther Brünnhilde: Catherine Foster im Interview „Ich bin eine starke Frau"

Die Bayreuther Brünnhilde Catherine Foster - hier in der gleichen Partie in Weimar 2008. Foto: red

Ihr Schlussmonolog in der „Götterdämmerung" ist das längste Sopran-Solo der Opernliteratur: Die englische Sopranistin Catherine Foster singt in „Die Walküre", „Siegfried" und „Götterdämmerung" die Partien der Brünnhilde – wenn man so will, die weibliche Hauptrolle des Riesenwerks. Es ist Fosters Debüt in Bayreuth. Angst davor habe sie nicht, sagt sie. Ein Interview.

 
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Frau Foster, bevor Sie Sängerin wurden haben Sie zunächst als Krankenschwester und Hebamme gearbeitet. Wie kommt man vom Kreißsaal auf die Opernbühne?

Catherine Foster: Ich hatte nebenher als Amateurin schon ein bisschen gesungen. Irgendwann kam ein Paar zur Geburt in die Klinik. Sie hatten noch einige Stunden vor sich, ich war gerade im Dienst und wir haben uns unterhalten. Es stellte sich heraus, dass beide mit der Musikszene zu tun hatten, und sie empfahlen mir eine Gesangslehrerin, Pamela Cook. Bei ihr hatte ich 1993 meinen ersten Unterricht, 1995 wurde ich am Konservatorium aufgenommen. Ich habe montags bis freitags studiert und am Wochenende weiter als Hebamme gearbeitet. Damit konnte ich erst aufhören, als ich für das Londoner Opernstudio ein Stipendium bekam.

Hat es Ihnen Leid getan, die Geburtshilfe aufzugeben?

Foster: Ich habe den Beruf gemocht, aber immer gewusst, dass ich ihn nicht ewig machen werde. Meine Vorahnung war: Nach 250 Babys ist Schluss. Tatsächlich sind es am Ende 257 gewesen.

Nach dem Studium kamen Sie 2001 in Ihr erstes Engagement an das Deutsche Nationaltheater in Weimar. Wie ging es Ihnen als Engländerin in der thüringischen Provinz?

Foster: In der ersten Zeit war ich sehr einsam, ich konnte die Sprache noch nicht, hatte kaum Möbel in meiner Wohnung. Besser wurde es, als mir mein Mann zu Weihnachten einen Fernseher schenkte. Davor saß ich dann mit einem riesigen Wörterbuch und habe deutsche Sendungen gesehen, Sachen wie Starsky und Hutch, mit ganz einfachen Handlungen. So habe ich Wörter gelernt wie „Nicht schießen!" oder „Keine Bewegung!". Weimar war perfekt für mich. Ich habe neun Jahre lang kein Auto gebraucht, habe alles mit dem Rad oder zu Fuß gemacht. Es war auch leicht, dort Deutsch zu lernen, weil in der Stadt kaum jemand Englisch spricht. Ich konnte das deutsche Repertoire, in das ich am Nationaltheater hineingewachsen bin, von Anfang an in der richtigen Aussprache hören. Aber es war sehr anstrengend, alles gleichzeitig zu lernen, die Sprache, das Bewegen auf der Bühne, die neuen Partien. In meinen ersten zwei Jahren in Weimar war ich völlig kaputt. Und dann sind Sie in dieser Zeit auch noch Mutter geworden.

Foster: Ich war mit dem Baby in Deutschland ganz allein, mein Mann lebt ja bis heute in England. Das war tatsächlich anfangs ein kleiner Alptraum für mich, aber dann habe ich das sortieren können. Der Kindergarten war hervorragend, von 7 bis 18 Uhr geöffnet und im Vergleich zu England auch unglaublich preiswert. Man hat sich wunderbar um meine Tochter gekümmert, sie hat sich immer wohl gefühlt. Ich hoffe, dass Deutschland sich diese besondere Qualität erhält.

Heute sind Sie Freiberuflerin und viel unterwegs, Sie organisieren eine Familie und arbeiten dazu in einem echten Hochleistungsberuf. Woher nehmen Sie die Energie für diesen Kraftakt?

Foster: Ich weiß nicht. Ich bin eine starke Frau. Und ich habe gelernt, mich um mich selbst zu kümmern, nicht zu viel Energie rauszugeben in alle möglichen Richtungen, sondern sie mir für meine Arbeit zu bewahren. Zum Beispiel gehe ich nicht mehr zum Grillen mit Freunden oder auf Partys. Das ist schade, das habe ich früher gerne gemacht. Jetzt verzichte ich darauf, um in Ruhe mit meiner Tochter zuhause sein zu können.

Brünnhilde singen Sie bereits seit 2007. Welches Verhältnis haben Sie zu dieser Figur?

Foster: Sie ist ein Teil von mir. Bei ihr war es so, als würde ich sie schon ewig kennen. Das ist nicht selbstverständlich. Ich habe zum Beispiel lange an Sieglinde gearbeitet und am Ende nichts mit ihr anfangen können. Wie war es mit Ihren anderen Rollen? Foster: In Isolde habe ich schwerer hineingefunden. Aber meine Elektra liebe ich, oder Mimi, die Schwindsüchtige. Ich glaube, dass die Arbeit im Krankenhaus mir dabei hilft, mich in Rollen einzufühlen, weil ich damals so viele Leute beobachten konnte. Kranke, Gesunde, Jubel, Traurigkeit. Ich war 18, als ich meine erste Leiche gesehen habe, mit 21 ist ein Mann in meinen Armen gestorben. Diese Erfahrungen setze ich heute auf der Bühne um.

Welche Gefühle sind für Sie am schwersten zu spielen?

Foster: Liebe zu einem Mann. Wenn ich so ein bisschen sexy sein soll, dann muss ich immer lachen. Das können andere besser.

Mit dem Bayreuther Siegfried Lance Ryan haben Sie bereits in Karlsruhe, Shanghai und Sevilla gesungen. Macht es solche Vertrautheit leichter, sich auf eine Neuproduktion einzulassen?

Foster: Vor allem spart sie Energie. Der Umgang mit fremden Leuten kostet Kraft. Das ist das Gute am Wagner-Repertoire: Wenn man eine bestimmte Ebene erreicht hat, trifft man überall wieder auf die gleichen Kollegen.

In den Feuilletons wird alle Jahre wieder eine neue Brünnhilden-Krise ausgerufen: Weil die wenigen hochdramatischen Sopranistinnen zu viel und zu früh die großen Wagnerpartien singen würden, käme es zu frühem Verschleiß. Sehen Sie sich in Gefahr, sich an Brünnhilde zu verschleißen?

Foster: Nein. Ich singe sie nie mit voller Stimme, vielleicht einen Ton in der ganzen Oper. Sobald man das tut, nimmt man vom Konto und nicht nur von den Zinsen. Wagner hat sich für Brünnhilde ohnehin sehr viel piano gewünscht, sehen Sie nur in die Partitur. Und gehen wir etwa im echten Leben herum und sprechen mit unserem Vater nur forte? Nein.

Das Gespräch führte Eva Kröner

Autor