Beim Haftrichter belastete er die zwei Mitangeklagten - Doch auch gegen ihn gibt es eine Zeugenaussage Hooligan-Prozess: Angeklagter im Abseits

Von Manfred Scherer
Das Spiel endete 0:0. Nach dem Spiel gab es am Bahnhof Randale, bei der ein Regensburger verletzt wurde. Drei junge Bayreuth-Fans stehen deshalb seit 14. November 2016 vor dem Bayreuther Schwurgericht. Die Fans waren an diesem Spieltag ausnahmsweise auf der Tribüne und nicht am gewohnten Platz in der Gegengerade. Sie wollten an diesem Tag eine größere Aufmerksamkeit für ihren Protest gegen die kurz davor bekannt gewordenen Schließungspläne für das Stadion wegen des geplanten Umbaus. Foto: Archiv/ Peter Kolb Foto: red

In einem Fanlied, das bei Spielen der SpVgg Bayreuth oft zu hören ist, heißt es: "Wir halten fest zusammen. Komm und sieg' für uns." Zusammenhalt war einem 24-jährigen Mann Anfang April nicht mehr wichtig, als er  wegen der Fan-Randale nach dem Fußballspiel der Altstadt gegen Jahn Regensburg als Beschuldigter beim Ermittlungsrichter saß und sagte: "Ich halt doch für die anderen nicht den Kopf hin." Zusammen mit den beiden anderen sitzt er jetzt auf der Anklagebank des Bayreuther Schwurgerichts, denn auch gegen ihn gibt es eine belastende Aussage.

 
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Der 24-Jährige nannte dem Ermittlungsrichter die Namen zweier 19 Jahre alten Männer - einer aus Bayreuth, der andere aus Creußen. Alle drei sitzen, wie berichtet, seit dem 14. November als Angeklagte im Bayreuther Hooligan-Prozess vor dem Schwurgericht.

Was suchte der Fan mit der Argentinien-Jacke bei der Altstadt?

Der 24-Jährige ist nach den bisherigen Erkenntnissen aus der - längst nicht abgeschlossenen - Beweisaufnahme am 19. März Gast von Bayreuther Fans gewesen. Angeblich ist der 24-Jährige eigentlich Fan der Spielvereinigung Greuther Fürth. Aber am Tag der Randale nach dem Spiel SpVgg Bayreuth gegen Jahn Regensburg trug er eine Sportjacke, die ein Polizeibeamter als Jacke des Vereins 1860 München beschreibt - wegen der dunkelblauen Farbe und den himmelblauen Streifen. Seine Kollegin weiß das im Zeugenstand besser: "Das war eine Argentinien-Jacke." Der Schwurgerichtsvorsitzende Michael Eckstein lässt die beschlagnahmte Jacke aus der Asservatenkammer holen - tatsächlich hat das Kleidungsstück an der Brust nicht das 60er-Wappen, sondern einen Aufnäher des argentinischen Fußballverbandes.

Die Meute begann plötzlich zu rennen

Die Jacke und ihr Träger sind der Polizeibeamtin bestens in Erinnerung. Sie und ihr Kollege waren in Zivil eingesetzt, um rund um das "Risikospiel" Bayreuth gegen Regensburg Aufklärung gegen herumvagabundierende Fangruppen zu betreiben. Zunächst gab es eine Randale durch Regensburger Fans in Höhe der Mainbrücke in der Albrecht-Dürer-Straße. Ein starkes Polizeiaufgebot bekam diese "Meute" in Griff. Die zwei "Zivilaufklärer" der Polizei hatten jedoch Erkenntnisse, dass noch eine Gruppierung im Stadtgebiet unterwegs war und fuhren in Richtung Bahnhof, wo die Züge zurück nach Regensburg abfahren sollten. In der Bahnhofsstraße sichteten die Zivilbeamten eine Gruppe von 30 bis 40 Bayreuther Fans, die erst langsam gingen und dann - wie auf ein unsichtbares Kommando - zu rennen begannen. Das Ziel: Das Bahnhofsgelände. Der 39-jährige Zivilbeamte erklärte: "Ich glaube, dass die Bayreuther Meute gezielt nach Regensburger Fans gesucht hat - wahrscheinlich haben sie in der Bahnhofstraße via Handy eine Nachricht bekommen."

Ein Verdächtiger jubelt sich selbst zu

Auf dem Bahnsteig für die Gleise 2 und 3  hielten sich rund zehn Regensburger Fans auf. Einer sagte als Zeuge vor Gericht über den Tag: "Das Spiel war langweilig." Dafür war die Verlängerung abseits des grünen Rasens umso interessanter: Die Bayreuther Meute stürmte in die Bahnhofsunterführung, die Regensburger positionierten sich in Abwehrhaltung auf der Treppe, die zur Unterführung hinab führt. Die 41-jährige Zivilpolizistin hörte ein "wahnsinniges Gegröle" aus der Unterführung und sah als erstes einen Regensburger am Boden liegen und einen Bayreuther, der ihn mehrfach massiv in den Rücken trat. "Wir haben uns auf diesen Täter konzentriert", erklärte die Polizistin als Zeugin und identifizierte den 24-jährigen Angeklagten. Die zwei Polizisten verfolgten den Mann. Kurz vor der Festnahme hörten sie, wie er sich selbst zujubelte und "Ja! Ja! Ja!" rief. "Er ballte dabei die Fäuste", sagte die Zeugin weiter aus.

Behelmter Polizeitrupp stürmte die Unterführung

Zwischenzeitlich war das Aufgebot der Bundespolizei von der Mainbrücke in der Tunnelstraße angekommen und stürmte - alle Beamten mit Helm geschützt - in die Unterführung. In dem Durcheinander wurden die zwei 19-Jährigen festgenommen. Einer, weil "er einfach da stand, nicht weit von dem Opfer entfernt", wie ein Polizist aussagte. Ein anderer, weil ein Regensburger ihm hinterher gerannt war und mit dem Finger auf ihn zeigte: "Der wars."

Wenig konkrete Aussagen wegen des Tumults

Waren die zwei 19-Jährigen wirklich die Treter? Der aus Bayreuth stammende Heranwachsende hat die Beteiligung bestritten. Der junge Mann aus Creußen hat sich bislang nicht geäußert. Nur ein Regensburger Fan will gesehen haben, wie der junge Mann aus Creußen zutrat. Alle anderen Anwesenden in der Bahnhofsunterführung können Tritte durch diese zwei Angeklagten nicht bezeugen - zu groß war der Tumult, zu dicht die Menschenmasse.  

Haftbefehle gab es erst auf Beschwerde des Staatsanwalts

Dem Ermittlungsrichter erschien die Beweislage so dünn, dass er damals keine Haftbefehle erließ. Erst auf Beschwerde der Staatsanwaltschaft erließ das Landgericht die Haftbefehle. Eine der Heranwachsenden musste sein Abitur saußen lassen, der andere stellte sich freiwillig nach der Rückkehr aus dem Urlaub. Eine weitere Frage, die sich im Prozess auftut: Ist ein Totschlagsversuch zu beweisen? Die behandelnden Ärzte erkärten im Zeugenstand, dass das zusammegeschlagende Opfer keine lebensgefährlichen Verletzungen erlitten hatte.

Der Prozess wird fortgesetzt.

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